25.02.2018

Influencer-Analyse

«Influencer sind mehr als Sales-Werkzeuge»

Warum ist Roger Federer so extrem glaubwürdig, obwohl er bei seinen Social-Media-Posts häufig Werbung macht – etwa für Rolex, Jura oder Nike? Martin Faltl von der Universität St. Gallen erklärt die Hintergründe des neuen Influencer-Checks.

Herr Faltl, Roger Federer ist laut Ihrem Ranking der Influencer-König. Was machen er und sein Team besonders gut?
Das ist auf Konstanz und Konsistenz zurückzuführen. Roger Federer hat über seine gesamte Karriere hinweg ein authentisches Bild seiner Person gezeigt, das er und sein Team auch in der digitalen Welt vermitteln. Obwohl er eine der bekanntesten Persönlichkeiten der Sportwelt ist, haben die Follower – anders als bei anderen berühmten Personen – nicht das Gefühl eine PR-Show zu verfolgen, die gezielt sein Image manipuliert.

Wie die anderen veröffentlicht auch Federer auf Instagram auch gesponserte Post. Warum schadet das seiner Glaubwürdigkeit nicht?
Er macht bei der Wahl seiner Partnerschaften zwei entscheidende Dinge richtig: Zum einen passen die Marken hervorragend zu ihm, was deren Persönlichkeits-Attribute und Status-Assoziationen betrifft. Es fällt leicht sich vorzustellen, dass Roger Federer als Privatperson auch wirklich Produkte von Mercedes-Benz oder Rolex nutzt. Zum anderen sind die Partnerschaften in der Regel sehr langfristig ausgelegt, wie bei Nike oder Wilson. Mit Wilson arbeitet er beispielsweise bereits seit über 20 Jahren zusammen und besitzt einen lebenslangen Vertrag.

Influencer-Marketing ist in aller Munde. Wie hoch ist der durchschnittliche Anteil Marketingbudget der Schweizer Unternehmen?
Diese Frage kann ich nicht beantworten, weil dazu keine Zahlen vorliegen. Viele Schweizer Unternehmen sind aktuell in der Phase, dass sie in den letzten beiden Jahren erste Erfahrungen mit Influencern gesammelt haben und ihr Engagement nun verstärken wollen.

Wie wird sich dieser Anteil in den kommenden Jahren entwickeln?
Mit zunehmender Kaufkraft der für Influencer-Marketing besonders relevanten jungen Zielgruppen liegt es nahe, den Anteil weiter zu erhöhen. Ausserdem hoffe ich, dass Unternehmen besser erkennen, dass Influencer aus strategischer Sicht mehr sein können als Sales-Werkzeuge. Auch das sollte ihren Wert erhöhen und den Markt weiterwachsen lassen.

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67 Prozent der Jugendlichen in der Schweiz sind laut dem Digimonitor auf Instagram. Auf Snapchat sind es genauso viele. Warum haben Sie sich für Instagram entschieden?
Keine Frage – auch auf anderen Kanälen produzieren Personen einflussreiche Inhalte. Die von uns verwendeten Daten sind allerdings aufwendig zu sammeln, aufbereiten und auszuwerten. Daher haben wir uns zunächst auf die aus unserer Sicht wichtigste Plattform Instagram beschränkt, worauf wir auch ausdrücklich hinweisen. Sollte das Ranking Anklang finden, werden in Zukunft sicher weitere Plattformen hinzukommen.

Nun wollen Sie alle vier Wochen ein neues Ranking machen. Kann sich in so kurzer Zeit überhaupt etwas ändern?
Für die monatliche Veröffentlichung haben wir uns vor allem entschieden, um auch kleinen Accounts, die aber stark wachsen, eine Plattform zu geben. Hier wird es zwangsläufig Fluktuation geben, da diese Influencer, sobald sie eine bestimmte Follower-Zahl überschreiten, nicht mehr in unsere «Newcomer»-Kategorie fallen. Zudem können wir aktuelle Rankings für spezifische Branchen anbieten. In diesem Monat starten wir mit einem Ranking zum Thema Fashion. Veränderungen innerhalb eines Monats sind aber auch in den Topten möglich. Sollte ein Account Posts veröffentlichen, die inhaltlich nicht gut ankommen oder Follower verlieren, wird sich das bemerkbar machen.

In den Topten sind Sportler, Reiseblogger und Fitness-Influencer. Welche Branchen wären sonst noch prädestiniert für Influencer-Marketing, nutzen das Potenzial jedoch noch nicht?
Grundsätzlich ist der Anteil an Content-Kreatoren in der Schweiz eher tief, im Vergleich zu anderen Ländern. Besonders bemerkbar macht sich das in Themenbereichen, die vor allem etwas ältere Zielgruppen betreffen, wie beispielsweise Parenting. Hier gibt es sicher noch Potenzial.

Der Influencer-Check beansprucht für sich den tatsächlichen Einfluss von Influencern zu erkennen (persoenlich.com berichtete). Wie geht der Algorithmus vor?
Wir nähern uns dem tatsächlichen Einfluss so gut wie möglich an. Eine perfekte Messung ist nicht möglich – ähnlich wie beispielsweise bei einem Intelligenztest, der die tatsächlichen kognitiven Fähigkeiten eines Menschen mit verschiedenen Aufgaben bestmöglich einzuschätzen versucht. Unser Algorithmus bezieht aktuell sieben Indikatoren ein, von denen wir glauben, dass sie bestimmte Facetten von Einfluss reflektieren

Ein Kriterium bewertet das Verhältnis der Followerzahl und der Anzahl Accounts, denen jemand folgt. Warum ist das relevant?
Auch auf Instagram besteht die soziale Norm der Reziprozität – geben und nehmen. Häufig vereinbaren Accounts sich gegenseitig zu folgen, um die eigene Follower-Zahl zu erhöhen. Darauf nicht angewiesen zu sein, drückt einen gewissen Status innerhalb eines Netzwerkes aus sowie dass sich die Follower tatsächlich für die Inhalte interessieren und nicht nur drauf konzentriert sind die eigene Reichweite auszubauen. 

Auch das Verhältnis von normalen zu bezahlten Posts spielt eine Rolle. Wie erkennt der Algorithmus das überhaupt? In der Schweiz müssen bezahlte Posts ja nicht gekennzeichnet werden.
Nur weil es in der Schweiz im Gegensatz zu den USA oder Deutschland noch kein spezifisches Urteil zum Thema Influencer Marketing gibt, bedeutet das nicht, dass bezahlte Partnerschaften nicht gekennzeichnet werden müssen. Der Algorithmus ist natürlich auf den Text angewiesen und an dieser Stelle nicht perfekt. Wichtig ist auch zu verstehen, dass nicht das Sponsoring des Posts per se, sondern die Kennzeichnung als Werbung zu einem Rückgang der Überzeugungskraft des Inhalts führt. Eine wissenschaftliche Studie aus dem Jahr 2016 weist das empirisch nach. (wid/eh)

 

 

 



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