18.07.2016

Todesfall

«Ein zum Glück unbequemer Freund der SRG»

Der frühere Vizekanzler, Bundesratssprecher und SRG-Ombudsmann Achille Casanova ist 74-jährig gestorben. Er sei ein «konstruktiver Kritiker des Journalismus» gewesen, sagt SRG-Generaldirektor Roger de Weck. Auch weitere Weggefährten äussern sich.
Todesfall: «Ein zum Glück unbequemer Freund der SRG»
Starb nach schwerer Krankheit: Achille Casanova. (Bild: Keystone)

Der frühere Vizekanzler und Bundesratssprecher Achille Casanova ist tot. Der CVP-Mann hatte während seiner langen Amtszeit mit 26 Bundesräten zusammengearbeitet. Später leitete er die Ombudsstelle der SRG.

Nach schwerer Krankheit verstarb Casanova am Sonntagabend in Bern, wie seine Tochter am Montag der Nachrichtenagentur sda mitteilte. Er wäre am 2. Oktober 75 Jahre alt geworden.

Der vielsprachige und eloquente Casanova hatte während 24 Jahren als Vizekanzler gearbeitet. Er erlebte die Bundesräte Kurt Furgler und Otto Stich ebenso wie später Pascal Couchepin oder Christoph Blocher. Seine langjährige Amtszeit prägte er mit seiner Zurückhaltung und seinem diplomatischen Geschick.

Gesicht des Bundesrats

Casanova sei es gelungen, mithilfe seines Talents und seiner Mehrsprachigkeit der Landesregierung «ein Gesicht zu geben», sagte Bundesratssprecher André Simonazzi am Montag auf Anfrage. Der Tessiner habe mit viel politischem Flair in drei Landessprachen kommuniziert, und in den schwierigsten Situationen die richtigen Worte gefunden. Er sei «eine Inspiration für alle seine Nachfolger» gewesen.

Casanova war im Juli 1981 zum Vizekanzler gewählt worden. Im September 2000 wurde ihm das neu geschaffene Amt des Bundesratssprechers anvertraut. In seinen 24 Jahren als Vizekanzler nahm er an rund 1200 Sitzungen der Landesregierung teil.

Gegenüber Schweizer Radio SRF sagte Casanova nach seinem Rücktritt einmal, er habe häufig Lust verspürt, in den bundesrätlichen Beratungen seine Meinung zu sagen. Es sei «nicht immer einfach» gewesen, still zu sein.

«Gesamteidgenosse»

Zwei Mal - 1991 und 2000 - kandidierte Casanova erfolglos für das Kanzleramt. Bei seinem Rücktritt im Jahr 2005 sagte er, er habe 26 Bundesräte erlebt, und immer habe er deren Entscheide mit Vergnügen kommuniziert. Er sei «weder müde noch amtsmüde».

Ein gutes Jahr vor seinem 65. Altersjahr wolle er den Zeitpunkt seiner Pensionierung aber lieber selber wählen, als «Opfer der Altersguillotine» zu werden. Nachfolger von Casanova wurde Oswald Sigg.

Casanova selbst wurde nach seinem Rücktritt Ombudsmann bei der Schweizerischen Radio- und Fernsehgesellschaft SRG. Er leitete die Ombudsstelle elf Jahre lang. Erst per 1. April 2016 gab er die Leitung an Roger Blum weiter.

SRG-Generaldirektor Roger de Weck würdigte Casanova am Montag als «konstruktiven Kritiker des Journalismus» und «zum Glück unbequemer Freund des öffentlichen Medienhauses SRG». Als perfekt dreisprachiger Tessiner in Bern sei er zudem «einer der seltenen Gesamteidgenossen» gewesen.

In Lugano aufgewachsen

Casanova war in Zürich als Sohn eines PTT-Angestellten geboren worden. Die Schule und das Gymnasium besuchte er in Lugano. Seine Studien in Bern und Freiburg schloss er 1967 mit dem Lizentiat der politischen Wissenschaften ab.

Noch während seiner Studienzeit begann er seine journalistische Laufbahn. Ab 1962 arbeitete er bei der Schweizerischen Depeschenagentur (sda). 1971 wurde Casanova Verantwortlicher für Innenpolitik und Bundeshauskorrespondent beim Tessiner Fernsehen (TSI).

Seine in dieser Zeit dreisprachig geführten Interviews mit den neugewählten Mitgliedern des Bundesrates seien «unvergessen», schrieb am Montag die Bundeskanzlei. Als «erster Bundesratssprecher in der Geschichte des schweizerischen Bundesstaates» habe Casanova dann später geholfen, das Vertrauen in den Bundesrat zu stärken.

Gelassen und humorvoll

Diesen Aspekt würdigte auch der Tessiner Ständerat und Filippo Lombardi. Es sei Casanova gelungen, den Bundesrat für eine transparentere Kommunikation gegenüber der Öffentlichkeit zu gewinnen, sagte der CVP-Fraktionspräsident am Montag über das ehemalige Parteimitglied.

Dank seiner ausgeglichenen Persönlichkeit habe der Tessiner zudem auch in Krisensituationen stets seine Gelassenheit und seinen Humor behalten. Der Vater zweier Kinder wurde für seine Tätigkeit unter anderem mit dem Oertli-Preis 2005 geehrt. Er erhielt die Auszeichnung «für sein Engagement für die mehrsprachige Schweiz, für die sympathische und glaubwürdige Art und Weise, in der er auf höchster Ebene im Land die Mehrsprachigkeit der Schweiz verkörpert hat». (sda)



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