26.10.2016

Schweizer Presserat

Auch Expertenaussagen kritisch prüfen

Der «Tages-Anzeiger» hat mit dem Interview mit einer Sektenexpertin die Wahrheitspflicht verletzt. Eine Beschwerde ist in diesem Punkt gutgeheissen worden.
Schweizer Presserat: Auch Expertenaussagen kritisch prüfen
Der Schweizer Presserat hat eine Beschwerde gegen den «Tages-Anzeiger» teilweise gutgeheissen – im Bild der Sommerkongress «Bleibt Jehova nahe» von 2010 im Zürcher Hallenstadion. (Bild: Keystone)

Journalisten müssen laut dem Presserat auch die Aussagen von Fachleuten auf deren Richtigkeit prüfen. Das Gremium hat eine Beschwerde gegen ein Interview mit einer Sektenexpertin im «Tages-Anzeiger» teilweise gutgeheissen.

Unter dem Titel «Zeugen Jehovas reissen Familien auseinander» erschien am 27. Juli 2015 im Tagi ein Interview mit einer Projektleiterin des Vereins Infosekta. Darin ging es hauptsächlich um den Ausschluss aus der Glaubensgemeinschaft und die damit verbundene Ächtung selbst durch engste Familienmitglieder.

Ein ehemaliges Mitglied der Glaubensgemeinschaft gelangte daraufhin mit einer Beschwerde an den Presserat. Die Person machte geltend, verschiedene Aussagen der Interviewten seien falsch, wie aus einer Mitteilung des Presserats vom Mittwoch hervorgeht.

So beziehe sich das Gebot, den Kontakt zu ausgeschlossenen Kindern einzuschränken, nur auf volljährige Kinder, die nicht mehr im gleichen Haushalt lebten. Zudem sei die Regel, wonach Vorwürfen über sexuellen Missbrauch von Kindern nur nachgegangen werde, wenn es mindestens zwei Zeugen gebe, nicht mehr in Kraft.

Der Presserat weist in seinem Entscheid darauf hin, dass die Wahrheitspflicht die kritische Überprüfung von Quellen einschliesst. Dies gelte auch bei Aussagen von Experten. Zwar habe der Journalist grundsätzlich von der Glaubwürdigkeit der Fachfrau von Infosekta ausgehen können. Was die sogenannte Zwei-Zeugen-Regel betreffe, hätte die Expertin allerdings auf die Aufhebung derselben aufmerksam machen müssen oder der Journalist hätte nachfragen müssen. In allen übrigen Punkten wies der Presserat die Beschwerde ab. (sda)



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