17.02.2016

NZZ

«Der künftige Chefredaktor hat weniger zu melden»

Nach fast acht Jahren tritt Philipp Landmark als Chefredaktor des «St.Galler Tagblatts» ab. Der Grund: Die NZZ-Gruppe setzt ihm mit Pascal Hollenstein einen übergeordneten Super-Chefredaktor vor die Nase. Solch einschneidende Abstriche in der Entscheidungskompetenz wollte der 50-Jährige nicht hinnehmen.
NZZ: «Der künftige Chefredaktor hat weniger zu melden»
von Edith Hollenstein

Herr Landmark, was ging Ihnen am Mittwochmorgen bei der Anhörung der Redaktion durch den Kopf?
Ich habe mir im Vorfeld vorgenommen, cool und nüchtern zu bleiben. Doch als dann die gesamte Redaktion versammelt war und ich meinen Entscheid kurz begründen und mich bedanken konnte, war das ganze doch sehr emotional. Ich erinnerte mich an 2008. Bei der damaligen Anhörung konnte die Redaktion sich dazu äussern, ob ich zum Chefredaktor ernannt werden sollte. Diesmal ging es vor allem um Pascal Hollenstein.

Warum wollen Sie unter Pascal Hollenstein nicht weiterhin als Chefredaktor St.Gallen tätig sein?
Das hat nichts mit der Person von Pascal Hollenstein zu tun, dem ich im Übrigen ein glückliches Händchen bei seiner komplexen Aufgabe wünsche. Aber meine Aufgabe wäre bei Weitem nicht mehr die gleiche. Dass nun ein «Publizistischer Leiter Regionalmedien» eingeführt wird, brächte für mich entscheidende Abstriche in der Entscheidungskompetenz.

Hat Ihnen die NZZ den Rücktritt nahe gelegt?
Nein. Ich erfuhr am Montag vom Entscheid. Nachdem Jürg Weber mir die neue Aufgabenteilung erläutert hatte, war für mich klar, dass ich dieses Angebot nicht annehmen werde.

Erstaunlich ist, dass nicht nur Sie, sondern auch Ihr Innerschweizer Kollege Thomas Bornhauser entschieden hat, das Unternehmen zu verlassen. Haben Sie sich mit ihm abgesprochen?
Jeder von uns hat sich das überlegt und sich unabhängig vom anderen entschieden. Aber natürlich haben wir miteinander darüber gesprochen. 

Können Sie Ihren Entscheid nochmals etwas ausführen: Was wird sich ändern mit dem neuen Super-Chefredaktor?
Die zukünftigen Chefredaktoren St.Gallen und Luzern haben einfach weniger zu melden, insbesondere was Schweiz-Themen anbelangt. Thomas Bornhauser und ich waren bislang frei, unserer Sicht der Dinge einzubringen und zu bestimmen, welche Themen wir wie im Blatt haben wollen und welche nicht. Das wird nicht mehr so sein. Neu wird in letzter Konsequenz alles Überregionale von Pascal Hollenstein bestimmt werden.

Pascal Hollenstein wird bei Abstimmungen oder wichtigen politischen Entscheiden Kommentare schreiben und die publizistische Richtung vorgeben.
Vermutlich schon, das ist vielleicht auch die Absicht der NZZ, wenn sie diese Position mit einem Inland-Journalisten besetzt.

Was hat der Entscheid mit den Sparmassnahmen der NZZ zu tun?
Das Management der NZZ-Gruppe hat den Eindruck, dass man im Überregionalen viel mehr – eigentlich fast alles – gemeinsam machen könnte. Wir arbeiten freilich schon länger eng mit Luzern zusammen, so wurden beispielsweise Einsparungen bei Honoraren möglich oder gewisse Stellenreduktionen, da wir vermehrt Inhalte austauschen. Bis zu einem gewissen Punkt gibt es tatsächlich Synergiepotential, da bin ich gleicher Meinung wie die NZZ. Bei der Frage, wie man solche Sparpläne orchestriert, ist man nun an einem Punkt angelangt, wo ich sagen muss: Da bin ich nicht mehr dabei.

Wie hat sich Ihre Arbeit verändert, nachdem vor einem Jahr Jürg Weber als CEO für die Regionalmedien der Ost- und der Zentralschweiz eingesetzt wurde?
Meine Arbeit hat sich insofern verändert, als dass der Geschäftsführer hier in St.Gallen weniger oft präsent war. Mit Jürg Webers Vorgänger stand ich täglich in Kontakt, weil er hier sein Büro hatte. Weber arbeitet abwechslungsweise in Luzern, St.Gallen und Zürich, er ist eine andere Persönlichkeit. Die regionale Präsenz hier vor Ort in St.Gallen war so mehr als zuvor auch meine Aufgabe. Aber als Chefredaktor ist man ja ohnehin auch Aussenminister.

Hohe lokale Präsenz und Vernetzung wäre auch wichtig für das Profil des neuen Chefredaktors.
Ja, und auch wenn ich hier nun nicht mehr mitbestimmen kann: Die Zuständigen sollten genau hinschauen, wen sie für die Chefredaktor-Position wählen. Weit suchen muss man nicht: Wir hätten auch intern im Haus mehrere Personen, die sehr gut geeignet wären. 

Wie geht es nun weiter für Sie?
Bis Pascal Hollenstein seine neue Funktion antreten wird, werde ich hier meine Arbeit weiterführen – also vermutlich bis etwa im April. Dann stehe ich zwar noch zur Verfügung für Projekte oder einzelne Texte, doch ich werde das Unternehmen in absehbarer Zeit verlassen. Weil ich wie gesagt erst seit drei Tagen vom Entscheid der NZZ weiss, ist noch völlig offen, was ich in Zukunft tun werde. Ich muss zuerst alles setzen lassen, um mir einen klaren Kopf zu verschaffen.



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