24.08.2016

Joiz am Ende

Ex-Mitarbeiter kritisieren Abhängigkeit von Sponsoren

Zweifel, Stimorol, M&M's: Das Product-Placement sei immer plumper geworden, je mehr der Jugendsender in finanzielle Schwierigkeiten geriet, sagen betroffene Programm-Angestellte. Werbekunden hätten so immer stärker mitreden können.
Joiz am Ende: Ex-Mitarbeiter kritisieren Abhängigkeit von Sponsoren
Spricht durch Chips statt durch Blumen: Ex-Joiz-Moderator Knackeboul (r.) mit seinen Gästen. (Bild: Screenshot)
von Christian Beck

«Nervigerweise kam jede Woche jemand von der Sales-Abteilung und wollte, dass wir doch bitte hier noch den Appenzeller-Käse in die Kamera halten und dort doch bitte noch während der Talk-Sendung ein Kilo Chips essen», schreibt Moderatorin und Aushängeschild Gülsha Adilji bei «Watson» zum Konkurs ihres Arbeitgebers.

Der «Sales-Mensch» habe auch ein Konzept für Kaugummi entwickelt. Gülsha: «Da durfte man dann für eine Sendung verschiedene Disziplinen mit so viel Würde wie möglich durchjagen an den, kein Witz, Blowlympics.»

Am Freitags-Apéro von Joiz hätten sich die Moderatoren jeweils darüber gestritten, wer die sonderbarste Produkte-Platzierung in seine Sendung reindrücken musste. Dennoch gibt sich Gülsha versöhnlich: «Im Nachhinein war dies ein sehr kleiner Preis für das, was man während der Joiz-Ära erleben und mitgestalten durfte.»

Geschäftsmodell statt Vorbild

Übermässiges Product-Placement beklagt auch der ehemalige Moderator Knackeboul und übt in einem Beitrag für die «TagesWoche» Kritik: «Was ich als rebellisches Konzept zur Aufmischung der hiesigen Medienwelt wähnte, verkam kontinuierlich zu einer Sponsoren-Befriedigungs-Maschine, die über Soziale Medien Verbreitung und Einnahmen suchte – ein Geschäftsmodell statt ein Role Model.»

Das ständige Mitmischen irgendwelcher Marketing-Abteilungen von Sponsoren bei redaktionellen Inhalten habe dem Sender einen faden Beigeschmack verliehen, so der Rapper weiter. Deshalb sei er vor zwei Jahren «vor dieser Stinkbombe» geflüchtet.

Joiz sei im Dilemma gewesen, authentisch jugendlichen Inhalt gewinnbringend vermarkten zu müssen. «Je mehr Sponsoren an Bord kamen, desto mehr litten Inhalt und Glaubwürdigkeit.»

Es braucht auch Einnahmen

Ein Mitarbeiter, der bis zum Schluss beim Sender mitwirkte, jedoch anonym bleiben möchte, relativiert gegenüber persoenlich.com die Aussagen von Gülsha und Knackeboul: «Es wäre ja schön, wenn wir einfach kreatives Fernsehen machen können, so wie wir möchten. Aber irgendwoher muss ja auch unser Lohn kommen.»

Dennoch bestätigt auch er, dass immer mehr Angebote einfach angenommen worden seien, je mehr Joiz in finanzielle Rücklage geriet. «Man war nicht mehr in der Lage, bei den Sendungskonzepten mitzureden, sondern musste dem Werbekunden aufs Wort gehorchen», sagt der «Mitarbeiter der letzten Stunde» weiter. Dabei wäre es durchaus möglich gewesen, Product-Placements auch sinnvoll und weniger störend einzusetzen.



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Kommentare

  • Mark Seeholzer, 25.08.2016 09:19 Uhr
    «Das Product-Placement sei immer plumper geworden…» – wäre nur das Product-Placement plump gewesen, bei diesem peinlichen pseudo-trendy Jekami-Sender, würde er wahrscheinlich noch existieren…
  • Peter Stirnemann, 25.08.2016 08:59 Uhr
    ...obs dann wirklich an den Kunden liegen kann oder an der Fähigkeit der senderseitig Verantwortlichen, ein Produkt möglichst originell und gewinnbringend für alle involvierten Parteien 'einzuschleusen', das würde ich mal aber noch zur Diskussion stellen wollen. Das Argument 'Der Kunde wills so' ist eine beraterische Bankrotterklärung, sorry.
  • Jean-Pierre E. Reinle, 24.08.2016 16:06 Uhr
    Das nennt sich eben Product Placement, Leute. Mit klassischem Marketing hat das wenig zu tun... Trotzdem wohl schade vor allem für Kurt Schaad, den Inhaber und Geschäftsführer von JOIZ TV! What's next? Best, jeypea
  • Stefan Huber, 24.08.2016 15:22 Uhr
    Ein Armutszeugnis für die Marketingverantwortlichen bei den jeweiligen Sponsoren. Einen Sack Zweifel-Chips plump in die Kamera zu halten, als Beispiel, zeugt weder von einem Marketingkonzept, noch von einer Idee. Auf so eine "Marketing-Kampagne" kommt jeder Angestellte. Arbeiten bei diesen Sponsoren wirklich keine besseren Leute?
  • Sandro Maggi, 24.08.2016 15:08 Uhr
    Glaube ich sofort, dass Sponsoren auch mitschuldig sind. Zweifel, Rivella Stimorol, M&M's haben sowieso schlechte Marketingleute bzw. Berater. Aber ihnen die ganze Schuld geben, kan man nicht. Die Macher waren wirklich Pubertierenden, 25 bis 30 jährigen Kids...
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