01.10.2017

NZZ

Stabsübergabe bei der «NZZ am Sonntag»

Eine Karikatur als Abschiedsgeschenk: Felix E. Müller hat sich am Wochenende von der «NZZ am Sonntag» verabschiedet. Pensionierung sei ein «eigenartiges Konzept», sagt der scheidende Chefredaktor. Ab sofort übernimmt sein Nachfolger Luzi Bernet. Unter ihm wird wohl vermehrt mit der NZZ zusammengearbeitet werden.
von Edith Hollenstein

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Über 15 Jahre lang, seit Gründung der «NZZ am Sonntag» im Jahr 2002, war er Chefredaktor: Nun tritt Felix E. Müller in den Ruhestand. Obwohl: Pensionierung sei ein «eigenartiges Konzept», sagt er in einem Interview in der aktuellen Ausgabe gleich zwei Mal. Der Geist sei rege, der Körper rüstig, man habe viel Erfahrung gesammelt. «Und dann soll man plötzlich aufgrund einer äusseren Bedingung, des Alters, von einem Tag auf den anderen abstellen.» Er habe darum vor, weiterhin journalistisch tätig zu sein, und zu schreiben. «Nur noch Kreuzfahrten zu machen, ist eine Horrorvorstellung», so Müller.

Blocher und Turina als grosse Themen

Der 66-Jährige blickt auf eine erfolgreiche Karriere als Journalist und Redaktor zurück. Zuerst beim «Züri Leu». Dann, 1982 arbeitete er bei der «Weltwoche», wo er zuletzt stellvertretender Chefredaktor war. 1997 ging er zur NZZ, vier Jahre später begann er dort mit den Projektarbeiten für die «NZZ am Sonntag». Die NZZaS sei das bedeutendste, was er beruflich in 40 Jahren gemacht habe.

Als grösste Erfolge wertet Müller, dass es bei gewissen Themen «gelungen sei, ein Problembewusstsein zu schärfen». «Gegenwärtig zum Beispiel beginnt in der Schweiz eine Debatte über das Auftreten von chinesischen Firmen. Zu dem Thema hatte ich vor ein paar Monaten einen Leitartikel geschrieben», so Müller im Interview mit der eigenen Zeitung. Zudem habe seine Redaktion etwa die Ambitionen von Christoph Blocher im Medienbereich transparent gemacht und mit der Berichterstattung über den Fall des Herzchirurgen Turina die Sicherheit in den Operationssälen optimiert.




Müller hat sich am Dienstag mit einem Apéro verabschiedet. Als Geschenk wurde ihm eine Karikatur vom Patrick Chappatte überreicht. Sie steht für die immer wiederkehrenden, intensiven Auseinandersetzungen zwischen Müller und der SVP. Müller hatte in seinen Kommentaren immer wieder andere Ansichten geäussert als die Partei von Christoph Blocher.

Luzi Bernet will mit der NZZ zusammenarbeiten

Müllers Nachfolger Luzi Bernet gibt sich motiviert für seine neue Aufgabe. Er habe aber auch grossen Respekt - «den Erfolg nicht nur weiterzuführen, sondern bestenfalls noch zu steigern, ist fast unmöglich», so Bernet im selben, oben zitierten Interview in der NZZaS.

Bernet deutet an, vermehrt auf Auslandthemen fokussieren zu wollen. Trump, Brexit und Euro, nennt er als Stichworte. Zudem wolle er die Zugänglichkeit der Zeitung übers Internet forcieren, sagt Bernet.

Zur Zusammenarbeit, respektive einer möglichen Fusion mit der NZZ, sagt Bernet: «Es ist der explizite, mehrfach formulierte und öffentlich dargelegte Wille des Verwaltungsrates, dass das nicht passiert. Zeitungen haben eine Seele. Wenn man alles zusammenlegt, geht diese verloren. Aber: Das heisst nicht, dass man nicht dort, wo es sinnvoll ist, zusammenarbeitet».

Sinnvoll sei eine Zusammenarbeit im ganzen Produktionsbereich etwa oder auch in technischen Fragen. Und: «Ich würde auch nicht ausschliessen, dass man im Bereich der Publizistik punktuell sagen kann: Da ist es sinnvoll, wenn wir das gemeinsam bewirtschaften».

Der scheidende Chef kommentiert dies zu Handen Bernets knapp: «Da wünsche ich dir eine sichere Hand!».

 



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Kommentare

  • Robert Weingart, 01.10.2017 17:45 Uhr
    Ein grosse Persönlichkeit der Schweizer Zeitungsbranche. Schade, wird er pensioniert. Einer, der qualitativen Journalismus unterstützt hat. Hoffentlich bleibt noch was von seinem Spirit auf der Redaktion übrig.
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