30.11.2015

NZZ am Sonntag

Stephan Klapproth erfindet die Pressefreiheit neu

Medien sollen mit einem freiwilligen Pakt gegen das Aufblähen falscher Meta-Storys kämpfen.
NZZ am Sonntag: Stephan Klapproth erfindet die Pressefreiheit neu

Er hat ihn erwartet – den Missmut, ausgelöst von seinem Text in der "NZZ am Sonntag". Deshalb beginnt SRF-Moderator Stephan Klapproth seine Gastkolumne wohl mit einer Warnung an sich selbst: "Wer die Frage aufwirft, ob die Pressefreiheit, wie wir sie praktizieren, der freien Gesellschaft in schweren Momenten nicht einen trügerischen Dienst erweist, muss mit Kritik rechnen." Im nachfolgenden Text beschreibt der TV-Moderator, wie die Medienwelt aus seiner Sicht am besten auf Terror, Angst und Schrecken reagieren sollte.

Agenturmeldungen statt Liveschaltungen

Trotz der befürchteten Kritik: "Es muss raus", schreibt Klapproth und erklärt, weshalb in Situationen wie nach dem Attentat in Paris die Pressefreiheit neu definiert werden soll. Nur mit einer "Pressefreiheit 2.0" könne den Terroristen – oder wie Klapproth sie nennt: "Riesenzwerge mit Blut an den Händen" – das Handwerk gelegt werden. Es benötige einen "freiwilligen Pakt". "Zu entwickeln wären Strategien, die, ohne Fakten zu verschweigen, diese nicht zu einer falschen Meta-Story aufblähen."

Konkret hiesse das agenturmässige Wortzusammenfassungen statt Liveschaltungen zu aufgelösten Augenzeugen. Der Moderator der "Sternstunde Philosophie" formuliert seine Forderung wie folgt: "Die Medien geben sich die Freiheit, ihr aufklärerisches Recht zu nutzen nach einer Verantwortungsethik, die nach dem Resultat fragt, und nicht nach einer Gesinnungsethik, die auf einem abstrakten Prinzip beharrt."

Klapproth fordert also mehr Verantwortungsethik und eine "temporäre Entdramatisierung der Medieninhalte" – oder kurz: "Wer uns totschiesst, den schweigen wir tot."

Kein Ersatz für Eigenverantwortung

Der TV-Moderator hat für seine Analyse in den sozialen Netzwerken viel Zuspruch erhalten. Doch sind damit lange nicht alle einverstanden. Peter Sennhauser, der bei der "Neuen Zürcher Zeitung" für die publizistische Produktverantwortung von NZZ.ch zuständig ist, hat eine Replik auf Klapproths "Pressefreiheit 2.0" verfasst.

In seinen 22 Berufsjahren gehörte die Frage nach der Instrumentalisierung der Medien stets zum journalistischen Selbstverständnis, schreibt Sennhauser. Der Pakt, den Klapproth propagiert, sei auch aus demokratischer Sicht in keinem Fall wünschbar. Absprachen zwischen Medienhäusern seien kein Ersatz für die Eigenverantwortung. Ausserdem könne die Ausnahmesituation, in der ein solcher Pakt zu Anwendung komme, nur schwer bestimmt werden: "Definiere 'Ausnahmesituation': Eben."

Auf Twitter hat Klapproth jedoch viel Zustimmung erhalten für seine kühne Neudefinition. "Absolut Recht" habe er, schreibt ein Nutzer. Er spreche ihm aus der Seele, meint ein anderer. (ruh)

Bild: Stephan Klapproth am Internationalen Alpensymposium, Januar 2015 (Keystone)



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