02.03.2015

Roger Köppel

"Ich habe nicht die Absicht, der classe politique beizutreten"

Interview mit dem frischgebackenen SVP-Nationalratskandidaten, der an den SMA's ausgebuht wurde.
Roger Köppel: "Ich habe nicht die Absicht, der classe politique beizutreten"

Herr Köppel, am Freitagabend wurden Sie im Hallenstadt mit Pfiffen und Buhrufen empfangen. Wie haben Sie dies erlebt?
Offenbar hat mein Charme vor dieser Mauer der politischen Intoleranz versagt. Aber es ist gut, dass es etwas Krawall gab und damit Aufmerksamkeit für die Hauptsache: Krokus. Diese Band hat Bewundernswertes geleistet. Sie hat ohne Subventionen, schon damals gegen den Dünkel der Staatsmedien und der Feuilletons, die internationale Umlaufbahn erreicht. Diese Jungs spielten in Dallas vor 80'000 Leuten. Sie zogen ihr Ding gnadenlos durch, gegen alle Anfeindungen. Die Band hat alle Krisen und ihren eigenen Untergang überlebt. Chris von Rohr hat die Urformation wiedervereinigt und zwei brillante Platten produziert. Heute spielen Krokus wieder in den USA, und Rihanna gehört zu den Fans. Das hat sonst keine Schweizer Band in diesem Genre erreicht. Ich bin extrem beeindruckt. Es war mir eine Riesenehre, diesen Preis zu überreichen.

Momentan beherrscht Ihre Kandidatur alle Medien. Sind Sie von dieser Resonanz überrascht?
Ich mache mir darüber keine Gedanken. Für mich steht die Botschaft im Vordergrund: Die linke Mehrheit in Bundesrat und Parlament untergräbt die Fundamente der Schweiz. Die Unabhängigkeit gegenüber der EU wird torpediert. Die Schweiz soll europäischen Richtern unterstellt werden. Der Bundesrat weigert sich, Volksentscheide umzusetzen. Internationales Recht soll pauschal über der Bundesverfassung stehen. Der Zentralismus breitet sich aus. Die Neutralität wird nicht mehr ernst genommen. Das ist brandgefährlich. Ich möchte die bürgerliche Seite, die für Unabhängigkeit und Selbstbestimmung ist, stärken. Man muss auch aufhören, die SVP auszugrenzen. Durch meinen Schritt hoffe ich, eine gewisse Entkrampfung, eine Rückkehr zur Sache, zur Schweiz zu bewirken. Hoffentlich gelingts.

Welche Reaktion hat Sie am meisten erstaunt?
Das Echo war erstaunlich positiv. Ich mache mir eher Sorgen darüber, ob und wie ich das alles unter einen Hut bringe.

Wie haben Ihre neuen Parteikollegen innerhalb der SVP reagiert?
Das ist kein Thema. Ich bin noch lange nicht gewählt.

Haben sich inzwischen auch Politiker von andern Parteien gemeldet?
Ja. Die Bürgerlichen müssen besser zusammenarbeiten und auf die wichtigen Themen gehen: Die Staatssäulen der Schweiz, die Unabhängigkeit und die Selbstbestimmung. Bundesrat und Parlamentsmehrheit sowie die meisten Medien wollen darüber nicht reden. Dabei sind das die entscheidenden Themen, und hier wird es in den nächsten Jahren wichtige Weichenstellungen geben. Ich möchte einfach mithelfen, dass es gut herauskommt. 

Sie gelten als urbaner Intellektueller. Habe Sie keine Mühe mit dem Stil der SVP?
Wenn das Haus brennt, redet man nicht über die Farbe der Küchentapete. Wir müssen doch endlich damit aufhören, die Politik auf Nebengleise und Kleinkariertheiten zu lenken. Es geht um die Schweiz, persönliche Befindlichkeiten sollten in den Hintergrund treten.

Werden Sie als Politiker knallhart austeilen oder Anstand pflegen?
Anstand ist wichtig in der Politik. Die wichtigste Anstandsregel lautet: Der Bundesrat muss Volksentscheide umsetzen und den Volkswillen ernst nehmen. Das geschieht nicht, weder bei der Masseneinwanderungsinitiative noch bei der Ausschaffungsinitiative. Es wird getrickst und die Unwahrheit gesagt. Gleichzeitig diffamiert die Bundespräsidentin jene politischen Kräfte, die sich für die Volksrechte einsetzen, für das Menschenrecht auf Selbstbestimmung. Sie unterstellte der SVP an der Albisgüetli-Tagung wahrheitswidrig, die Partei wolle die Menschenrechte einschränken und sei sogar für die Aufhebung des Folterverbots. Das war infam. Derzeit hat der Bundesrat das grösste Anstandsproblem.

Wie haben Ihre Redaktionskollegen auf Ihre Kandidatur reagiert?
Ich stehe unter verschärfter Beobachtung. Meine Glaubwürdigkeit, meine journalistische Integrität und auch mein Arbeitseinsatz werden jetzt noch genauer unter die Lupe genommen. Das ist gut. Ich werde weiterhin dafür sorgen, dass die Weltwoche Missstände aufdeckt, beim Staat, in allen Parteien. Die Weltwoche wird weiterhin die grösste Meinungsvielfalt aller Zeitungen pflegen. Wir stehen auch offen für Kritik. ich bin meines Wissens der einzige Chefredaktor der Schweiz, der im eigenen Blatt gegen sich selber abdruckt. Daran wird sich nichts ändern.

Nun hat sich "Weltwoche"-Redaktor Alex Baur nach Ihrer Wahlankündigung  im "10 vor 10" kritisch geäussert, weil er glaubt, dass die redaktionelle Unabhängigkeit durch Ihr Mandat eingeschränkt sei. Sehen Sie diesbezüglich ein Problem?
Ich begrüsse solche kritischen und ehrlichen Wortmeldungen. Das zeigt, dass wir bei der "Weltwoche" kein Jasager-Verein sind. Ich habe nicht die Absicht, der classe politique beizutreten, sondern steige als unabhängiger Unternehmer und Chefredaktor von der theoretischen in die praktische Politik um. In schweren Zeiten sind die Chefredaktoren immer in die Politik gegangen: Willy Bretscher (NZZ) für die FDP, Peter Dürrenmatt (Basler Nachrichten) für die LDP oder Ernst Nobs (Volksrecht) für die SP. Die haben ihren Charakter und ihren Intellekt auch nicht bei der Portierloge des Bundeshauses abgegeben. Das ist ja der Sinn unseres Milizsystems: Ich bewerbe mich als kritischer Journalist Köppel für Bern. Die SVP hat mir gegenüber kein Weisungsrecht, auch würde ich doch nicht durch eine allfällige Wahl korrumpiert. Ich trete der SVP bei, weil sie die für mich wichtigen Fragen am konsequentesten vertritt: Einsatz für eine unabhängige und weltoffene, freiheitliche Schweiz. Das ist schon heute mein Massstab in meiner journalistischen Tätigkeit.

Wie werden Sie sich zeitlich aufteilen?
Das weiss ich noch nicht.

Es gibt bereits Spekulationen über Ihren übernächsten Karriereschritt. Gibt es schon bald einen Bundesrat Köppel?
Das kommt nicht in Frage. Es gibt viele gute Kandidaten für den Bundesrat, aber es ist enorm schwierig, einen guten Verleger und Chefredaktor der Weltwoche zu finden. Ich bin begeisterter Journalist. ich möchte die "Weltwoche" nicht abgeben. Ergo kann es keine weiteren Ämter geben. Mir geht es um die Schweiz. Ich möchte die Schweiz verteidigen, wenn nötig, auch gegenüber dem Ausland, wie ich das auch schon mehrfach in deutschen Medien getan habe.

Interview: Matthias Ackeret//Bild: Keystone



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