01.10.2013

SonntagsZeitung

"Es ist Sache der Redaktion, meinungsbildend zu sein"

Er ist also der Neue an der Spitze der "SonntagsZeitung": Arthur Rutishauser. Der 48-Jährige ist bekannt für seine herausragenden journalistischen Leistungen, doch kann er auch führen? Seine Aufgabe ist keine leichte: Trotz weniger Geld soll das Sonntagsblatt aus dem Tamedia-Verlag wieder an Strahlkraft zulegen. Im Interview spricht Rutishauser über den geplanten Relaunch, die verstärkte Zusammenarbeit zwischen SoZ und Tagi sowie über die Bedeutung von Kolumnisten.
SonntagsZeitung: "Es ist Sache der Redaktion, meinungsbildend zu sein"

Herr Rutishauser, herzliche Gratulation zum neuen Job als "SonntagsZeitungs"-Chefredaktor (persoenlich.com berichtete). Wie überrascht sind Sie über Ihre Ernennung?
Ich bin natürlich sehr froh darüber, dass ich ausgewählt wurde und ich fühle mich geehrt.

Viele kennen Sie als sehr guten Journalisten. Für die Berichterstattung im Fall Swissair erhielten Sie den Zürcher Journalistenpreis, in Ihrer Zeit beim "Sonntag" gelangen Ihnen mehrere Primeure zur UBS. Ein guter Journalist ist jedoch nicht gleichzeitig auch ein guter Chef.
Nein, natürlich ist dies nicht zwingend so. Doch ich hatte seit 2003 verschiedene Führungsfunktionen inne, daher weiss ich, was es braucht, um eine Cheffunktion auszuüben. Zuerst war ich Ressortleiter und dann stellvertretender Chefredaktor beim "Sonntag". Seit 2010 bin ich ja in der Chefredaktion des "Tages-Anzeigers", wo ich vier verschiedene Ressorts führe – insgesamt führe ich jetzt also fast gleich viele Leute, wie später als Chefredaktor der "SonntagsZeitung".

Wie genau verstehen Sie Ihre neue Rolle?
Man wird mich als einen Chefredaktor wahrnehmen, der auch schreibt. Das Publizieren eigener Texte soll, das ist mein Ziel, rund einen Drittel meiner Aufgaben ausmachen. Die verbleibenden zwei Drittel der Zeit will ich mich darum kümmern, dass meine Mitarbeiter bestmöglich arbeiten können.

Was wollen Sie als Erstes anpacken?
Wir werden im März, April sicher einen kleinen Relaunch machen, sowohl inhaltlich als auch im Design. Es soll nicht alles komplett neu werden, aber die "SonntagsZeitung" kommt schon sehr lange gleich daher. Darum brauchen wir einen frischen Auftritt.

Die "SonntagsZeitung" verlor in den letzten Jahren zunehmend an Strahlkraft, mittlerweile hat sie sehr starke Konkurrenz bekommen. Wie wollen Sie dem Blatt die ursprüngliche Bedeutung zurückbringen?
Wichtig ist, dass die "SonntagsZeitung" Leitmedium in Politik und Wirtschaft bleibt. Dafür werde einerseits ich persönlich sorgen, andererseits werden wir das heutige Team, das einige der besten Journalisten der Schweiz umfasst, gezielt verstärken. Auch in kulturellen und gesellschaftlichen Themen muss die "SonntagsZeitung" Massstäbe setzen. Das Blatt soll mit gut geschriebenen, relevanten Themen aufwarten.

Langjährige Kolumnisten wie etwa Sibylle Berg, Rolf Dobelli und Roger Schawinski schreiben seit kurzem nicht mehr für die "SonntagsZeitung". Werden Sie wieder Kolumnisten einstellen oder erachten Sie diese als weniger wichtig?
Einen oder zwei Kolumnisten wird es sicher wieder geben, doch in erster Linie sollen die Journalisten schreiben. Es ist Sache der Redaktion, meinungsbildend zu sein. Eine Zeitung kann sich nicht über fremde Personen positionieren. Die Journalisten eines Titels sollten kluge Kommentare schreiben, und nicht irgendwelche externen Leute.

Sie sprechen davon, dass Sie neue Leute für die Politik- und Wirtschaftsberichterstattung dazu holen wollen. Doch verordnete Tamedia der "SonntagsZeitung" einen strikten Sparauftrag (persoenlich.com berichtete). Wie geht das zusammen?
Es gibt immer eine natürliche Fluktuation. Wenn ein neuer Chef kommt, gibt es noch eine grössere Fluktuation als vorher, weil ein Wechsel in der Chefredaktion immer auch ein Anlass ist, sich selbst die Frage nach dem nächsten beruflichen Schritt zu stellen. Das gibt uns einen gewissen Spielraum. Aber ich will ja nicht nur neue Leute von extern dazu holen, sondern ich will vor allem dafür sorgen, dass sich die heutigen Redaktorinnen und Redaktoren frei machen können für wirklich journalistische Aufgaben.

Ist Sparen eine Ihrer zentralen Aufgaben oder was genau erwartet Tamedia von Ihnen?
Momentan hat sicherlich jede Zeitung einen bestimmten Sparauftrag – dies aufgrund des Strukturwandels. Klar geht es auch der SoZ nicht anders. Erste Massnahmen wurden von der bisherigen Chefredaktion bereits aufgegleist. Ausserdem bin ich mich das Sparen gewöhnt. Beim "Tages-Anzeiger" müssen wir auch mit weniger Ressourcen auskommen. Bist jetzt ist dies ohne Qualitätseinbussen gelungen, im Gegenteil: Heute wird der "Tages-Anzeiger" positiver wahrgenommen, als noch vor einigen Jahren, als uns mehr finanzielle Mittel zur Verfügung standen. Ich hoffe, dass dies bei der "SonntagsZeitung" auch der Fall sein wird.

Inwiefern bestehen Pläne, dass sich die Redaktion der "SonntagsZeitung" immer mehr derjenigen des "Tages-Anzeigers" annähert? Offenbar sollen Ressorts zusammengeschlossen werden.
Man kann heute zwischen "SonntagsZeitung" und "Tages-Anzeiger" sicherlich unverkrampfter zusammenarbeiten als in der Anfangszeit. Die beiden Redaktionen müssen nicht mehr um jeden Preis gegeneinander arbeiten, wie dies der Fall war, als beispielsweise der Tagi jeweils am Montag die Berichte der "SonntagsZeitung" kritisierte. Im Gegenteil: In einzelnen Ressorts werden wir uns überlegen, wo wir zusammenarbeiten können. Zum Beispiel bei der Berichterstattung über das WEF in Davos. Doch es gibt keinen Plan, die beiden Redaktionen zusammenzulegen.

Sie beginnen im November oder Dezember, klar festgelegt ist Ihr Start jedoch nicht. Dennoch: Worauf freuen Sie sich besonders?
Ich freue mich auf eine gute Redaktion, auf motivierte Leute. Ich freue mich darauf, aus diesem Blatt etwas zu machen, das die Leser am Sonntag gerne lesen.

Interview: Edith Hollenstein

 



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