06.05.2013

Farner

"PR-Agenturen konkurrenzieren immer mehr Werbeagenturen"

Seit einem Jahr ist Roman Geiser der starke Mann bei Farner, der ältesten PR-Agentur des Landes. Daneben präsidiert der studierte Ökonom den BPRA (Bund der Public-Relations-Agenturen der Schweiz), in welchem die wichtigsten Kommunikationsagenturen des Landes vertreten sind. Im Interview mit "persönlich" spricht der international vernetzte Kommunikationsprofi über erfolgreiche PR, Gripen-Lobbying und die Frage, ob eine PR- oder eine Werbeagentur die bessere Anbieterin für integrierte Kommunikation sein kann.
Farner: "PR-Agenturen konkurrenzieren immer mehr Werbeagenturen"

 

Herr Geiser, der Schaffhauser Ständerat Thomas Minder hat den Lobbyismus im Bundeshaus im letzten "persönlich"-Heft als "dekadent" bezeichnet. Teilen Sie diese Ansicht?
Nein, überhaupt nicht. Lobbyismus ist Teil des Veredlungsprozesses der parlamentari- schen Meinungsbildung. Dabei muss man zwischen dem Lobbyismus innerhalb des Bundeshauses und demjenigen ausserhalb unterscheiden. Die meisten Parlamentarier sind Interessenvertreter. Wichtig ist dabei die Transparenz. Dies hat die Branche – der Bund der PR-Agenturen der Schweiz – entsprechend definiert und vor Kurzem ein Positionspapier verabschiedet. Es befürwortet eine offizielle Akkreditierung für Lobbyisten mit Offenlegung der beim Lobbying vertretenen Mandate. Ein Lobbyist muss immer bekannt geben können, welche Interessen er vertritt. Bei den Lobbyisten ausserhalb des Parlamentes ist dies meist klar, innerhalb des Parlamentes weniger.

Wie stark nimmt Ihre Agentur Einfluss auf den politischen Meinungsbildungsprozess? Beispielsweise in Militärfragen? 

Unsere Agentur bewegt sich seit sechzig Jahren am Rand jener tektonischen Platten, die für die Schweiz relevant sind. In den Sechzigerjahren haben wir uns unter anderem entsprechend mit Militär- und Verteidigungsfragen beschäftigt. Heute stehen aber Themen wie Mobilität, Gesundheit oder Energiefragen im Vordergrund.

Vergessen Sie in Ihrer Auflistung nicht den Bankenplatz, welcher imagemässig mit erheblichen Problemen zu kämpfen hat?

Sie haben recht, die Schweizer Banken und der Bankenplatz haben momentan ein grosses Reputationsproblem. Wir arbeiten an einer Strategie, die wir noch vor dem Sommer an der Bahnhofstrasse präsentieren wollen. Um das Vertrauen in Politik und Gesellschaft zurückzugewinnen, benötigt man aber ein paar Jahre.

Welche Massnahmen wären in dieser Situation die tauglichsten?
Ich sehe vor allem einen Bedarf darin, zuzuhören, zu lernen und dann mit geeinter Stim- me zu sprechen und über die Zeit wieder Verständnis für die enorme Bedeutung des Bankenplatzes für die Schweizer Wirtschaft zu gewinnen. Besonders gilt es in der Politik selbst zu wirken und die KMU-Wirtschaft zu gewinnen. Später die Bevölkerung in den Regionen. Um einen solchen Prozess anzustossen, braucht es eine Gruppe glaubwürdi- ger Personen als Absender.

Ihr Firmengründer Rudolf Farner war der erste Schweizer PR-Mann und hat bereits zu Lebzeiten die Fantasie seiner Zeitgenossen beschäftigt. Inwieweit ist dies für die heutige Agentur Last oder Segen? 
Spielen hier auch Militärfragen hinein?

Wir waren die erste PR-Agentur der Schweiz und eine der ersten in Europa. Es ist toll, dass wir auch heute immer noch den Namen unseres Agenturgründers tragen. Es stimmt, Farner wurde lange Zeit mit Militärfragen gleichgesetzt. Mittlerweile macht dies nur noch einen verschwindend kleinen Umsatzanteil aus. Wir erzielen heute wesentlich mehr Umsatz mit Mandaten aus dem Kulturbereich oder von NGOs. Eine führende Agentur sollte sich mit den führenden Themen beschäftigen. Militär gehört heute nicht mehr dazu.

Ausnahme ist der Gripen ...
Das stimmt.

Welche Rolle spielt Farner beim Gripen-Kauf?
Unsere Rolle wird bei der Flugzeugbeschaffung masslos überschätzt. Es ist aktenkundig, dass wir ein Mandat der Franzosen haben, doch dies bezieht sich vor allem auf das Monitoring. Ich bin gespannt, wie die ganze Sache weiter verläuft.

Wie muss man sich den Lobbyismus im Bundeshaus konkret vorstellen? 
Wie bearbeiten Sie die Parlamentarier?

Es dreht sich alles darum, das richtige Argument zum richtigen Zeitpunkt am richtigen Ort zu positionieren. Dafür braucht es tiefste Dossierkenntnisse, Wissen, wie der politische Prozess verläuft, und Identifikation, wer in welcher Phase welche Informationsbedürfnisse hat. Dann hilft es sicher, dass uns die Parlamentarier kennen und als vertrauenswürdigen Partner einschätzen.

Farner betreibt auch eine eigene Werbeabteilung. Stehen Sie damit in Konkurrenz zu den klassischen bsw-Agenturen?

Es kann solche Situationen geben. Wir aber gehen noch weiter und möchten kanalunab- hängig funktionieren und umfassende Kommunikationslösungen bieten. Ich glaube, dass in fünf Jahren jede Kommunikationsmassnahme, die sich ausschliesslich auf Werbung oder eine andere isolierte Disziplin stützt, eine schlechte Lösung ist. Es sind vollständig integrierte Lösungen gefragt. Es ist aber nicht so, dass dieses Feld ausschliesslich von den PR-Agenturen bearbeitet wird. Mittlerweile bieten viele Werbeagenturen neben PR-Kompetenz auch Social Media an. Die Frage ist nur, wer befähigter ist, diesen Lead über die Disziplinen zu übernehmen und wirklich integriert zu denken.

Und wer ist befähigter?
Voraussetzung für die erfolgreiche Umsetzung einer Kommunikationsstrategie ist eine tragende Idee. Diese sollte anschliessend von guten Leuten dialogisch und contentorientiert umgesetzt werden. Ich bin überzeugt, dass sich für diese Aufgabe eine integriert denkende PR-Agentur besser eignet als eine Werbeagentur. Die Arbeit am Inhalt und der Dialog waren seit jeher unsere Kerndisziplinen. Marc Pritchard, als GMO von Procter & Gamble der grösste Kommunikationsauftraggeber der Welt, hat die PR-Industrie an einem Kommunikationskongress in Miami aufgefordert, bei Kommunikati-onsproblemen den Lead zu übernehmen. Ich glaube, dass unsere Branche ein ganz anderes Selbstverständnis mitbringt als Werbeagenturen, da wir über multidisziplinär ausgebildete Berater verfügen.

Nimmt man Sie bei den Schweizer Werbeagenturen bereits als Konkurrenz wahr?

Ja, bei denjenigen Agenturen, die heute bereits integriert denken, schon. Das gilt sicher für Agenturen wie Wirz, Jung von Matt oder die YR-Gruppe. Letztlich bewegen wir uns alle hin zur medialen Konvergenz, kommen dabei aber aus verschiedenen Heimatdisziplinen.

Aber können Sie mit den Werbeagenturen überhaupt kreativ mithalten?

Wir machen keine Konsumgüterwerbung oder „nur“ klassische Werbung. Sobald beispielsweise Nestlé oder eine Automarke eine klassische Werbekampagne will, ziehen wir eine externe Werbeagentur bei. Wird aber eine integrierte Kampagne in einem schwierigen Kommunikationsumfeld oder in einem spannenden politischen Kontext verlangt, so ist man bei uns an der richtigen Adresse. Kommunikation wird immer visueller und dialogorientierter, das spiegeln wir mit Farner-Werbung.

Interview: Matthias Ackeret (Das vollständige Interview ist in der aktuellen "persönlich"-Printausgabe zu lesen).



Kommentar wird gesendet...

Kommentare

Kommentarfunktion wurde geschlossen

Diese Artikel könnten Sie auch interessieren:

Zum Seitenanfang20240426