29.05.2012

"Lobbying ist eine ehrenwerte Tätigkeit."

Der Ruf des Lobbyings ist schlecht. Was Lobbyisten aber genau arbeiten, ist oft nur wenig bekannt. Andreas Hugi, Mitinhaber von Furrer.Hugi&Partner, spricht mit persoenlich.com über seine Brückenbauer-Funktion, Transparenz, Filz, Networking, den Wandel in der Organisation der Public Affairs und einen "Rundschau"-Beitrag, der in der Branche für Aufregung sorgte. Zum Interview:
"Lobbying ist eine ehrenwerte Tätigkeit."

Herr Hugi, Sie sind Vater von vier kleinen Buben. Wie erklären Sie diesen, was Sie arbeiten?

Es ist tatsächlich eine Herausforderung, meinen Beruf so zu vereinfachen. Ich habe den Burschen mal erklärt, dass ich eine Art Übersetzer oder Brückenbauer zwischen zwei Welten bin. In der einen Welt sind Politiker, die schauen, wie unser Land regiert werden soll, in der anderen sind Firmen und Organisationen, die von den Politikern irgend etwas wollen. Das ist ein gutes Bild: Wir sind Brückenbauer zwischen zwei Welten, die einander einmal näher standen und mehr voneinander wussten und die immer mehr auseinanderdriften.

Befriedigt die Kinder diese Antwort?

Es ist natürlich nicht so aufregend wie Loki-Führer und Pilot, aber sie können es irgendwie nachvollziehen. Wenn ich arbeite, sehen mich die Kinder entweder am Telefon oder am Computer. Das ist natürlich eine abstrakte Arbeit, die schwierig zu erklären ist.

Dann stellen die Kinder in der Schule lieber den Beruf der Mutter vor.

Ich bin Lobbyist und ich stehe zu dieser Bezeichnung. Es ist vielleicht provozierend, das zu sagen, weil der Ruf des Lobbyings tendenziell schlecht ist und mehrheitlich negative Assoziationen weckt. Aber ich finde Lobbying eine ehrenwerte und vor allem wichtige Tätigkeit.

Warum sind Sie in die PR-Branche gegangen?

Es gab zwei Kriterien: Ich wollte mich selbständig machen und etwas mit Politik zu tun haben. Als ich als Generalsekretär für Swiss Engineering STV arbeitete, habe ich über ein Mandat meinen heutigen Geschäftspartner Lorenz Furrer kennengelernt. Wir haben uns intensiv ausgetauscht. Die Idee, gemeinsam etwas im Bereich Politische Interessenvertretung zu machen, hat sich konkretisiert.

2006 haben Sie dann Furrer.Hugi&Partner gegründet. Heute verfügt das Unternehmen über mehr als zwanzig Mitarbeiter und Büros in Zürich, Bern und Brüssel. Wie erklären Sie diesen schnellen Erfolg?

Als wir angefangen haben, gab es einen Bedarf nach professioneller politischer Interessenvertretung durch externe Berater. Politische Interessenvertretung ist eine Wachstumsbranche. Die Nachfrage nach Dienstleistungen, wie wir sie anbieten, ist nach wie vor sehr gross. Gleichzeitig hat die Bedeutung der Spitzen-Verbände abgenommen, weil sich Firmen von ihnen abgewendet haben und diese ihre Public Affairs vermehrt selbst gestalten wollten. Dazu kommt die zunehmende Komplexität der politischen Themen. Ich denke da etwa an die Regulierungsthematik im Zusammenhang mit der EU, aber auch innerhalb der Schweiz. Der dritte Punkt ist das angesprochene Auseinanderdriften der beiden Welten: Waren früher Wirtschaft und Politik nahe beieinander, sodass deren Verquickung als Filz kritisiert wurde, sind sie heute auseinandergedriftet. Und schliesslich haben wir immer wieder sehr gute Leute für unser wachsendes Team gefunden.

Arbeiten Lobbyisten also daran, den Filz wiederherzustellen?

Nein, wir leisten keiner "Verfilzung" Vorschub. Ein gutes Netzwerk aber ist für Firmen, Verbände und NPO matchentscheidend. Unser Claim ist: Wir vernetzen Menschen mit Ideen. Wir bieten lediglich eine Plattform. Schlussendlich müssen die Politiker aber selber entscheiden, ob sie Ideen annehmen oder nicht.

Wofür werden Sie konkret bezahlt?

Wir werden zu einer Hälfte für unsere Methodenkompetenz bezahlt. Dafür, dass wir unsere Vermittlungsdienste methodisch sauber abwickeln. Das ist der handwerkliche Teil unserer Arbeit. Dazu kommt, dass wir einem Unternehmen erklären können, wie der Gesetzgebungsprozess überhaupt funktioniert. Die zweite Hälfte ist unser Netzwerk: Wir wissen, wer in diesem Land zu welchen politischen Themen die richtigen Ansprechpartner sind. Im Grunde genommen machen wir ganz normale Kommunikationsarbeit: Wir versuchen über einen geeigneten Kanal eine Zielgruppe zu erreichen.

Sie haben das Netzwerk angesprochen. Gibt es bei Ihnen eine klare Trennung von Business und Privatsphäre?

Das Netzwerk ist enorm wichtig. Wir bewegen uns in einem Geschäft, in dem der persönliche Draht entscheidend ist. Ich habe gute Freunde, die Kunden sind und umgekehrt gute Kunden, die Freunde geworden sind. Die beiden Sphären spielen schon ineinander.

Ihre Agentur gibt Einsicht in die Kundenkartei und auf Ihrem Blog "wandelhalle.ch" predigen Sie Lobbyingtransparenz. Ist allein fehlende Transparenz für das schlechte Image der Lobbyingbranche verantwortlich?

Ja, ich denke schon, dass das der Hauptpunkt ist. Die Akzeptanz, dass es Lobbyisten braucht, ist von Parlamentariern von Links bis Rechts unbestritten. Die meisten Parlamentarier haben keine schlechte Meinung über Lobbyisten oder sagen wir es anders: Ihre Meinung von uns ist viel weniger schlecht, als dies Journalisten kolportieren. Die Parlamentarier wollen Transparenz und wissen, wer für wen lobbyiert. Unter dieser Prämisse ist fast jeder Parlamentarier gerne bereit, mit einem zu sprechen. Um diese Transparenz herzustellen, muss man die Welt nicht neu erfinden. Die USA lebt diese Lobbying-Transparenz seit zwanzig Jahren, die EU seit drei, vier Jahren vor. Lobbyisten, die sich im Bundeshaus akkreditieren wollen, müssten ihr Mandat, ihren Arbeitgeber offen legen, einen Ehrenkodex unterzeichnen und es müsste Sanktionsmöglichkeiten geben, wenn diese Bedingungen nicht eingehalten werden.

Ändert sich mit dem Vorstoss von FDP-Nationalrat Andrea Caroni zur Lobbying-Transparenz (persoenlich.com) denn tatsächlich etwas oder ist das reine Image-Pflege?

Die Idee des Vorstosses wäre es, dass die Parlamentarier keine Zutrittsausweise an Lobbyisten vergeben, sondern nur noch an persönliche Mitarbeiter und Familienmitglieder. Die Lobbyisten hingegen, die ins Bundeshaus wollen, würden sich über einen ordentlichen Akkreditierungsprozess akkreditieren, wie dies auch bei Bundeshausjournalisten der Fall ist. Das wäre der grosse Unterschied zu heute und entspräche dem, wie es in anderen Ländern gehandhabt wird. Das wäre der richtige Weg.

Sehen Sie keine Probleme in der finanziellen Überlegenheit gewisser Interessengruppen? Economiesuisse führt etwa das Sekretariat der Gruppe Handel und Industrie und gibt damit Abstimmungsanweisungen an 130 Parlamentariern, daneben sind andere Lobbys untervertreten, weil es an Geld mangelt.

Vorab: Niemand gibt Parlamentariern "Abstimmungsanweisungen", so simpel funktioniert unser System wirklich nicht. Diese Frage nach den Finanzen ist am Ende die Diskussion um die Parteien- und Kampagnenfinanzierung. Persönlich mache ich die Erfahrung, dass auch kleine Organisationen mit wenig Budget viel erreichen können, wenn sie sich politisch geschickt verhalten.

Können Sie ein Beispiel geben?

Exit ist ein gutes Beispiel einer kleinen schlagkräftigen Organisation, die sich für das liberale Selbstbestimmungsrecht des Menschen eingesetzt hat und dies mit sehr wenig Geld. Die Gleichung "viel Geld gleich viel politischer Einfluss" ist für mich zu einfach.

Können Sie auch ein Beispiel für Lobbys geben, die untervertreten sind?

Das ist schwierig zu sagen. Allenfalls die Gastronomie, die heute keinen einzigen Vertreter im Parlament hat. Betrachtet man aber die Liste der Leute, die in der neuen Legislatur Zutritt bekommen haben, fällt auf, dass die Zielgruppen, von denen man gemeinhin annimmt, sie seien untervertreten, am meisten Ausweise haben. Das ist die Cleantech-Industrie und das sind die Gewerkschaften. Alle Leute sträuben sich dagegen, die Gewerkschaften als Lobbys anzuschauen. Aber eigentlich sind Gewerkschaften, WWF, Greenpeace und die Erklärung von Bern schlagkräftige Lobbying-Organisationen. Diese haben grosse Geschäftsstellen und grosse Budgets. Ich erlaube mir auch die Frage, ob eine Organisation, die für Interessenvertretung wenig investiert, womöglich auch einfach wenig politische Probleme hat.

Ist dem tatsächlich so?

Ich stelle fest, dass diejenigen Branchen, bei denen es politisch ums Lebendige geht, auch die notwendigen Mittel auftreiben, um ihren Einfluss geltend zu machen. Branchen, die fehlen oder wenig vertreten sind, haben also vielleicht auch einfach keinen Bedarf, stark vertreten zu sein. Politische Interessenvertretung ist nicht per se nur eine Geldfrage. Es braucht vor allem Menschen, die bereit sind, Zeit zu investieren. Zuviel Geldeinsatz kann in unserem Miliz-System sogar kontraproduktiv sein. Das sieht man in Abstimmungskampagnen, aber auch in der Lobby-Präsenz. Parlamentarier wollen in der Schweiz nicht zu teuren Mittags-Lunchs eingeladen werden.

Zu Ihrem Portefeuille gehören so unterschiedliche Firmen wie Aldi, McDonald's, Google, Siemens und Exit. Identifizieren Sie sich mit Ihren Kunden?

Man muss persönlich schon hinter den Firmen und Anliegen stehen können, die man vertritt, vor allem in unserem Fall, wo es sich um politische Kommunikationsmandate handelt. Das Mandat von Exit beispielsweise, in dem es um Sterbehilfe geht, muss man unabhängig von einem Links-Rechts-Schema mit seinem persönlichen Wertgefüge in Übereinstimmung bringen können. Sonst kann man solche Anliegen nicht vertreten.

Zu Ihren Kunden gehört auch die SRG. Ihr Geschäftspartner Lorenz Furrer hat in der Sendung Rundschau vom 22. Februar 2012 zum Thema Lobbying, (persoenlich.com berichtete), in der Wandelhalle in Bern breiten Raum gekriegt, seine Arbeit zu erklären. Bedeutende Unternehmen wurden als Kunden von Furrer.Hugi&Partner genannt, ausgerechnet die SRG aber nicht. Warum haben Sie selbst in diesem Fall nicht auf Transparenz insistiert?

Wir haben die Journalistin, die den Bericht machte, darauf hingewiesen, dass wir für die SRG arbeiten. Für den Bericht selbst ist jedoch die Journalistin verantwortlich. Die Rundschau hat in der darauffolgenden Sendung auf unser Mandat für die SRG hingewiesen und damit die Deklaration nachgeholt. Für die professionelle und saubere Umsetzung des journalistischen Auftrags fühlen wir uns nicht verantwortlich.

Haben Sie Verständnis für die Beschwerde der SPAG gegen die SRG?

In der Beschwerde hat man ja einerseits moniert, dass man Viktor Parma auf dem heissen Stuhl einseitig zu Wort kommen liess. Der Bundeshaus-Journalist hat in der Sendung mehr oder weniger die Vertreibung der Lobbyisten aus dem Bundeshaus verlangt. Der Gesprächspartner war keine glückliche Wahl, das finde ich auch. Überhaupt war es unter dem Strich kein geglückter Beitrag im Sinne einer Darstellung, was die Lobbyisten machen. In dieser Hinsicht habe ich ein gewisses Verständnis, dass sich der Verband über den Beitrag aufgeregt hat.

Interview: Benedict Neff



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