01.07.2016

Spag

Lobbyisten-Verband schliesst Mitglieder aus

Weil sie sich nicht an die Transparenzregeln halten wollten, kündigt die Schweizerische Public Affairs Gesellschaft fünf Personen die Mitgliedschaft.

Seit 2014 schreibt die Schweizerische Public Affairs Gesellschaft (Spag) vor, dass die Mitglieder des Lobbyisten-Verbandes alle ihre Mandate auf der Website der Gesellschaft offenlegen müssen. Laut NZZ ermahnte der Vorstand vor wenigen Wochen 20 Mitglieder, dieser Transparenzpflicht nachzukommen und stellte ein Ultimatum: «Entweder vervollständigen die betroffenen Mitglieder ihre Einträge bis Ende Junin oder sie werden automatisch aus dem Verband ausgeschlossen» schreibt die NZZ.

Pünktlich zum 1. Juli kündigt der Verband demnach fünf Mitgliedern: Dano Dreyer, Geschäftsführer der Mach AG, Matthias Graf und Tim Frey, CEO und Leiter Public Affairs von Burson Marsteller, Alexander Segert und Stephen Oehen von der von der Goal AG.

Er habe die Standesregeln nicht mit den Compliance-Vorschriften von Burson-Marsteller vereinbaren könnten, sagte etwa Frey gegenüber der NZZ.

Lorenz Furrer von Furrer, Hugi und Partern und ebenfalls Spag-Mitglied hingegen hält an der Transparenz-Regel fest: «Für uns ist eh klar, dass wir jedes Mandat, das eine politische Dimension hat, offenlegen». Das sei nicht nur ein Trend, sondern einer der Erfolgsfaktoren des Beratungsunternehmens.

Freiwillige Austritte

Mehrere dieser Agenturlobbyisten wehren sich jedoch gegen die Darstellung, sie seien ausgeschlossen worden. Wie Graf, Frey und Oehen gegenüber der Nachrichtenagentur sda sagten, haben sie selbst den Austritt eingereicht - und zwar schon vor dem Ausschluss. Graf und Frey reichten den Austritt gemäss ihren Angaben am 8. Juni ein, Oehen am 15. April. «Es ist nicht akzeptabel, dass die SPAG dies
nun anders darstellt», sagte Graf.


«Den Austritt haben wir eingereicht, weil sie die Standesregeln, wie sie nun umgesetzt werden, nicht einhalten können», sagte Graf. Es sei nicht zielführend, sämtliche Mandate aufzuführen. Seiner Ansicht nach sollen nur aktive Lobby-Mandate, nicht aber etwa PR-Mandate - die nichts mit Lobbying zu tun hätten - offengelegt werden.


Wie Graf sagt auch Oehen, er sei durchaus für Transparenz. Gegenüber den Personen, mit denen er spricht, lege er den Auftraggeber offen. Er wolle aber keine Liste ins Internet stellen, da er die Vertraulichkeit gegenüber seinen Mandaten wahren wolle. Ohnehin schaffe die Offenlegungspflicht nur eine Scheintransparenz, weil die Richtigkeit der Liste niemand kontrollieren könne.

«Sie verkennen die Zeichen der Zeit»

Die Standesregeln, welche die Schweizerische Public Affairs Gesellschaft (SPAG) vor zwei Jahren zur Imagepflege schuf, sollten die Einflussnahme auf das politische System transparenter werden lassen. Mitarbeitende von Verbänden, Unternehmen oder öffentlichen Verwaltungen müssen den Arbeitgeber und ihre Funktion aufführen. Mitarbeitende von Agenturen und Kanzleien müssen den Auftraggeber bekanntgeben.

Die Diskussion darüber, wie umfassend die Offenlegungspflicht, entbrannte nach dem Fall Kasachstan. Letztes Jahr war bekannt geworden, dass die Berner FDP-Nationalrätin Christa Markwalder unter anderem eine Interpellation zu Kasachstan eingereicht hatte, auf deren Wortlaut eine Lobbyistin und eine kasachische Partei
Einfluss genommen hatten.

Der Fall Kasachstan habe den Tiefpunkt dargestellt, sagte Hanspeter Thür, Präsident der SPAG-Standeskommission und ehemaliger Eidgenössischer Datenschützer, in einem Interview mit der «Aargauer
Zeitung» und der «Südostschweiz», das am Freitag erschien.

Als Reaktion auf die Affäre empfahl der SPAG-Vorstand im Dezember 2015, «alle Aufträge aufzuführen», um einen Imageschaden für die Mitglieder, aber auch für den Verband, zu vermeiden. Die Agenturen
allerdings wollen eine Ausnahmeregelung für Mandate, die nichts mit Lobbying zu tun haben. Eine entsprechende Revision ist an der Generalversammlung im März aber vertagt worden.

Allgemeinverbindliche Regeln


Für Thür hingegen ist klar, dass es mehr statt weniger Transparenz geben muss. «Wer in einem intransparenten Graubereich agiert, will manipulieren und sich einen Wettbewerbsvorteil verschaffen. Das
schadet der Demokratie und gehört an den Pranger», sagte er im Interview mit «Persönlich». Die Lobbying-Regeln sollten verstanden und allgemeinverbindlich werden. «Aus der SPAG heraus müssen die
Regeln ausstrahlen.»


Auch auf politischer Ebene gibt es Bestrebungen für verbindliche Regeln: Das Parlament hatte in der Frühjahrssession neue Regeln für Lobbyisten beschlossen. Die Staatspolitische Kommission des Ständerates wird am 25. August beginnen, einen Gesetzesvorschlag dazu auszuarbeiten.

Die Regeln, die auf eine parlamentarische Initiative des Neuenburger SP-Ständerats Didier Berberat zurückgehen, werden sowohl von der SPAG als auch von Agenturlobbyisten begrüsst. «Das wäre eine gute Lösung», sagt Graf von Burson Marsteller.

Die SPAG schreibt, die geltende Selbstregulierung der SPAG gelte für deren Mitglieder. Eine offizielle Regelung gälte für alle. Trotzdem: Laut Thür mahlen die Mühlen «wahnsinnig langsam». Verschiedene Vorstösse zum Thema Lobbying hatte der Nationalrat denn auch bachab geschickt. «Es braucht wohl weitere Skandale und
noch stärkeren öffentlichen Druck, bis endlich etwas geht», sagte er der «Südostschweiz» und «Aargauer Zeitung».

(lcv/nzz/sda)



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