TV-Kritik

«No Billag» never ending

Auf SRF zwei lief immer noch das Barrage-Spiel Nordirland-Schweiz (mit bombastischer Quote), als Florian Inhauser im ersten Programm die Zuschauer aus Warschau begrüsste. Diesmal ging es im Auslandmagazin «#SRF global» nicht um das Weltgeschehen, sondern um die Finanzierung der öffentlichen Sender in Polen, Deutschland und Holland. Ich vermute mal, dass ich diesmal die meisten aus Inhausers kleiner Zuschauerschaft persönlich gekannt hätte.

Was hatte «#SRF global» zu bieten? Die Gebühren und Leistungen der öffentlich-rechtlichen Sender werden nicht nur in der Schweiz beargwöhnt. Polens rechtsnationale Regierung PiS hat die Sender von «Telewizja Polska» (TVP) 2015 mit einem massiv verschärften Mediengesetz «gesäubert». Von seinen polnischen TV-Kollegen bekam Inhauser kein Interview. 

Die regierungsgenehme TVP betreibt für 38 Millionen Einwohner drei Vollprogramme, die über Werbung und einer jährlichen Gebühr von 62 Euro finanziert werden. Nur: Bezahlt wird diese von weniger als 15 Prozent der Haushalte. Die Regierung will alle in die Pflicht nehmen und die auffallend politisierten Sender künftig über die Steuern finanzieren. Kein Vorbild für die Schweiz.

Florian Inhauser flog weiter nach Hamburg und traf dort Markus Brauck vom «Spiegel». Was dieser Mann über die deutschen Sender sagte, trifft genauso für die SRG zu. Brauck: «ARD und ZDF sind zu behäbig und zu wenig reformfähig. Die müssen viel selbstkritischer werden und sich viel stärker auf Kritik einlassen. Was die Sender seit Jahren machen ist eine Immunisierungs-Strategie. Das ist gefährlich, da landet man auf die Dauer da, wo man in der Schweiz gerade ist.»

Zu meinen liebsten deutschen TV-Journalistinnen zählt Anja Reschke, Polit-Chefin beim NDR und «Panorama»-Moderatorin. Sie argumentierte in «#SRF global» über Fernsehgebühren: «‹Was ich nicht benutze, zahle ich nicht›, ist ein unsolidarisches Argument. Der Wert von öffentlich-rechtlichem Journalismus und -Information ist ein Wert, den man nicht persönlich für sich bemessen kann, es ist ein Wert für die Gesellschaft. Genauso wenig kann ich sagen, dass ich mit meinen Steuern auch Theater oder Museen finanziere. Vielleicht gehe ich nie ins Theater oder in Museen, trotzdem ist es wichtig, dass es sie gibt.» Reschke etwas gar mutig: «Information ist ein zu wichtiges Gut, um es nur dem freien Markt zu überlassen.» Merke: Über das Unterhaltungsangebot im öffentlich-rechtlichen Fernsehen hat sie kein Wort verloren (Reschkes Aussage zur Unterhaltung lieferte SRF am Freitagmittag auf der Website nach, Anm. der Red.).

Hilversum war Inhausers letzte Station. Dort sind praktisch alle holländischen Sender daheim. Der öffentliche-rechtliche Rundfunk in den Niederlanden (über 17 Millionen Einwohner) heisst «Nederlandse Publieke Omroep» (NPO) – eine einzigartige und eigentümliche Organisation. Zwei vom Staat beauftragte Auftragsgesellschaften sind für das Kerngeschäft des Service public besorgt und decken mit ihren Programmen auf drei TV- und fünf Radiosendern Information, Kultur, Sport und Bildung ab. Sie bekommen dafür Steuergelder. Zusätzliche Newssendungen sowie die Unterhaltungsformate liefern acht weitere Gesellschaften, welche verschiedene Bevölkerungsgruppen entsprechend ihrer politischen und religiösen Weltanschauung repräsentieren. Die Programme mit liberaler, christlicher, konservativer und progressiver Ausrichtung sind als Vereine organisiert. Von deren Mitgliederzahl hängt ab, wie viel Sendezeit und wie viel Steuergelder ein einzelner Sender vom Staat bekommt – und wie er an den Werbeeinnahmen beteiligt wird. Erstaunlich, wie und dass das funktioniert. Und undenkbar in der Schweiz.

Zuletzt noch ein Wunsch als Zuschauer an die nervösen und betroffenen Leutschenbacher: Nehmt den Fuss etwas vom Gas, was «No Billag» betrifft. Geniesst die Vorweihnachtszeit. Gelassenheit ist übrigens eine gewinnende Form des Selbstbewusstseins.


René Hildbrand
René Hildbrand ist Journalist, langjähriger Fernsehkritiker und Buchautor. Während 27 Jahren war er für «Blick» tätig, danach Chefredaktor von «TV-Star».

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