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Carte blanche für die Frustrierten

Helmut Thoma muss sich über uns Schweizer schlapp lachen. Denn nur bei uns kommt er mit seinen platten und ewig gleichen Lästereien über TV-Programme und TV-Macher noch in die Gazetten. Denn wenn man in gewissen Redaktionen aus politischen Gründen händeringend einen Haudrauf in Sachen Fernsehen sucht, greift man oft auf den für seine verbale Wurschtigkeit bekannten Österreicher zurück.

Thoma war bis Ende des letzten Jahrhunderts tatsächlich ein erfolgreicher Fernsehmann. Mit RTL hatte er damals eine grossartige Spielwiese, in der er in den Anfängen des Privatfernsehens das Niveau der TV-Unterhaltung konkurrenzlos in bis dahin unbekannte Abgründe steuern konnte, was ihm sowohl tolle Quoten als auch viel Aufmerksamkeit verschaffte. Und zusätzlich profilierte er sich dank einiger knackiger Sprüche, mit denen er seinen Zynismus gegenüber dem Medium und seinen Zuschauern unterfütterte. So erntete er viele Lacher, als er etwa verkündete: "Im Seichten kann man nicht ertrinken", was natürlich ein Seitenhieb gegen die öffentlich-rechtlichen Sender war, die er so wegen ihres vom Gesetz vorgegebenen inhaltlichen Qualitätsangebots verhöhnte.

Doch dann war Schluss. 1998 flog er bei RTL raus. Und dann kam – nichts. Zu seinem Entsetzen bot ihm niemand in Deutschland einen neuen Job im Fernsehen an. Als ich Ende 2003 überraschend Geschäftsführer von Sat.1 wurde, verstand er die Welt vollends nicht mehr. "Er kann es sicher nicht. Er ist ja Schweizer", verkündete er in einem Interview mit logischem Zirkelschluss. Denn in der TV-Rangliste seiner in Deutschland eingefallenen dreifaltigen Ösi-Clique mit Hansi Mahr und Gerhard Zeiler lagen die tumben Schweizer imagemässig noch weit hinter seinen als "Teutonen" verachteten Gastwirten. Und so setzte er seine ganzen Intrigantenqualitäten dafür ein, meinen Job für sich zu ergattern, was ihm jedoch kläglich misslang. Entnervt machte er sich deshalb auf, einen eigenen Sender zu gründen, den er vollmundig Volks-TV nannte. Doch trotz unzähliger Ankündigungen wurde der Start immer wieder verschoben, weil es schlicht nicht genügend Financiers gab, die dem ausgedienten Sprücheklopfer ihr gutes Geld anvertrauen wollten. Erst 2014 konnte er statt des gross annoncierten Mantelprogramms bloss ein zweistündiges Jugendprogramm unter dem Namen "Nix" in Nordrhein-Westfalen unterbringen, über das das Branchenportal Meedia urteilte: "Thoma hat recht. 'Nix' ist wirklich gar nix."

Nur bei uns ist er tatsächlich noch aktiv und darf als ultimativer Experte von "Blick" bis "SonntagsZeitung" seitenweise und straflos seine ewig gleichen Sottisen über das einzig wahre Fernsehen verkünden. Und bei 3+ sitzt er im Verwaltungsrat. Dort wird er von Senderchef Dominik Kaiser zu gewissen Kundenpräsentationen mitgeschleppt, um als bekannter TV-Clown für einige Lacher und damit für tolle Kaufstimmung zu sorgen.

Thoma ist nicht der Einzige, der die Kümmerlichkeit der TV-Berichterstattung in wichtigen Schweizer Medien belegt. Ein Weiterer ist Christian Lüscher, der im "Tages-Anzeiger" seit Jahren meist schlecht recherchierte Texte abliefert, ohne dass ihm dort jemand auf die Finger klopft, weil die Medienfachkompetenz in der Tagi-Redaktion wie so vieles andere weggespart wurde. Für einmal entlarvte sich Lüscher auf groteske Weise mit seiner Kritik beim kürzlich ausgestrahlten "Hallo SRF", in der er mit einem detaillierten Siebenpunkteprogramm erläuterte, wie man eine solche Sendung professionell zu gestalten hätte. Damit demaskierte sich Lüscher, der noch keine Sekunde eigener TV-Produktionserfahrung vorzuweisen hat, als plumper Besserwisser, der darunter leidet, dass er nicht einmal in die Bannmeile vom Leutschenbach vorgedrungen ist. Auch andere Kritiker mögen unter einer ähnlichen Kränkung leiden, aber kaum einer entblösst sich so unverblümt wie der Tagi-"Experte", der wegen seines Auftretens und seiner Flapsigkeit in der ganzen Branche einen miserablen Ruf geniesst.

In den nächsten Monaten wird die Debatte über die künftige Rolle der SRG noch an Schärfe zunehmen. Wenn sich aber wichtige Medien, die nebenbei auch ihr eigenes Süppchen kochen, weiterhin auf den Sachverstand und die Integrität von Leuten wie Thoma und Lüscher stützen, dann können wir uns wirklich auf etwas gefasst machen.

 

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