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Lasst doch die Ideologie

In ihrem neuesten Bericht plädiert die Eidgenössische Medienkommission (Emek) neben vielem anderem dafür, der mediale Service public möge «künftig ganz auf Werbeeinnahmen verzichten zugunsten einer stabilen, verlässlichen und ausreichenden Finanzierung durch die öffentliche Hand, die keine falschen Anreize oder Preissignale setzt und die publizistische Unabhängigkeit wahrt» (persoenlich.com berichtete).

Dieser Vorschlag ist uralt. Er ist ideologisch und fernab ökonomischer Medienrealität. Er ist wertend, weil Werbung angeblich die publizistische Qualität beeinträchtige. Er ist respektlos, weil er einer ganzen Branche unterstellt, falsche Anreize zu setzen.

Für das Notizheft der Emek: Werbung belastet die publizistische Unabhängigkeit nicht. Werbung ist jederzeit transparente Kommunikation. Auftraggeber und Absender einer Werbebotschaft sind immer eruierbar. Ebenso die Absicht der jeweiligen Kommunikation. Ist das nicht der Fall, ist die Schweizerische Lauterkeitskommission Adressatin für Klagen. Darum bietet Werbung stets einen informativen Mehrwert für Konsumentinnen und Konsumenten, wo auch immer sie platziert wird.

Was die Emek vorschlägt, ist hingegen ohne Mehrwert für die Medien und deren Finanzierung. Im Gegenteil: Der Vorschlag ist schädlich. Für die SRG, weil ihr ohne TV-Werbung Einnahmen fehlen würden, die die Gebührenzahlenden vermutlich nicht bereit sind zu kompensieren. Für die Auftraggeber, für die TV-Werbung an Attraktivität verlöre, könnte sie nicht mehr alle Zielgruppen erreichen. Für das schweizerische TV-Inventar, das gekappt und dadurch die privaten TV-Stationen ebenso schädigen würde. Und für die Schweizer Medien und Wirtschaft insgesamt, weil das bei der SRG freiwerdende Werbegeld mit grosser Wahrscheinlichkeit nicht in andere Schweizer Medien fliessen würde, sondern einmal mehr auf internationale Plattformen ohne publizistischen Mehrwert.

Wir respektieren selbstverständlich die Arbeit der Emek als unabhängige Kommission mit Think-Tank-Charakter. Ihre Arbeit wäre noch viel mehr respektiert, würde sie sich, vom Elfenbeinturm steigend, mit der realen Medienwelt beschäftigen. Statt Ideologie entstünden vielleicht Vorschläge, die das Mediensystem und dessen Finanzierung wirklich voranbringen würden. Unsere Gesprächsbereitschaft haben wir immer signalisiert.



Jürg Bachmann ist Präsident von KS/CS Kommunikation Schweiz, dem Dachverband der Schweizer Werbung.

Unsere Kolumnistinnen und Kolumnisten vertreten ihre eigene Meinung. Sie deckt sich nicht in jedem Fall mit derjenigen der Redaktion.

 

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KOMMENTARE

Ueli Custer
09.02.2024 15:14 Uhr
Werbeblocker? Wozu? Ich schaue grundsätzlich auf blueTV und zwar immer zeitversetzt. Dann kann ich Die Werbung immer überspulen. Aber offenbar wirkt TV-Werbung eben trotzdem. Denn die Werbeprofis wissen sehr genau, was sie bringt und was nicht. Zudem: SRG-Programme ohne Werbung? Wie sollen Werbetreibende ohne die SRG-Programme in der West- und Südschweiz noch auf genügend TV-Reichweite kommen? Einmal mehr ein Vorschlag aus deutschschweizer Optik bei dem SRG gleich SRF gesetzt wird. Und das von einer staatlich finanzierten Kommission!
Christoph Schütz
08.02.2024 15:23 Uhr
Die Vorschläge der EMEK sind genau richtig: Sie orientieren sich nicht an den aktuellen Marktverhältnissen, sondern primär an den Bedürfnissen einer Demokratie, für die qualitativ hochstehender Journalismus unverzichtbar ist. Das Ganze technologieneutral, werbefrei und von der öffentlichen Hand finanziert. Fast zu schön, um wahr zu sein. Es braucht nun all jene Politikerinnen und Politiker, die in den letzten Jahren nicht müde wurden, die unerlässliche Rolle von Qualitätsmedien zu betonen, um diesem ambitiösen Projekt Flügel zu verleihen.
Peter Eberhard
07.02.2024 10:46 Uhr
Werbung ist die einzige Industrie, deren Produkte eigentlich niemand will (siehe Adblocker, nicht-lineares Fernsehen zwecks Werbevermeidung, wachsende Bedeutung von Bezahlmodellen ohne Werbung). Warum gibt das den Werbern nicht zu denken?
Andreas Schefer
07.02.2024 09:18 Uhr
Emek und der Verzicht der SRG auf Werbeeinnahmen: alter Wein in alten Schläuchen. Den "Think-Tank-Charakter" dieser Kommission vermag man nicht mehr zu erkennen. Sie ist zum überflüssigen Überbein verkommen. Leider.
Reda El Arbi
06.02.2024 22:25 Uhr
Die Realität ist, dass Medienknsument*innen Werbung hassen. Werbeblocker sind ein Geschäftsmodell und Abo-Zwang für Werbefreiheit läuft ebenfalls ganz gut. Dazu kommt, dass die Werbeflut nicht mal mehr wirkt. Branding ausgenommen. Agenturen messen in Reichweite, nicht mehr in Conversion oder sogar Umsatzsteigerung. Werber wissen das. Also, wenn Service Public auf Werbung verzichtet, weint niemand ausserhalb der Werbebranche. Und zum Schluss: Benutzen Sie einen Werbeblocker?
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