04.07.2017

Engineering Center Belgrad

Dafür braucht es die IT-Boys aus dem Balkan

Tamedia baut aus, und zwar in Südosteuropa: In Belgrad gibt es seit Mai ein Entwicklerzentrum mit sechs Mitarbeitern, weitere werden folgen. Warum setzt das Zürcher Medienhaus auf Serbien? In der Schweiz finde man diese Engineers schlicht und einfach nicht, heisst es.
Engineering Center Belgrad: Dafür braucht es die IT-Boys aus dem Balkan
Hat im Mai in der serbischen Hauptstadt Belgrad den Betrieb aufgenommen: Tamedias Engineering Center. Die ersten IT-Entwickler arbeiten bereits (vier davon auf dem Bild), hier zusammen mit Projektleiter Yannick Koechlin (4.v.l.), der lokalen HR-Verantwortlichen und einem Entwickler aus der Schweiz. (Bilder: Tamedia)
von Christian Beck

Die Büros sind modern und lichtdurchflutet. Gross prangt das Tamedia-«T» an den Wänden und auf den Glasscheiben. Nur ein serbischer Schriftzug deutet darauf hin, dass sich diese Büros nicht an der Zürcher Werdstrasse befinden. Tamedia hat nämlich in Belgrad ein Engineering Center eröffnet. Homegate, Tutti, Ricardo und verschiedene Einheiten von Tamedia haben im Mai damit begonnen, ihre Teams vor Ort aufzubauen.

Dank des Engineering Centers könne Tamedia die Entwicklung von neuen Produkten und Plattformen beschleunigen, heisst es in einer internen Mitarbeiter-Mitteilung, die persoenlich.com vorliegt. Momentan arbeiten sechs Mitarbeiter – zurzeit alles noch Männer – im Science and Technology Park in Belgrad. «Wir wollen das Engineering Center aber in den kommenden Monaten weiter ausbauen. Ende 2017 rechnen wir mit rund 20 Kollegen», sagt Tamedia-Sprecher Christoph Zimmer auf Anfrage. Dann sollte sich auch der Frauenanteil erhöhen.

Gute Entwickler in Belgrad

Belgrad ist laut Zimmer ein idealer Standort: Die Schweiz und Serbien würden über intensive Verbindungen verfügen, und der serbische Arbeitsmarkt eigne sich dank den guten Universitäten und den vielen Entwicklungsfirmen hervorragend für Tamedia. Deshalb gebe es in Belgrad viele gute Entwickler. «Leider fallen wirklich gute Leute auch in Serbien nicht von den Bäumen direkt ins Büro», sagt Yannick Koechlin, Data Engineer und Projektleiter des Engineering Centers Belgrad, zu persoenlich.com. Aber: «Der Markt ist in Belgrad nicht ganz so angespannt wie in Zürich, es geht also schneller.»

tamedia_Digital3265_ Yannick_2


Auch andere grössere Technologie- und IT-Unternehmen würden verschiedene Entwicklungsstandorte aufbauen, ergänzt Zimmer. So entwickelt zum Beispiel Google nicht nur in Kalifornien, sondern auch in der Schweiz, Indien und weiteren Standorten rund um den Globus. Dasselbe macht auch Tamedia und betreibt nebst Belgrad bereits IT-Entwicklungszentren für Ricardo im französischen Antibes, für Doodle in Berlin und Israel und für Starticket in Salzburg. In Belgrad gebe es allerdings eine Hürde, so Koechlin: Tamedia sei dort nicht bekannt. «Wir müssen uns zuerst einen Ruf als gute Arbeitgeberin erarbeiten.»

Die These, Tamedia wolle mit dem Engineering Center in Belgrad einfach nur Kosten sparen, weist Zimmer entschieden zurück. «Auch in Belgrad sind Engineers gesuchte Mitarbeitende, wir zahlen gute Löhne», sagt er. Natürlich sei das Lohnniveau in Serbien tiefer als in der Schweiz, aber das sei nur ein Teil der Gleichung: «In der Schweiz finden wir diese Engineers schlicht und einfach nicht.»

Arbeitskulturen ergänzen sich

Was aber wird konkret in Belgrad entwickelt, was in Zürich nicht entwickelt werden könnte? «Ich glaube nicht, dass man irgendetwas in Zürich oder Belgrad besser entwickeln kann», sagt Koechlin. Am Ende sei entscheidend, dass ein Team aus guten Leuten bestehe, welche es «trotz physischer Distanz verstehen, gemeinsam Produkte zu bauen, die die Kunden überzeugen». Die Mischung der Arbeitskulturen mache es aus, schreibt der serbische Data Engineer Igor Miletic in einer E-Mail an persoenlich.com. «Schweizer arbeiten praktisch und präzis, deshalb haben sie auch die besten Uhren der Welt. Wir Serben sind gut darin, schnell neue Technologien zu erlernen und diese in einem echten Entwicklungsprozess anzuwenden», so Miletic.

mitarbeiterportaet_Igor_Miletic_online_02_1


Die Zusammenarbeit mit den serbischen Kollegen sei in den ersten Wochen gut angelaufen. «Sie sind mittlerweile gut in die jeweiligen Teams integriert», sagt Koechlin, der mindestens eine Woche pro Monat vor Ort sein will. Auch in die Kommunikation werde viel investiert. «So setzen wir stark auf unser Chat-System. Das schafft Transparenz, ohne die Leute bei ihrer Arbeit zu stören. Und es senkt auch noch den Lärmpegel im Büro.» Ausserdem lege Tamedia Wert darauf, dass die Mitarbeitenden in Belgrad Teil des Unternehmens sind, betonen sowohl Koechlin wie auch Zimmer. «Zentral ist natürlich ein enger Austausch auf Augenhöhe», sagt Projektleiter Koechlin. Jeder serbische Engineer soll einige Wochen im Jahr in Zürich verbringen. «Und wir machen Tamedia auch physisch sichtbar – mit kleinen Dingen wie Stickern und gebrandeten Tassen.»

Stolz, für Tamedia zu arbeiten

Yannick Koechlin ist es wichtig, dass «wir die serbischen Kollegen gleich behandeln wie unsere Schweizer Kollegen». Offenbar mit Erfolg. Igor Miletic ist stolz, für Tamedia arbeiten zu können: «Es ist ein respektables Unternehmen mit langer Tradition in der Medienwelt. Wir helfen nun mit, damit sich Tamedia zu einem der Technologieführer entwickeln kann.»

Der Science and Technologie Park in Belgrad, wo sich die Tamedia-Büros befinden, wird von der öffentlichen Hand betrieben und vom Schweizer Staatssekretariat für Wirtschaft Seco unterstützt. «Die Tamedia-Büros sind die besten, die ich in meiner Karriere je hatte», schreibt Miletic begeistert. «Man kann einfach vom Stuhl aufstehen, Sport treiben oder in den schönen Park gehen, um das Gehirn und den Körper zu erfrischen, bevor man zurückgeht, um die schönen Dinge zu entwickeln», so der serbische Entwickler.

Zufrieden ist Miletic übrigens auch mit dem Lohn: «Er ist mehr als durchschnittlich für IT-Experten in Serbien.»



Newsletter wird abonniert...

Newsletter abonnieren

Wollen Sie Artikel wie diesen in Ihrer Mailbox? Erhalten Sie frühmorgens die relevantesten Branchennews in kompakter Form.

Kommentar wird gesendet...

Kommentare

Kommentarfunktion wurde geschlossen

Diese Artikel könnten Sie auch interessieren:

Zum Seitenanfang20240420

Die Branchennews täglich erhalten!

Jetzt Newsletter abonnieren.