08.09.2016

Social Media

«Facebook ist nicht mehr das richtige Tool für den Wahlkampf»

Fast zehn Jahre nutzte und bewirtschaftete die CVP-Nationalrätin Barbara Schmid-Federer ihren Account. Gegen Ende hatte sie 5200 Fans. Nun kehrt sie Facebook den Rücken. Im Interview mit persoenlich.com erklärt sie warum.
Social Media: «Facebook ist nicht mehr das richtige Tool für den Wahlkampf»
«Facebook entwickelt sich zu einem privaten Föteli-Stream», findet CVP-Nationalrätin Barbara Schmid-Federer. (Bild: zVg.)
von Claudia Maag

Als eine der ersten nutzte die CVP-Politikerin Barbara Schmid-Federer Social Media aktiv für ihren Wahlkampf. Ein Jahr vor den Nationalratswahlen im Oktober 2007 erstellte Schmid einen privaten Facebook-Account. 2006 war es noch nicht möglich, eine offizielle Fanpage zu erstellen.

Vor den Wahlen hatte die heutige Nationalrätin noch kein politisches Amt ausgeübt. «Mich kannte damals niemand und ich kannte keine Journalisten», erinnert sich die Zürcherin. Die kostenlose PR half ihr massiv bei ihrem Wahlkampf. Der Berner Polit-PR-Experte Mark Balsiger schrieb unter anderem über ihren Social-Media-Wahlkampf in seinem Buch «Wahlkampf – aber richtig», welches 2011 erschien.

Fast zehn Jahre nutzte und bewirtschaftete sie ihren Account. Doch nun kehrt sie Facebook den Rücken. persoenlich.com wollte wissen, warum.

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Frau Schmid, Sie galten als Vorzeige-Facebooknutzerin in der Politik. Nun wollen Sie das soziale Medium nicht mehr nutzen. Warum?
Zu Beginn fand ich Facebook ein gutes Tool, um politische Botschaften zu vermitteln und mit Wählerinnen und Wählern direkt in Kontakt zu treten. Inzwischen habe ich aber immer mehr das Gefühl, Facebook entwickle sich zu einem privaten «Föteli-Stream». Auch Politiker begannen, Fotos von ihren Ferien und Kindern zu publizieren. Das mache ich aus Prinzip nicht. Ich fand das mit der Zeit unprofessionell und sogar abstossend. Heute platziere ich meine politischen Botschaften mehrheitlich auf Twitter.

Stichwort Kinderfotos: Sie engagieren sich für das Thema Kind und Internet. War das mit ein Grund?
Ja. Jedes Foto, das Sie hochladen, gehört Facebook und bleibt für immer im Netz. Es handelt sich um eine öffentliche Plattform. Bei Vorträgen sage ich stets, Kinder sollten auf ihren Accounts ja nichts Persönliches preisgeben – und Eltern keine Kinderfotos hochladen. Das Bild gehört dem Kind. Niemand würde ein Bild seines Kindes bei der Migros ans Anschlagbrett hängen, aber über Facebook mit der ganzen Welt teilen, findet man unproblematisch.

Wie sehen das ihre beiden Söhne?
Meine beiden Söhne sind 21 und 18 Jahre alt. Beide sind schon länger nicht mehr auf Facebook aktiv: Sie finden es langweilig. Jugendliche nutzen lieber Instagram oder Snapchat. Ich denke, dass Jugendliche in sozialen Medien unter sich bleiben sollten. Es ist nicht richtig, dass sie dort von Eltern und heute sogar von Grosseltern kontrolliert werden, sofern sie sich der Chancen und Gefahren von Social-Media-Programmen bewusst sind.

Ihr Account ist seit drei Wochen gelöscht. Was vermissen Sie?
Überhaupt nichts. Ich habe länger darüber nachgedacht. Seit ich ihn Mitte August gelöscht habe, fühle ich mich pudelwohl.

Wie reagierten Ihre Fans?
Es gab kaum Reaktionen. Ich glaube, die meisten haben es noch gar nicht bemerkt (lacht).

Machen Sie auch keine Werbung auf Facebook mehr?
Nein.

Konzentrieren Sie sich nun mehr auf andere Social-Media-Kanäle wie Twitter oder Ihren Blog?
Twitter brauche ich seither etwas häufiger, meinen Blog auch. Zudem überlege ich, neue Kanäle auszuprobieren. Beispielsweise Youtube. Ich bin da offen.

Was schätzen Sie an diesen Kanälen mehr?
Bei Twitter, dass man Artikel hinterlegen kann. Dort kann man zusätzlich in kurzen, knappen Worten eine politische Botschaft platzieren. Man muss die Botschaft auf den Punkt bringen und mit 140 Zeichen sagen, wofür man sonst 1400 und mehr Zeichen verwendet.

Warum glauben Sie, dass Sie Ihre politischen Themen dort besser verbreiten können?
Ich habe jahrelang mehrere Kanäle benutzt. Wenn eine meiner politischen Ideen oder Aussagen aufgegriffen wurde, war es aber immer auf Twitter. Als die SVP das Referendum gegen das von ihr geprägte Asylgesetz ankündigte, reichte eine spitze Bemerkung von mir auf Twitter, um damit im «Tages-Anzeiger» zitiert zu werden.

Der Berner Polit-PR-Experte Mark Balsiger vertritt die These, dass sich Wahlkampf nur noch im Internet und auf Social Media entwickelt. Hat er unrecht?
Überhaupt nicht. Ich kehre Social Media auch nicht den Rücken – ich habe nur Facebook verlassen. Die Aussagen Balsigers betreffend Facebook und meinen Wahlkampf stimmten ganz genau. Es war eine treffende Analyse. Auch heute sind Social Media-Kanäle für den Wahlkampf zentral. Doch die Situation beziehungsweise die Nutzung von Facebook hat sich verändert. Mittlerweile bin ich davon überzeugt, dass Facebook heute nicht mehr das richtige Tool für den Wahlkampf ist.



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Kommentare

  • Patrick Kramer, 09.09.2016 10:10 Uhr
    Grundsätzlich völlig einverstanden mit Frau Schmid. Twitter wird von Journalisten stark genutzt. Insofern kann sie diese Zielgruppe sicher ideal abdecken. Wähler wird sie jedoch nicht darauf zu finden. Die Anzahl der Gesamtnutzer wie auch die durchschnittlich aktive Zeit, welche Nutzer auf der Plattform verbringen, sind seit längerer Zeit am Sinken. Auch konvergiert Twitter mit seinen Funktionalitäten immer wie stärker Richtung Facebook (long tweets, rich media, live video broadcasting etc.)
  • Markus Schmid, 08.09.2016 08:47 Uhr
    Sehr interessanter Artikel von Barbara Schmid. Wie verhält es sich mit Xing, das für Geschäftsleute attraktiv ist?
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