Ganz so dramatisch, wie jüngst im Newsletter zu lesen stand – «Auch Sonum (…) steht auf Messers Schneide» –, klingt es bei Christian Heuss dann doch nicht. Der ehemalige Redaktionsleiter Wissenschaft von Radio SRF ist bei Sonum.fm ehrenamtlich für Strategie und Fundraising verantwortlich. «Wir sehen ein Interesse. Aber es ist eine Herausforderung, Leute zu finden, die 65 oder 75 Franken zahlen», sagt Heuss im Gespräch mit persoenlich.com. Für das Geld erhält man exklusiven Zugang zu rund 60 moderierten Musiksendungen pro Jahr im Stil der abgeschafften Specials von Radio SRF 3.
Erfolgreicher Transfer
Wer beispielsweise Musik aus Jamaika mag, kommt praktisch nicht an Sonum vorbei. Lukie Wyniger, bis zu deren Abschaffung Moderator der Reggae-Specials auf SRF 3, führt seine Leidenschaft nun auf der mitgliederfinanzierten Audioplattform weiter. «Lukies ‹Peng-Peng-Radio› zieht am meisten», sagt Christian Heuss. «Er hat seine Community mitgenommen von SRF 3 zu Sonum.» Einzelne seiner Sendungen seien gar 10’000-fach geteilt worden.
Aber auch «Hounds», eine Weiterführung des alten «Sounds!»-Konzepts von SRF 3 mit den Moderationslegenden Urs Musfeld, Matthias Erb und Sabine Renz, oder «Rock ist tot» mit dem langjährigen Rock-Special-Moderator Dominic Dillier finden ihr Publikum. Neu dazugekommen sind eine Jazz-Sendung von Jazz Chur, eine Musiksendung mit den Autorinnen Nadja Zimmermann und Olivia El Sayed sowie eine musikalische Weltreise mit dem langjährigen SRF-Redaktor und -Moderator Eric Facon.
Auch 1000 Mitglieder sind zu wenig
Dank der Sendungen als Zugpferde schaffte es Sonum vor einem Jahr, 1000 zahlende Mitglieder zu gewinnen. Aktuell befindet sich das Audioprojekt mitten in der ersten Erneuerungswelle. 300 Unterstützerinnen und Unterstützer der ersten Stunde hätten ihren Mitgliederbeitrag schon bezahlt, weiss Christian Heuss. «Wir brauchen 500 Mitglieder, damit wir Senderechte, digitale Übertragungstechnik und ein kleines Honorar an die Macherinnen decken können.» Entwicklung und Betrieb der Sonum-Plattform finanzierte sich bisher über Stiftungsgelder.
«Die Sendungen waren eine Bier-Idee, auf die wir erst gekommen sind, als SRF 3 sein Abendprogramm umgestaltete und die Musik-Specials kippte», erklärt Heuss. Bis dahin war Sonum ein reines Technologieprojekt, dessen Wurzeln mehr als zehn Jahre zurückreichen. Am Anfang stand eine Idee von Dominik Born.
Preisgekröntes SRG-Projekt
Als Projektleiter des damaligen SRG-Technologieproviders TPC suchte Born nach einer Lösung, die es ermöglichte, einzelne Sendungen verschiedener SRG-Radioprogramme als personalisierter Webstream zusammenzustellen. Also beispielsweise die Musik von Couleur 3, kombiniert mit den Nachrichten von SRF 1, ohne dass man stündlich den Sender wechseln musste. Das Ganze lief unter dem Projektnamen diy.fm, kurz für Do-it-yourself-Radio, und fand europaweit in Fachkreisen grosse Anerkennung.
Als die SRG damit nicht in den Live-Betrieb gehen wollte, kümmerte sich ab 2017 der Verein Radiolab um die Weiterentwicklung. Daraus entstand die Sonum-Plattform. Angemeldete User können ihre bevorzugten Genres definieren und Tonquellen auswählen – quer durch die Audiowelt von Radio- über Webstreams bis Podcasts – und sie dann als personalisiertes Endlosprogramm auf der Website oder via App abspielen. Gefällt einem etwas nicht, klickt man sich einfach zum nächsten Angebot; irgendetwas kommt immer.
Für Marketing fehlt Geld
Für die Entwicklungskosten sind Stiftungen aufgekommen. «Damit machen wir aber keine grossen Sprünge», sagt Christian Heuss. Ausserdem beenden einzelne Stiftungen ihr Engagement. «Eigentlich bräuchten wir jetzt nochmal eine richtige Finanzierungsrunde.» Geld fehlt auch fürs Marketing, um einmal richtig die Werbetrommel rühren zu können.
Eine gewisse Hoffnung ruht auf dem anhaltenden Podcast-Boom. In der kleinen Deutschschweizer Audio-Szene kennt man sich. Und so tauschen sich die Leute von Sonum, die sich vor allem Gedanken zur Distribution machen, regelmässig mit Gleichgesinnten auf der Produktionsseite aus, etwa mit der Podcastschmiede oder der Audiobande.
Für This Wachter, Podcast-Produzent und Teil des Kollektivs Audiobande, ist klar: «Sonum funktioniert nur, wenn es Nutzerinnen und Nutzer findet.» Aus Produzentensicht und mit Blick auf Technologie und Features der Plattform sieht Wachter grosses Potenzial. «Für mich als Audioschaffender könnte Sonum attraktiv werden, weil sie Verträge mit der Suisa haben, wie das sonst nur bei Radiosendern der Fall ist.» Das heisst: Podcast-Macher, die ihre Produktionen bei Sonum hosten, können darin auch Musikstücke verwenden und müssen sich nicht selbst um die Lizenzierung kümmern.
Musik-Podcast nun mit Musik
Verträge mit der Rechteverwertungsgesellschaft Suisa und der Rechteagentur Audion ermöglichen es Sonum, eigene Musiksendungen anzubieten. Dafür wendet die Plattform rund ein Drittel des Ertrags aus den Mitgliedschaften auf, also rund 20’000 Franken pro Jahr. Diese rechtlichen Voraussetzungen waren auch ein Grund, warum der Podcast «Besser mit Ton» (persoenlich.com berichtete) auch auf Sonum gewechselt hat. Hier können die beiden Autorinnen Nadja Zimmermann und Olivia El Sayed nun auch die Musik abspielen, über die sie sprechen. Bei Spotify, wo sie ihren Podcast derzeit als reines Gespräch präsentieren, hätten sie sich selbst um die Lizenzierung kümmern und teures Geld für die Verwendung der Songs zahlen müssen.
Podcast-Produzent This Wachter sieht neben dem (fehlenden) Geld einen weiteren zentralen Faktor, der einem nachhaltigen Erfolg einer Plattform wie Sonum im Weg steht: der kleine Schweizer Markt. Daran lässt sich nun mal nichts ändern. Auch die Macherinnen und Macher kennen die Grenzen, machen aber dennoch weiter. «Sonum ist ein Experiment», sagt Christian Heuss. «Wir wollen herausfinden, ob wir eine Plattform aufbauen können, die für Audioproduzenten und die Hörerinnen und Hörer einen Zusatznutzen bietet, den es so auf anderen Plattformen nicht gibt.»