17.07.2022

Happy Birthday, Adolf Ogi

Der Weltkommunikator

Der alt Bundesrat wird am Montag achtzig und ist der lebende Beweis dafür, dass man mit guter und persönlicher Kommunikation am meisten erreicht. Geburtstagswünsche von Verleger und Chefredaktor Matthias Ackeret, einem langjährigen medialen Wegbegleiter Ogis.
Happy Birthday, Adolf Ogi: Der Weltkommunikator
Dezember 2000: Adolf Ogi bei seiner letzten Bundesratsreise auf dem Berliner Reichstag mit Matthias Ackeret (links), damals Reporter bei Tele24. (Bild: zVg)
von Matthias Ackeret

Adolf Ogis letzte Amtshandlung als Bundesrat war eine Jobrettung. Es war im Dezember 2000, kurz vor Weihnachten, der Kandersteger war nur noch wenige Tage im Amt, seine zwölfjährige Tätigkeit in der Landesregierung neigte sich dem Ende entgegen. Der damalige VBS-Chef wurde in Berlin nochmals mit militärischen Ehren empfangen, dann eine Stippvisite in den Reichstag, wo Ogi vom Ratspräsidenten namentlich begrüsst wurde. Mehr geht für einen Schweizer Politiker fast nicht.

Aber der eigentliche Höhepunkt der Kurzreise war ein Lunch beim damaligen Botschafter Thomas Borer. Dieser war noch nicht in der prunkvollen Schweizer Botschaft gegenüber dem Kanzleramt einquartiert, sondern in einer Dachwohnung in Charlottenburg. Ogi und seine Entourage – seine Ehefrau Katrin, Botschafter und Militärexperte Philippe Welti, Vater der Sängerin Sophie Hunger, Historiker Walther Hofer, Sprecher Oswald Sigg und der Schreibende, der als Tele24-Reporter Ogis «letzte Bundesratsreise» filmisch dokumentierte – zwängten sich eine enge Treppe hinauf, wo sie von Borers damaliger Frau Shawne Fielding mit amerikanischem Charme und grossem Dekolleté empfangen wurden. Thomas Borer zeigte sich über den magistralen Spontanbesuch sehr erfreut, kein Wunder, bedeutete dies auch eine Wertschätzung seiner Arbeit im grossen Kanton, zumal es eher unüblich ist, dass ein Bundespräsident einen Botschafter in dessen Privatgemächern aufsucht.

Politisch war Borer zu jenem Zeitpunkt angeschlagen: Wenige Tage zuvor hatte er mit einem saloppen Spruch in «Giacobbos Spätprogramm», einer satirischen Talk-Sendung des Schweizer Fernsehens aus dem Zürcher Kaufleuten, für grossen Ärger in Politbern und für fette Schlagzeilen in den deutschsprachigen Medien gesorgt. Als Giacobbo Borer mit einem Bild von dessen Gattin auf dem Schoss des Scorpions-Sängers Klaus Meine konfrontierte, antwortete Borer flapsig, dieser sei ja sowieso «schwul». Der Skandal war perfekt, Bundesbern war ausser sich. Borers Vorgesetzter, der damalige Aussenminister Joseph Deiss, schäumte innerlich und spitzte seine Lippen. Doch Adolf Ogis symbolische Rückendeckung zeigte Wirkung: Sofort verstummten alle Rücktrittsforderungen. Als der schillernde, aber auch brillante Borer zwei Jahre später wirklich aus Berlin gejagt wurde, sass kein helfender Ogi mehr in der Regierung.

Adolf Ogi war und ist der lebende Beweis, dass man mit Symbolik vieles, ja praktisch alles erreichen kann. Auf diesem Gebiet ist er unübertroffen. Gerade im verbalen Nahkampf zeigt sich das Talent des begnadeten Kommunikators. So verzichtete Ogi auf verschwurbelte PR-Floskeln oder unverständliche Schachtelsätze, seine Stärke ist das Bild. Ogi brauchte auch keine sozialen Medien, um sein Gegenüber zu erreichen, bei ihm lief fast alles in beinahe biblischer Tradition von Auge zu Auge. Ärgerte oder freute sich Ogi über einen TV-Beitrag, griff er höchstpersönlich zum Hörer. Der Schreibende hat dies 1993 selbst erlebt: Als ich als frischgekürter S-Plus-Bundeshauskorrespondent von den SRF-Kollegen im Bundeshaus geschnitten wurde, suchte Ogi die gemeinsame Redaktion auf und ermahnte meine damaligen Journalistenkollegen: «Tönt de Ackeret nid z'fest ploge.» Was sofort positive Wirkung zeigte und bewies, dass sogar die vielbeschworene journalistische Unabhängigkeit beim Machtwort des Medienministers an ihre Grenzen stossen kann.

Adolf Ogi gehört – im Gegensatz zu den meisten seiner griesgrämigen Politkolleginnen und -kollegen – zu den Aufbruchpolitikern. So ist sein Aufruf «Freude herrscht» nicht nur eine wohlklingende Floskel, sondern längst Bestandteil des helvetischen Kulturgutes geworden und Verkörperung einer Lebenshaltung. Reduce to the max. Als der chinesische Präsident Jiang Zemin 1999 erbost aus dem Bundeshaus stürmen wollte, weil die damalige Bundespräsidentin Dreifuss in ihrer Begrüssungsrede die Verletzung der Menschenrechte in seiner Heimat ansprach, sprang Ogi sofort auf und beschwichtigte den chinesischen Präsidenten mit dem legendären Satz: «You’re not leaving.» Dann griff er in seinen Hosensack und zauberte einen Bergkristall hervor, den er Maos Nachnachfolger zusteckte. Ogis Aktion zeigte Wirkung: Jiang Zemin setzte sich wieder und lächelte. So wie Prinz Charles, mit dem er kurze Zeit später in seiner Berner Oberländer Heimat ganz süferli zu einem gemeinsamen Jodel ansetzte. Charles vergass dabei für einen kurzen Moment seine Camilla und den Dauerärger im englischen Königshaus.

Nun wird Adolf Ogi achtzig. Eigentlich unvorstellbar, gehört er doch zu jenen Persönlichkeiten, die die Schweiz seit einem halben Jahrhundert mit fast schon zeitloser Eleganz begleiten. Zuerst aufgefallen war er in den Siebzigern, als Direktor des Skiverbandes und Vater des «Wunders von Sapporo», als ihm die Skifans mit Transparenten mit der Aufschrift «Ogis Leute siegen heute» huldigten, später als eierkochender Bundesrat oder als «Impresario der Neat und der Bahn 2000» – Ogis wohl grösste Politleistung. Seine – teilweise geschickt inszenierte – Dauerfehde mit Christoph Blocher und dessen Politik bescherte beiden SVP-Alphatieren Schlagzeilen und Popularität, eine strategische Politmeisterleistung, wie sie kein PR-Büro erfinden könnte. Yin und Yang in Bundesbern oder Dialektik à la SVP in ihren Glanzzeiten. Dass Adolf Ogi in den Wirren nach Christoph Blochers Abwahl nicht zur BDP gewechselt ist, was damals opportun und politisch korrekt angesagt gewesen wäre, spricht für seine Standfestigkeit.

Als Verleger von «persönlich» und langjähriger medialer Wegbegleiter bei S Plus, TeleZüri und Tele24 möchte ich Adolf Ogi zu seinem runden Geburtstag von Herzen gratulieren. Als Leser unserer Zeitschrift erhält er unsere Wünsche auf diesem Weg und nicht via elektronische Medien. Irgendwie ist dies tröstlich. Kommunikation kann vieles, Ogi aber mehr.



Dieser Text erschien zuerst in der aktuellen «persönlich»-Printausgabe.



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Kommentare

  • Hans Peter Graf, 18.07.2022 00:05 Uhr
    Als langjähriger Informationschef der SVP Schweiz habe ich die Wahl von Dölf Ogi als Nachfolger eines nicht minder populären Leon Schlumpf begleiten dürfen und in meiner Arbeit jahrelang von der immensen Popularität dieses begnadeten Kommunikators profitieren können. In dieser Zeit war Ogi nicht nur Direktor des Schweizerischen Skiverbandes («Ogis Leute siegen heute»), sondern als Nationalrat und Parteipräsident der SVP Schweiz auch mehrere Jahre mein Chef. Ich sende Dölf meine herzlichsten Geburtstagswünsche quer über Meere und Kontinente aus Thailand, wo ich zurzeit lebe.
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