20.11.2021

Literatur-Special

Die Bücher dieses Herbstes

Es wird kälter – und viele haben wieder Zeit zum Lesen. Wir haben unter der unendlichen Fülle von Büchern, die diesen Herbst erschienen sind, ein Dutzend ausgewählt und deren Autorinnen und Autoren gefragt: Warum haben Sie dieses Buch geschrieben?
von Matthias Ackeret

1_buecher

Frank Bodin

«Is it love?», Verlag Hermann Schmidt

Nach dem immer noch anhaltenden Erfolg von «Do it, with love» – das 2015 erschienene Buch ist in der achten Auflage – fragte der Verlag nach einem zweiten Band. Ich tat mich schwer damit. Ich wollte nicht weiterfahren mit motivierenden kreativen Ratschlägen: Es liegt in der Natur der Kreativität, dass sie sich nichts vorschreiben lässt. Darum kam ich auf die Idee, mit diesem zweiten Band statt kreativer Erkenntnisse kreative Fragen in den Raum zu stellen. Nur wer überraschende Fragen stellt, erhält wirklich neue, frische Antworten. Mit «Is it love?» hat es jeder selbst in der Hand, seine eigenen Antworten für seinen kreativen Weg zu finden. Genau so wie meine Antwort hier ja auch durch eine gute Frage von «persönlich» ausgelöst wurde.



2_buecher

Joeline Fruchi

«Charakterköpfe», Rüffer & Rub

Mehr Vielfalt. Mehr Mut. Mehr Schweiz. Wer «Charakterköpfe» liest, erfährt die Geschichten von 28 Frauen und Männern, die uns als Gesellschaft inspirieren und weiterbringen. Beim Einkauf, im Café, auf der Arbeit, im Zug, überall sticht sie hervor: die Uniformität der heutigen Gesellschaft. Manche mögen sich fragen: Gibt es sie noch, Menschen mit Ecken und Kanten? Mit dem Buch «Charakterköpfe» beweist die Stiftung StrategieDialog21: Ja. Es zeigt 28 Menschen voller Authentizität, Fantasie, Kreativität, Mut und Wille. Ob Spitzensportlerin, Unternehmer oder Regisseurin – die Charakterköpfe realisieren pfeffrige Ideen, stecken Niederlagen weg und feiern Erfolge. Ausgewählt und porträtiert wurden sie von Nachwuchsjournalistinnen und Nachwuchsjournalisten der ZHAW. Entstanden ist ein Werk, das die prägende Vielfalt unserer Helvetia abbildet.



3_buecher

Thomas Brunnschweiler

«Die Zwischengängerin», Münster Verlag

Warum man ein Buch schreibt, kann man nie ganz beantworten. Am Anfang stand ein Gespräch mit einer Angehörigen der Familie Faesch, die etwas über eine Carolina Faesch beziehungsweise Weldon wusste. Zwei Jahre später ging ich dieser Geschichte nach, recherchierte und baute den Kontakt zu einem Gewährsmann in den USA auf. Von da an begann mich das Schicksal dieser Frau so zu faszinieren, dass sich das Schreiben und die Story von selbst ergaben. Am spannendsten fand ich das Eintauchen in das 19. Jahrhundert und die Vielschichtigkeit, die sich aus dem Plot ergab. Ich konnte Carolina Faesch quasi neu erschaffen und ihr einen hypothetischen Lebenslauf geben, der stets plausibel sein will. Immer mehr schälte sich auch die politische Komponente heraus, die zu einem Ende in der Jetztzeit führte.



4_buecher

Roger de Weck

«Die Kraft der Demokratie – Eine Antwort auf die autoritären Reaktionäre», Suhrkamp Verlag

Erst Trump, dann Corona – diese zwei Plagen waren ein Wendepunkt. Denn die Rollen haben sich nun vertauscht: Im Westen sind die Verfechter der liberalen Demokratie auf dem Vormarsch, während sich die autoritären Populisten festfahren. Polarisierung wird unergiebig, es wächst die Sehnsucht nach Balance. Der Trump-Corona-Schock setzte eine Zäsur zwischen der Ära der Masslosigkeit und einer Periode grösseren Augenmasses. «Echte Avantgarde ist nichts anderes als der mutige Rückschritt zur Vernunft», meinte Karl Kraus. Es verbessern sich die Bedingungen, um die demokratischen Institutionen auf die Höhe des digital-ökologischen 21. Jahrhunderts zu bringen. Demokratie muss gestaltungskräftiger werden – das Hauptanliegen des Buchs mit zwölf konkreten Vorschlägen. Es verschafft Übersicht und Zuversicht.



5_buecher

Dominik Imseng

«Chief Behavioral Officer», Verlag Franz Vahlen, Versus Verlag

Schon als Dreikäsehoch auf dem «Gigampfi» war ich vom Phänomen der Hebelwirkung fasziniert – wie man mit kleinen Kräften grosse Kräfte bewirken kann. Mein Buch zeigt: Auch Unternehmen können Hebel nutzen, um mit wenig Aufwand ihr Angebot überzeugender, ihr Marketing wirksamer und das Kundenerlebnis attraktiver zu machen. Tatsächlich ist die Nutzung der psychologischen Erkenntnisse der Verhaltensökonomie (Behavioral Economics) bei Firmen im angelsächsischen Raum schon seit Jahren üblich. Insbesondere im Silicon Valley sind Chief Behavioral Officers Standard. Kein Wunder, denn der amerikanische Wirtschaftsnobelpreisträger Richard Thaler bringt den Effekt der Nutzung verhaltensökonomischer Erkenntnisse wie folgt auf den Punkt: «Überdimensionale Resultate für unterdimensionierte Investments».



6_buecher

Peter Röthlisberger

«Graubünden in 100 Geschichten», Edition Somedia

Graubünden ist eine Herzenssache. Vor allem für Bündner im Unterland. Kaum sind wir zu Hause, werden wir wieder zu Churern, Engadinerinnen, Puschlavern. Gibt es trotz der 101 Gemeinden, 11 Regionen und 150 Täler einen Bündner Charakter, eine Schnittmenge, auf die wir uns einigen können? Das wollte ich herausfinden. Zusammen mit 65 Historikerinnen und Journalisten, die Graubünden erklären und beschreiben. Sie teilen ihr Insiderwissen, ihre wissenschaftlichen Erkenntnisse und ihre Liebe zum Kanton. Das Buch kommt aber auch seiner Chronistenpflicht nach mit einem Nachschlagewerk über die Historie Graubündens und einer umfassenden Bibliografie. Übrigens hat Matthias Ackeret eine sehr lesenswerte Geschichte über einen Schlossherrn aus Rhäzüns geschrieben. Auch Zürcher wären halt im Innersten gerne Bündner.



7_buecher

Tom Zürcher

«Liebe Rock», Picus Verlag

Ich hatte diesen ersten Satz im Kopf, konnte ihn aber nicht schreiben, weil ich noch in einem anderen Roman steckte. Als ich dann frei war, kaufte ich ein neues Wachstuchheft und schrieb den Satz auf. Der Rest kam wie von selbst. Am Ende hatte ich eine Liebesgeschichte, in der es um mehr geht als um Liebe: um die Angst, nicht geliebt zu werden. Aber ausser Isabelle, meiner wahren Liebe, hat das noch niemand herausgefunden. 



8_buecher

David Signer

«Afrikanische Aufbrüche», NZZ Libro

Nach Jahren in Afrika – als Ethnologe und als Reporter – war es mir ein Bedürfnis, den Leuten, die mich dort am meisten beeindruckten, ein «Denkmal» zu setzen. Ich bin immer wieder hingerissen vom Mut und von der Kreativität, die Menschen in Afrika unter schwierigsten Umständen beweisen. Dieser experimentierfreudige, spielerische Durchhaltewillen – das war für mich eine der wichtigsten Lebenslektionen. Afrika wird oft entweder dämonisiert oder idealisiert. Aber es stimmt eben beides: Gerade wenn man weiss, wie hart die Lebensbedingungen auf dem Kontinent sind, ist man umso faszinierter von der Widerstandskraft und der Energie der Bewohner. Vor allem für uns recht abgesicherte Schweizer ist es wichtig zu sehen, welche Risiken andere eingehen müssen, bloss um zu überleben.



9_buecher

Peter Denlo

«Zungentod», Cameo

Seit fünfzehn Jahren schreibe ich Theaterstücke. Seither hegte ich je länger, je mehr den Wunsch, einen Roman zu schreiben. Doch woher sollte ich die Zeit nehmen? Im März 2020 war dann der Theaterbetrieb von einem Tag auf den anderen stillgelegt, und mir war sofort klar, dass ich den Lockdown als Chance sehen musste. So habe ich mich hingesetzt und begann zu schreiben. Als Produzent von «DinnerKrimi» lag es nahe, einen Krimi zu schreiben. Doch auch feines Essen sollte Teil der Geschichte sein. Und so schrieb ich einen kulinarischen Krimi, der auf drei Kontinenten spielt.  Ja, «Zungentod» ist auch eine Art Reisebericht. Und so haben mir die Kopfreisen während des Schreibprozesses geholfen, die damals geschlossenen Grenzen zu ertragen.



10_buecher

Benedikt Weibel

«Wir Mobilitätsmenschen – Wege und Irrwege zu einem nachhaltigen Verkehr», NZZ Libro

Mobilität ist mein Lebensthema. Geprägt durch Jahrzehnte bei der Bahn, bei den Schweizerischen Rheinhäfen, bei der Organisation der Fussball-Europameisterschaft 2008, wo es galt, riesige Verkehrsströme zu bewältigen. Als der coronabedingte Lockdown meine Agenda entleert hatte, fand ich genügend Zeit zum Schreiben. Entstanden ist ein Buch, das Mobilität in der ganzen Breite und Tiefe in all ihren Zusammenhängen behandelt. Der Text mündet in eine «Blaupause für die Verkehrswende», welche die Freiheit der Mobilität erhalten und die Lebensqualität steigern soll. Es ist höchste Zeit, dass die Diskussion über die Mobilität der Zukunft jenseits von ideologischen Positionen, aber mit einer radikal pragmatischen Haltung geführt wird. Dazu will dieses Buch einen Beitrag leisten.



11_buecher

Anna Maier

«Sei du der Pilot deines Lebens», Giger Verlag

Seit ich zehn Jahre alt war und ein Bücherwurm, der bis zu vier Bücher pro Woche verschlang, träumte ich davon, ein eigenes Buch zu schreiben. Ein Roman sollte es sein – ein Motivationsbuch zur Mitte des Lebens wurde es, 34 Jahre später. Vermutlich aus Angst, mir selbst nicht zu genügen, getraute ich mich lange nicht, meinen Lebenstraum umzusetzen. Erst als ich in einer mehrjährigen Umbruchphase mein Leben ganz grundsätzlich zu hinterfragen begann, merkte ich, dass mir der Austausch fehlte mit Personen, die nach denselben Antworten suchten. So entstand die Idee, ein Buch zu verfassen, in dem ich zu diversen Themen des Lebens Fragen an die Leserschaft stelle, die sie direkt ins Buch beantworten kann – ein wenig so, wie wenn man sich mit einer guten Freundin austauscht, spätabends am Küchentisch.



12_buecher

Andreas Schwab

«Zeit der Aussteiger», C. H. Beck

Mich haben Menschen immer fasziniert, die ihre kreative Energie in lebensverändernde Projekte stecken; ihre Ideen können uns bis heute bewegen. Denn viele der Künstlerinnen und Künstler suchten um 1900 eine Gegenwelt zum Leben in den Städten, zum übersteigerten Nationalismus und zum allgegenwärtigen Krisengefühl.  Mir ging es darum, diese innovativen Ansätze darzustellen – ohne dafür die Schattenseiten völlig ausser Acht zu lassen. Seit meiner 2003 erschienenen Dissertation «Monte Verità – Sanatorium der Sehnsucht» habe ich mich immer wieder mit diesem Gegenstand beschäftigt und viel Material gesammelt. Meines Wissens bin ich der Erste, der dieses Netzwerk der Subkulturen von Skagen an der Nordspitze Jütlands bis nach Korfu in seiner Vielfalt darstellt.



Diese Buchtipps erschienen in der Oktober-Ausgabe des Printmagazins «persönlich».



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