01.10.2017

Anne Walser

«Es ist Pflicht, endlich Zwingli zu verfilmen»

Ein ambitiöses Projekt: Im nächsten Jahr verfilmt die Zürcher Produzentin und «Zurich Film Festival»-Jurorin Anne Walser das Leben von Huldrich Zwingli. Eine Weltpremiere, denn bis anhin gibt es noch keinen Film über den bedeutenden Reformator.
Anne Walser: «Es ist Pflicht, endlich Zwingli zu verfilmen»
Anne Walser gehört zu den bekanntesten Schweizer Filmproduzenten. Sie ist Geschäftsleitungsmitglied und Mitinhaberin der C-Films AG. (Bild: zVg.)
von Matthias Ackeret

Frau Walser, die Firma C-Films plant für dieses Jahr einen Film über Huldrich Zwingli. Wann starten Sie mit den Dreharbeiten?
Die eigentlichen Dreharbeiten werden innerhalb von sieben Wochen ab Februar 2018 stattfinden, damit eine Weltpremiere des Filmes im Januar 2019 stattfinden kann – genau fünfhundert Jahre zuvor hat Zwingli seine Stelle als Leutpriester am Grossmünster angetreten. Die Vorbereitungen laufen aber jetzt schon auf Hochtouren. Es ist ein sehr ambitiöses Projekt, Zürich im Mittelalter darstellen zu wollen. Neben Zürich werden wir auch in Stein am Rhein, das noch über eine vollkommen erhaltene mittelalterliche Altstadt verfügt, drehen. 

Wie hoch sind die Kosten, und ist die Finanzierung bereits gewährleistet?
Es ist uns in den vergangenen Monaten, ja Jahren nicht nur gelungen, ein sehr überzeugendes Drehbuch zu entwickeln und einen renommierten Cast für das Unterfangen zu gewinnen, sondern auch eine Grundfinanzierung abzusichern, welche die Umsetzung zumindest schon mal in Ansätzen ermöglicht. Vieles ist erreicht, aber nicht alles. Das Drehen eines historischen Filmes ist aufwendig, und die jetzt bestätigte Finanzierung über rund 4,5 Millionen Schweizer Franken wird noch nicht ausreichen, um jenen Film zu realisieren, den wir dem Publikum und dem Filmmarkt versprochen haben. Kurzum: Die C-Films setzt in den verbleibenden Monaten bis zum Drehstart alle Kräfte dafür ein, mindestens eine weitere Million zu sammeln, um so die Visionen des Teams umzusetzen, aber auch der Wichtigkeit des Projektes in jeder Hinsicht gerecht werden zu können. Hier sind wir auf jede Hilfe angewiesen! Wir setzen stark auf das Vertrauen und die Unterstützung privater Gönner und Partner aus der Wirtschaft. Ein weiteres Finanzierungstool ist auch der Zwingli-Film-Freundeskreis, der Filmliebhabern ermöglicht, Teil der Zwingli-Film-Familie zu werden und gleichzeitig einen kleinen Beitrag an die Realisation zu leisten. Dass ein für die Schweiz so wichtiges Projekt wie ein internationaler Kino-film über den in seinem Denken und Wirken leider vielfach unbekannten Reformator nicht so zustande kommt, wie er es verdient hat, mögen wir uns nicht vorstellen. 

2019 findet das Zwingli-Jahr statt. Spüren Sie dadurch ein grösseres Interesse an Ihrem Projekt?
Unbedingt gewinnt der Film damit eine Aktualität. Europa würdigt in den kommenden Jahren mit einer Vielzahl unterschiedlichster Aktivitäten die Welt der Reformation. Der Film «Zwingli – der Reformator» wird dabei sicherlich das grosse Highlight im Reigen dieser Aktionen werden: Wir machen Historie nachhaltig erlebbar und greifbar. Generationenübergreifend und für jedermann zugänglich wird Zwinglis einzigartiger Werdegang beschrieben: eine starke, in der Öffentlichkeit neu und differenziert wahr-genommene Figur.

Wie fest halten Sie sich an die historischen Vorgaben?
Wenn man eine historische Figur porträtiert, sind exakte Recherchen natürlich das A und O der Entwicklung. In nur wenigen Jahren schaffte es Zwingli, Zürich umzukrempeln und für immer zu verändern. Wie hat er das gemacht; wie kommt es, dass Menschen plötzlich ihren Glauben ändern – nachdem sie jahrhundertelang ihr letztes Geld der Kirche gegeben haben, um nicht im Fegefeuer zu landen? Und was für ein Mensch war Zwingli – jenseits der Klischees? Mit diesen Fragen sind wir in das Projekt gestartet.

Was heisst das?
Die erste Frage ist relativ gut erforscht und die Literatur dazu ausufernd. Die zweite Frage jedoch, jene nach der Person Zwinglis, ist schwieriger zu beantworten. Zwingli hielt sich mit privaten Äusserungen zurück, und eine Biografie, die den Mann auf psychologischer Ebene zu deuten versucht, gibt es so nicht. Zudem ist Zwingli ein widersprüchlicher Mensch. Er taugt als Projektionsfläche sowohl für Nationalkonservative als auch für Befreiungstheologen – diese frappierende Polarität ist eines der Elemente, die an Zwingli so faszinieren und die auch grossen Nährboden bieten für eine fiktionalisierte Nacherzählung. Was die exakten chronologischen Zeitabläufe und Ereignisse betrifft, so halten wir uns an die Fakten, wenn wir auch einiges etwas gestrafft und reduziert erzählen müssen – der Film würde sonst eindeutig überlang. 

Wer spielt den Reformator Zwingli?
Wir freuen uns sehr darüber, Max Simonischek für die Rolle des Zwingli gewonnen zu haben. Simonischek hat sich im deutschsprachigen Theater als Darsteller anspruchsvoller Charaktere etabliert und war in den letzten Jahren zudem als Hauptdarsteller in mehreren deutschen und Schweizer Kino- und TV-Filmen zu sehen, unter anderem «Gotthard», «Akte Grüninger» und zuletzt in «Die göttliche Ordnung».

Die Frau von Huldrich Zwingli, Anna Reinhart, galt selber als starke Persönlichkeit. Welche Rolle spielt sie in Ihrem Film?
Anna Reinhart wird in der Tat eine sehr zentrale Rolle im Film spielen. In unserem Projekt wird Zwinglis Leben nicht nur aus seiner, sondern auch aus der Perspektive seiner Ehefrau Anna erzählt und reflektiert. Anna, die zu Anfang unserer Geschichte, die mit Zwinglis Antritt am Zürcher Grossmünster seinen Lauf nimmt, sehr stark dem katholischen Glauben verbunden ist, wird in der Entwicklung am eigenen Leib erfahren, was Wandel zur Selbstbestimmung bedeutet. Dem Aufruf des reformatorischen Glaubenssatzes «sola scriptura» folgend, wandelt sich Anna von einer passiven zu einer aktiven Frau; einer Frau, die in der Lage ist, ihre Ängste abzulegen, ihre Stärken anzuerkennen und mit Verstand und Ratio ihr Leben zu bestimmen – mit all den damit verbundenen Höhen und Tiefen.

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Gemeinsam mit Anna erleben wir Zwingli als komplexen Mann und Menschen, der weit mehr ist als eine historische Figur. Und zudem ganz und gar nicht jenem Zwingli-Bild entspricht, das ein Grossteil der Menschen in sich trägt. Diese für die Schweiz so wichtige historische Figur wird nahbar und übersetzt sich auf erzählerisch gekonnte Weise ins Gegenwärtige.

Während es über den deutschen Reformator Martin Luther einige Filme gibt, ist dies bei Zwingli nicht der Fall. Woran liegt das?
Es hat mich ehrlich gesagt auch erstaunt, dass es bis anhin eigentlich nur einen Film über diesen so spannenden Mann gibt – und der wurde vor einigen Jahrzehnten realisiert. Vermutlich war der Stoff einfach vielen Filme-machern zu gross, zu aufwendig, zu einschüchternd. Wir von der C-Films pflegen jedoch seit Gründung eine gewisse Filmtradition. Die Schweizer Geschichte ist und war für uns immer schon Nährboden für spannende Filmproduktionen. Ich erinnere hier gerne an unsere Filme, wie etwa «Der Verdingbub», «Akte Grüninger», «Lina» oder auch «Grounding – die letzten Tage der Swissair». Sie alle haben Kapitel der Schweizer Geschichte aufgerollt und damit auch einen Diskurs in der Öffentlichkeit angeregt. Und genau das sollen Filme machen: Sie sollen emotionale Multiplikatoren sein für Themen, die die Gesellschaft beschäftigen sollten. Deshalb stellen wir uns der Herausforderung Zwingli sehr gerne und mit viel Herzblut. Und da das Reformationsjahr ansteht, hat der Film natürlich umso mehr Dringlichkeit – Berechtigung hat er sowieso.

Was sind jetzt die nächsten Schritte?
Die Dreharbeiten zu «Zwingli» werden sicherlich eine produktionelle Herausforderung darstellen. Wir sind zwar an ambitiöse Drehvorhaben (beispielsweise «Schellen-Ursli») und historische Realisationen gewöhnt (zum Beispiel «Akte Grüninger», «Der Verdingbub»), aber Zwingli und seine Welt sind nochmals eine Hausnummer grösser: Mittelalter, viele Figuren, Massenszenen, verschiedene Jahreszeiten und vieles mehr. Aus diesen Gründen haben wir bewusst sehr früh mit den produktionellen Vorbereitungen begonnen und in einem engen Team bereits bei Vorlage einer ersten Drehbuchfassung Motive gesucht, Schauspielergespräche geführt, Drehpläne erstellt und auch inhalt-liche Weichen gestellt, die eine reibungslose Drehdurchführung ermöglichen. In den kommenden Monaten widmen wir uns jetzt dem Finetuning aller produktionellen und kreativen Ansprüche. Eine Menge Arbeit, die uns aber immer inspirieren wird, dem -Publikum den bestmöglichen Film abzuliefern.

Anne Walser ist beim Zurich Film Festival, das derzeit in Zürich stattfindet, Mitglied der Jury mit Fokus Schweiz, Deutschland und Österreich - zusammen mit Quirin Berg (Jurypräsident), Anne Fabini und Burhan Qurbani.

 



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