16.08.2019

Filmfestival Locarno

Goldener Leopard geht nach Portugal

Mager ist die Bilanz für das schweizerische Filmschaffen am Ende dieser 72. Ausgabe des Festivals.
Filmfestival Locarno: Goldener Leopard geht nach Portugal
Der Film «Vitalina Varela» des portugiesischen Regisseurs Pedro Costa holt am Filmfestival von Locarno den Goldenen Leoparden und den Preis für die beste Darstellerin. (Bild: Keystone/Urs Flüeler)

Gold nach Silber: Als Pedro Costa am Samstagabend den Goldenen Leoparden in Empfang genommen hat, war dies zugleich eine Rückkehr des portugiesischen Regisseurs nach Locarno. Der heute 60-Jährige gewann bereits 2014 mit «Cavalo Dinheiro» einen Silbernen Leoparden für die beste Regie.

Für «Vitalina Varela» nun also der Hauptpreis. Die Auszeichnung sei eine einstimmige und unbestrittene Jury-Wahl gewesen, sagte die Leiterin der Internationalen Jury, die französische Filmemacherin und Schriftstellerin Catherine Breillat bereits am Nachmittag vor den Medien. Der überragende Film verdiene über den Gewinn des Leoparden hinaus einen Platz im kulturellen Erbe des weltweiten Kinos.

Der langsame und fast ausschliesslich in der Dunkelheit gedrehte Film besticht durch einen geradezu magischen Bilderrausch und die herausragende Leistung der Protagonistin. Im Mittelpunkt steht die 55-jährige Kapverdin Vitalina Varela, die lange auf die Reise nach Portugal warten musste, nur um dann zu spät zu kommen. Drei Tage nach der Beerdigung ihres Mannes entsteigt sie dem Flugzeug. Ihr bleibt nichts anderes, als sich der tristen Realität im Armenviertel zu stellen. Varela erhielt für ihre schauspielerische Leistung den Leoparden für die beste Darstellerin.

Regie-Leopard für Tanzfilm

Mit dem Spezialpreis zeichnete die Jury das Drama «Pa-go» (Height of the Wave) vom Südkoreaner Park Jung-bum aus. Darin trifft eine Polizistin, die vom Festland auf eine Insel versetzt wurde, auf eine junge Frau, die von Dorfbewohnern missbraucht wird.

Der Leopard für die beste Regie geht an den Franzosen Damien Manivel für «Les enfants d' Isadora». Der ehemalige Tänzer zeigt darin die universelle Kraft der Kunstform anhand der Choreographie «Mother», der mütterlichen Umarmung von Isadora Duncan aus dem Jahr 1921 nach dem Unfalltod ihrer Kinder.

Der Schauspieler Regis Myrupu erhielt den Leoparden für den besten Darsteller, für seine Hauptrolle im Spielfilm «A Febre» der Brasilianerin Maya Da-Rin. Myrupu spielt in dem Film einen von einem unerklärlichen Fieber befallenen indigenen Sicherheitsmann.

Mit einer besonderen Erwähnung bedachte die internationale Jury zwei weitere Filme: die indonesisch-malayisch-französische Produktion «Hiruk-Pikuk si al-kisah» (The Science of Fictions) sowie das italienisch-argentinische Drama «Maternal» über Teenager-Mütter in einem von Nonnen geführten Heim in Buenos Aires.

Keine Berücksichtigung fand der einzige Schweizer Vertreter im internationalen Wettbewerb: das Drama «O Fim do Mundo» des Westschweizers Basil Da Cunha über eine Jugendgang im Lissaboner Slumquartier Reboleira.

Preise für Nachwuchs-Filmer

In der Sektion Cineasti del presente, dem zweitwichtigsten Wettbewerb des Festivals, geht der Hauptpreis an «Baamum Nafi» von Mamadou Dia. Für seinen Spielfilmerstling über einen Bruderzwist erhielt der Senegalese zudem den Swatch First Feature Award, mit welchem der beste Debütfilm prämiert wird.

Den Preis für die beste Nachwuchsregie erhält der Algerier Hassen Ferhani für «143, rue du désert». Der Spezialpreis der Jury der Sektion Cineasti del presente ging an «Ivana cea Groaznica» von Ivana Mladenovic. Mit dem Wettbewerb für Erstlings- und Zweitlingswerke bietet das Locarno Filmfestival eine Plattform für aufstrebende Filmemacher.

Publikumspreis für «Camille»

Ausserhalb des Leoparden-Wettbewerbs ging der Publikumspreis für die auf der Piazza Grande gezeigten Filme an «Camille». Regisseur Boris Lojkine erzählt in dem Film die wahre Geschichte der Fotoreporterin Camille Lepage, die 2014 in der Zentralafrikanischen Republik auf einer Reportagereise ermordet worden war.

Damit fiel auch beim Publikum ein schweizerischer Beitrag durch: «Die fruchtbaren Jahre sind vorbei» von Natascha Beller ging leer aus. Der temporeiche Streifen rund um den obsessiven Kinderwunsch einer 35-Jährigen startet am 29. August in den Deutschschweizer Kinos.

Zahlenmässig zeigten sich die Verantwortlichen mit dieser 72. Ausgabe des Festivals in einer Bilanzmeldung vom Sonntag zufrieden. Während der elf Tage besuchten 157'500 Filmfans Locarno; das waren 1,2 Prozent mehr als im Vorjahr. Insgesamt 246 Filme wurden an 432 Vorführungen gezeigt.

Lili Hinstin, die als künstlerische Leiterin seit letztem Dezember im Amt ist und damit erstmals bei der Verleihung der Leoparden auf der Bühne der Piazza Grande stand, lässt sich in der Mitteilung zitieren: «Nach diesen gemeinsamen elf Tagen stellen wir fest, dass das Kino auch heute noch Mittel zur Bewusstseinsfindung sein kann und uns dazu bringt, an grosse Utopien zu glauben.»

Das nächste Locarno Filmfestival soll vom 5. bis 15. August 2020 stattfinden. (sda/cbe)

 



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