29.10.2017

Peter Spuhler

«Ich habe weder Zeit noch Lust, Golf zu spielen»

Der Vorzeigeunternehmer Peter Spuhler zieht sich aus der operativen Leitung von Stadler Rail zurück. Im Interview spricht er über den Generationenwechsel bei seiner Firma – und über eventuelle politische Ambitionen.
Peter Spuhler: «Ich habe weder Zeit noch Lust, Golf zu spielen»
Gilt als Vorzeigeunternehmer: Der 59-jährige Peter Spuhler. (Bilder: Marc Wetli)
von Matthias Ackeret

Herr Spuhler, es war wohl nicht ganz zufällig, dass Sie Ihren Rücktritt als CEO von Stadler praktisch gleichzeitig mit der Wahl von Ignazio Cassis zum Bundesrat bekannt gaben…
Doch, das war Zufall. Die Suche nach meinem Nachfolger war ein langer Prozess und erstreckte sich über mehrere Monate. Wir führten eine Short-­ und eine Longlist möglicher Kandidaten, machten Interviews und diskutierten meine Nachfolge im Verwaltungsrat. Die Verwaltungsratstermine haben wir bereits vor zwei Jahren fixiert. Damals wussten wir noch nicht, dass Herr Burkhalter dem Bundesrat den Rücken kehren will.

Trotzdem dürfte es Ihnen schmeicheln, wenn alle sagen, Peter Spuhler wäre ein idealer Bundesrat…
Natürlich freut es mich, dass mir dieses Amt zugetraut wird, doch zuerst müsste mich das Parlament auch noch wählen.

Aber die Versuchung war nie da?
Nein.

Nicht eine Tausendstelsekunde?
Nein, wirklich nicht – obwohl es mir niemand glaubt (lacht). Ich glaube nicht, dass ich ein idealer Exekutivpolitiker wäre. Zudem wäre ich als SVP­-Politiker mit grosser Wahrscheinlichkeit meist in der Minderheit. Ich täte mich schwer, Entscheide vertreten zu müssen, die ich innerlich ablehne. Der zweite Punkt bezieht sich auf das Unternehmen: Man kann zwar als Bundesrat seine Firma behalten, muss aber alle Funktionen abgeben. Trotzdem ergäben sich mit grösster Wahrscheinlichkeit schon bald Interessenkonflikte. Stellen Sie sich vor, ich müsste als Uvek-Chef oder Finanzminister über eine SBB-­Ausschreibung mitentscheiden. Die Presse würde sich relativ schnell auf mich einschiessen. Es wäre ein Desaster. Wie ich Politik verstehe, hätte ich also keine andere Wahl und müsste bei einer Bundesratswahl meine Firma verkaufen. Doch dieser Preis wäre mir zu hoch.

Einen Bundesrat Spuhler wird es also nicht geben…
Einen Bundesrat Spuhler wird es nicht geben.

Und einen Ständerat Spuhler?
Die Frage stellt sich für mich zurzeit nicht, da es keine Vakanz gibt. Der Thurgau hat mit Roland Eberle einen hervorragenden SVP­-Ständerat. Dass ich per 1. Januar 2018 die operative Führung abgebe, hat keine politischen Gründe. Ich stehe jetzt seit dreissig Jahren in der operativen Verantwortung von Stadler, 2019 werde ich sechzig Jahre alt. Für mich ist jetzt ein sehr guter Zeitpunkt, mich auf das Verwaltungsratspräsidium zu konzentrieren.

Was heisst das?
Ich habe seit 1987 die Doppelfunktion als Group-CEO und Verwaltungsratspräsident inne, zusätzlich war ich während einiger Jahre auch noch Chef der Division Schweiz und CEO von Bussnang. Während der letzten Jahre habe ich mich Schritt für Schritt von dieser Verantwortung gelöst. Als Verwaltungsratspräsident werde ich in Zusammenarbeit mit dem Verwaltungsrat und der Konzernleitung die Strategie des Unternehmens festlegen. Momentan verhandle ich über zwei grosse Joint Ventures, wobei eines Indien betrifft. Es ist mir aber wichtig, dass ich dem neuen CEO, Thomas Ahlburg, nicht ständig im Weg stehe. Deswegen verlege ich mein Büro von Bussnang nach Frauenfeld.

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Das heisst, aus dem Tagesgeschäft ziehen Sie sich zurück…

Ja.

Und das können Sie?
(lacht) Fragen Sie mich in einem Jahr nochmals.

Aber stellt sich für Ihre Nachfolger nicht das Problem, dass die Auftraggeber immer Peter Spuhler sehen wollen?
Nein, das denke ich nicht. Wir haben in unseren Divisionen sehr gute Führungskräfte an der Spitze, die einen ausgezeichneten Job machen. Selbstverständlich kann es vorkommen, dass ein Regierungschef einmal den CEO der Stadler­-Gruppe oder nun eben den Verwaltungsratspräsidenten sehen will. Das ist auch gut so – sonst müsste ich doch noch anfangen Golf zu spielen.

Ist das Ihre Absicht?
(lacht) Nein, dazu habe ich weder Zeit noch Lust.

Unter Ihrer Ägide ist Ihre Firma während der letzten 30 Jahre von 18 auf über 7000 Mitarbeiter angewachsen. Wie lautete Ihr Führungsprinzip?
Ich glaube nicht, dass man Führung lernen kann. Entweder hat man es in der DNA oder nicht. Was man im Laufe seines Berufslebens gewinnen kann, ist Erfahrung.

Aber es dürfte doch ungleich schwieriger sein, einen Betrieb mit Tausenden von Mitarbeitern zu führen, als ein KMU…
Bei einem KMU sind die finanziellen Mittel limitiert. Das bedeutet, dass der Unternehmer viele Aufgaben selbst ausführen muss. Mit zunehmender Grösse entsteht die Möglichkeit, die Führungsverantwortung auf mehrere Schultern zu verteilen. Daher habe ich die Anfänge meiner unternehmerischen Laufbahn als mindestens so anspruchsvoll empfunden wie die Führung eines internationalen Konzerns.

Was war rückblickend der grösste Schritt in der Unternehmensgeschichte?
Sicherlich die Entwicklung unseres ersten Serienfahrzeugs, des Gelenktriebwagens GTW. Das war Ende der Neunzigerjahre. 1997 übernahmen wir von Schindler den Waggonbereich der Flug­- und Fahrzeugwerke Altenrhein, ein Jahr später erwarben wir von Sulzer den Zahnradbereich der ehemaligen Schweizerischen Lokomotiv­ und Maschinenfabrik (SLM) in Winterthur. 2001 gründeten wir in Pankow bei Berlin unsere erste Auslandsfirma. Und so ging es Schritt für Schritt weiter. Heute sind wir weltweit an 14 Produktionsstandorten in sieben Ländern tätig. Hinzu kommen über dreissig Servicestandorte.

Hatten Sie nie das Gefühl, das Ganze könnte Ihnen einmal über den Kopf wachsen?
Nein, dieses Gefühl darf selbstverständlich nicht aufkommen. Trotzdem habe ich bis heute grössten Respekt vor meiner Aufgabe. Die Entwicklung unseres Unternehmens fand nicht an einem einzigen Tag statt, sondern er­streckte sich über dreissig Jahre. Wichtig ist es, eine Führungsstruktur zu schaffen, die mit den besten Mitarbeitern besetzt ist. Es gibt immer irgendwo ein Problem zu lösen. Kaum hat man dieses im Griff, steht das nächste an.

Was ist Ihr grösstes Problem momentan?
Wir kämpfen nach wie vor mit den Währungsverwerfungen. Im November 2011 ging es los, kurz danach verliess ich das Parlament, um mich verstärkt auf das Unternehmen konzentrieren zu können. Im Januar 2015 hob die Nationalbank die Untergrenze für den Franken auf. Das löste eine Schockwelle aus, die uns massiv forderte. Wir verloren in Holland einen Auftrag über 300 Züge knapp an Alstom, weil wir aus der Schweiz heraus acht Prozent teurer waren. Heute, zweieinhalb Jahre später, können wir aber mit gutem Gefühl sagen, dass wir die Kurve gekriegt haben. Die Sanierung von Rieter, bei der ich beteiligt bin, war auch nicht ganz einfach. Das Gleiche gilt für die Fusion des Schweizer Landmaschinenherstellers Aebi, dessen Hauptaktionär ich bin, mit der Schmidt­-Gruppe. Es macht mir Spass, ein Unternehmen, das nicht optimal läuft, zu sanieren und wieder an die Spitze zu bringen.

Nochmals eine politische Frage: Sie haben sich vor drei Jahren gegen die Masseneinwanderungsinitiative Ihrer Partei gestellt. Sind Sie zufrieden mit deren Umsetzung?
Ich war im Jahr 2014 gegen die Masseneinwanderungsinitiative, weil für mich eine Kündigung der bilateralen Verträge nicht infrage kommt. Ich war der Ansicht, dass man die ganze Frage hätte intern lösen müssen. Sowohl die Initiative als auch der Gesetzesentwurf hätten bei einer bestimmten Nettozuwanderung und Arbeitslosigkeit den Bundesrat verpflichten müssen, eine Kontingentierung einzuführen. Obwohl es in Brüssel zuerst einen Aufschrei gegeben hätte, wäre das Problem weitgehend gelöst. Die jetzige Lösung ist unbefriedigend. Man muss akzeptieren, dass das Volk die Initiative – wenn auch knapp – angenommen hat. Deren Umsetzung durch das Parlament war ein
Trauerspiel und kreierte einen Papiertiger, der für die Unternehmen einen enormen Aufwand bedeutet, am Ende aber nichts bewirkt.

Gab es ein Schlüsselerlebnis, das Sie dazu bewogen hat, als Stadler-CEO zurückzutreten?
Ich habe mich bereits vor drei bis vier Jahren mit dieser Frage beschäftigt. Das war ein langfristiger Prozess. Ich habe mich in der Vergangenheit mit verschiedenen Unternehmern, unter anderem auch mit Christoph Blocher, über diese Frage unterhalten. Wichtig ist, dass man den richtigen Moment gegen innen und aussen nicht verpasst. Der Generationswechsel hat bei uns vor Jahren begonnen. Zuerst wurde die Geschäftsführung in Deutschland verjüngt, letztes Jahr hat mit Raphael Widmer ein neuer Group CFO an­ gefangen, jetzt bin ich an der Reihe. Allerdings bin ich nicht weg: Ich werde mich weiterhin mit voller Kraft für Stadler einsetzen. Stadler ist und bleibt mein Baby.


Peter Spuhler ist 1959 in Spanien geboren. 1989 übernahm er die Stadler Fahrzeuge AG und struktuierte die Firma zu Stadler Rail um. Von 1999 bis 2012 war er ausserdem für die SVP Thurgau im Nationalrat.

Das ausführliche Interview mit Peter Spuhler lesen Sie in der aktuellen «persönlich»-Ausgabe.



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