06.11.2016

Claude Cueni

«Ich kritisiere nicht den Islam, sondern den Islamismus»

Er war noch nie an den Solothurner Literaturtagen eingeladen und bekam noch nie einen Literaturpreis: In seinem neusten Roman Godless Sun setzt sich der Basler Claude Cueni mit einem Tabuthema auseinander: der Immigration und dem Kampf der Religionen. Ein Gespräch.
Claude Cueni: «Ich kritisiere nicht den Islam, sondern den Islamismus»
Ist nun in den «Betriebsferien»: Claude Cueni. (Bild: zVg.)
von Matthias Ackeret

goodlesssun

Herr Cueni*, Sie haben mit Godless Sun einen – sagen wir einmal – islamkritischen Roman geschrieben. Sind Sie der Schweizer Houellebecq?
Der Deutschlandfunk hat gestern behauptet, Godless Sun sei das deutschsprachige Pendant zu Houellebecqs Roman Unterwerfung. Wir haben lediglich das gleiche Grundthema. Godless Sun ist in erster Linie ein religionskritisches Drama, ein Buch über Aberglauben und Religion. Ich kritisiere nicht den Islam, sondern den Islamismus. Ich habe ja selber muslimische Kollegen, aber ihre Frauen sind nicht verschleiert, und ihre Kinder tanzen den Schulbehörden nicht auf der Nase herum. Das ist die Normalität in der Schweiz, die Mehrheit führt ein ganz normales Leben wie Christen und Juden auch. Meine Kritik bezieht sich auf den politischen Islam, wie er von den Salafisten in Saudi-Arabien gepredigt und über ein Netz von gesponserten Moscheen exportiert wird. Bei uns wird diese totalitäre Religionsideologie nur von einer Minderheit gutgeheissen.

Sie beschreiben, was doch ungewöhnlich ist, in Romanform die aktuelle Flüchtlingskrise und die Auswirkungen auf die Gesellschaft. Wann haben Sie sich entschieden, einen Roman darüber zu schreiben?
Ich habe Ende 2014 mit dem Roman begonnen. Ursprünglich war es die Geschichte eines Atheisten, der ein Buch über die Entstehung der Religiosität schreibt. Die Migrationskrise hat sich von selbst in den Plot eingefädelt, denn ein Atheist auf Vortragsreise gerät zwangsläufig in Konflikt mit religiösen Extremisten. Auch Houellebecq wollte ursprünglich einen anderen Roman schreiben und änderte aufgrund der Aktualität den Plot.

Sie sind sehr skeptisch, dass die Integration dieser Flüchtlinge gelingen wird. Worauf beruht diese Skepsis?
Es ist nicht möglich, innert kurzer Zeit so viele Menschen aus patriarchalischen Kulturen aufzunehmen und zu integrieren. Wieso sollten sie sich integrieren, wenn bereits so viele Landsleute in der neuen Heimat sind? Wozu sollten sie die Sprache lernen, wenn sie auch in einer Parallelgesellschaft überleben können? Meine Mutter war Jurassierin. Sie hat vierzig Jahre in Basel gewohnt und sich nie integriert, weil sie nicht wollte und weil es auch nicht notwendig war. Sie verabscheute die deutsche Sprache und hatte nur Kontakt zu Jurassiern.

Aber hat das etwas mit der aktuellen Krise zu tun?
Das Berliner Institut für Bevölkerungsentwicklung hat ausgerechnet, dass in den nächsten 13 Jahren in den Herkunftsländern der Migranten zusätzlich 100 Millionen Menschen leben werden. Von der jetzigen Bevölkerung wollen bereits 25 Prozent nach Westeuropa. Wie soll das gehen? Es ist unsere humanitäre Pflicht, Menschen aus Kriegsgebieten aufzunehmen, das ist unbestritten, aber das sind nicht einmal zehn Prozent der Migranten. Die übrigen sind Wirtschaftsmigranten auf der Suche nach einem besseren Leben. Das ist verständlich, aber nicht realisierbar. Erschwerend kommt hinzu, dass wir Antisemitismus, Frauenverachtung, Judenhass, religiösen Extremismus und ethnische Konflikte importieren. Das erträgt weder das Sozialsystem noch die Gesellschaft. Die politische Mitte wird nach rechts verschoben. Peter Scholl-Latour schrieb einmal: «Wer halb Kalkutta bei sich aufnimmt, rettet nicht Kalkutta, sondern der wird selbst Kalkutta.» Angela Merkel hat einen historischen Fehler begangen. Für eine Korrektur ist es zu spät. In der Antike konnte man mit dem Anführer einer Völkerwanderung verhandeln, heute haben wir es mit Millionen von Individualisten zu tun, die mit ihrem Mobile unterwegs und perfekt vernetzt sind. Etliche haben den 52-seitigen Guide des euro-afrikanischen Netzwerks Welcome to Europe in ihrem Rucksack. Ich habe das Handbuch gelesen: Hervorragend gemacht, es ist eine minutiöse Anleitung dafür, wie man mit falschen Angaben Asyl erschleicht. Und wenn Sie jetzt noch die Geburtenzahlen der verschiedenen Nationalitäten mit den europäischen vergleichen, ahnen Sie, dass Merkel die Saat für unruhige Zeiten gelegt hat. Die ethnischen Konflikte, die heute in den Flüchtlingslagern ausgetragen werden, werden in den nächsten Jahren die Strasse erreichen. Das haben die europäischen Sicherheitsbehörden bereits nach dem Mauerfall prognostiziert. Aber die Politik wollte es nicht hören. 

Wie gesagt, behandeln Sie mit Godless Sun ein politisch unkorrektes Thema, nämlich die Auswirkungen der multikulturellen Gesellschaft. Spürten Sie bereits negative Reaktionen oder Boykottandrohungen?
Ich habe nichts gegen multikulturelle Gesellschaften. Zwei Drittel meiner Freunde und Bekannten sind Ausländer, meine Muttersprache ist Französisch, zu Hause rede ich Englisch, ich schreibe auf Deutsch, meine Frau ist Philippinerin und meine Schwiegertochter Chinesin. Aber zu ihrer Frage: Dass nur gerade zwei Lesungen zustande kamen, ist sicher ungewöhnlich, aber wir leben in einem freien Land; jeder Buchhändler kann einladen, wen er mag. Ich habe damit kein Problem, am Ende entscheiden die Leserinnen und Leser. 

Muss ein Schweizer Autor, um erfolgreich zu sein, eher eine linke Gesinnung haben?
Würden wir die Formel für den Erfolg kennen, hätten wir ja alle Erfolg, und keiner würde den anderen übertrumpfen. Somit wären alle gleich erfolglos. Aber es ist sicher auch so: Wenn man sich aus der Zwangsjacke des linkspopulistischen Mainstreams befreit und eine eigenständige Meinung entwickelt, gibt es ein paar zusätzliche Hürden zu meistern. Das ist mit wirtschaftlichen Nachteilen verbunden. Ich bin ein Freund des demokratischen Rechtsstaates. Aber wenn man sich für Rechtsgleichheit oder die korrekte Umsetzung von demokratischen Volksentscheiden einsetzt, wird man bereits in die rechte Ecke geschubst. Das muss man aushalten.

Ihr Buch hatte im Vorfeld sehr gute
 Kritiken. Hat dies Auswirkungen auf
 das Leserverhalten?
Ich bekomme mehr Mails. Etliche Kulturschaffende teilen meine Meinung, aber sie würden sie nie öffentlich äussern. Das ist okay, ich werde niemanden outen. Aber wenn eine Gesellschaft Fortschritte erzielen will, muss sie Probleme beim Namen nennen und öffentlich und kontrovers diskutieren. Diffamierungen von Andersdenkenden behindern diesen notwendigen Prozess. Aufklärung und Französische Revolution wären mit der neuen Political Correctness wohl nicht möglich gewesen.

Gesundheitlich geht es Ihnen besser, nachdem Sie lange Jahre an Leukämie erkrankt waren. Wie fühlen Sie sich momentan?

Die von den fremden Knochenmarkzellen verursachten Organabstossungen sind irreversibel, aber ich bin zufrieden mit meinem neuen Leben. Zermürbend sind die Nervenschmerzen in den Finger- und Zehenspitzen, der Kopf sprüht vor Ideen, die Finger streiken. Script Avenue hatte 640 Seiten, Pacific Avenue 430, Godless Sun noch 370, und mein nächstes Werk ist vielleicht ein Einkaufszettel für den Coop.

Schreiben Sie bereits wieder an
einem neuen Buch?

Ich habe Betriebsferien. Ich hatte mir geschworen: Wenn ich das alles wider Erwarten überlebe, besuche ich den Geburtsort und das Grab meiner Romanfigur John Law. Diese historische Figur hat mich motiviert, nie aufzugeben.




*Claude Cueni (60) brach die Schule ab, um Schriftsteller zu werden. Er hatte viele Brotjobs, unter anderem als Werbetexter bei GGK Basel und cR Basel. Er schrieb über fünfzig Drehbücher (u. a. für Tatort und Eurocops). Für seine Firma Black Pencil entwickelte er die ersten Telefonie-Spiele in Europa. Er entwickelte zwei Dutzend Casual Games, darunter den Welthit Catch The Sperm. Mit seinen Romanen Das grosse Spiel, Script Avenue oder Pacific Avenue schaffte er es in die Bestsellerliste. Sein neuester Roman Godless Sun handelt von der Religion, dem Aberglauben und der Islamisierung. Der Roman ist im Offizin-Verlag, Zürich, erschienen.

Was sagt Claude Cueni sonst noch zu seiner Karriere als Texter und seiner Autobiografie Script Avenue? Lesen Sie das vollständige Interview. Sie finden es in der aktuellen Print-Ausgabe vom «persönlich»-Magazin.



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