Herr Kistler, die Weltlage ist momentan sehr unsicher, trotzdem bricht die Schweizer Börse nicht ein. Was bedeutet dies?
Lärm und Risiken gehören zum Börsengeschehen. Entscheidend ist immer der langfristige Ausblick der Unternehmensgewinne. Diesbezüglich sieht es keineswegs schlecht aus. Noch nie in der Geschichte war die globale Unternehmenswelt derart gut und ertragsstark geführt wie heute.
Lohnt es sich in der Jetztzeit noch, in Aktien zu investieren?
Unbedingt, man sollte immer investiert sein. Aktien sind das sicherste und renditestärkste Anlagemittel überhaupt. Es gibt keinerlei Anzeichen dafür, dass sich dies in den nächsten Jahren oder Jahrzehnten ändern könnte.
Überall warnt man vor einem grossen Crash. Sehen Sie diese Gefahr auch?
Die latente Gefahr für negative Überraschungen und massive Börsenrückschläge besteht immer. Aber die Geschichte zeigt, dass solche Einbrüche retrospektiv immer Kaufgelegenheiten darstellen und im langfristigen Vergleich nicht relevant sind, weil die darauffolgenden Erholungen stets signifikant stärker waren.
Warum glauben Sie so fest an den Erfolg von Aktien?
Die wichtigste Wirtschaftskraft ist: Der Mensch und die Firmen streben immer nach oben. Wissen verbreitet sich stets, der globale Wohlstand ebenfalls. Trotz schlimmsten Kriegen, massiven Krisen und Pandemien hat sich der Schweizer Börsenwert in den letzten 100 Jahren um den Faktor 1500 vervielfacht. Allein in den letzten 35 Jahren haben sich Schweizer Aktien im Wert verdreizehnfacht. Die Kraft der Zinseszinsen wirkt sich für den Aktionär langfristig immer fantastisch aus.
«Ich habe mich in den letzten 54 Jahren wohl schon viele Dutzend oder gar über hundert Mal geirrt»
Welche Fehler machen Anleger am häufigsten?
Anleger denken oft zu kurzfristig und haben zu viel Angst vor Aktien; sie kaufen deshalb renditeschwache Anleihen oder teure Bankprodukte. Viele Anleger verwechseln Investieren mit Spekulieren oder Schwankungsrisiken mit Verlustrisiken. Vor allem Pensionskassen mit ihrem sehr langen Anlagehorizont sollten, neben einer Liquiditätsreserve, 100 Prozent ihrer Mittel in erstklassige Aktien investieren. Aber sachfremde Vorschriften und Irrungen erlauben das nicht. Schweizer Anleger investieren zudem zu oft in fremde Währungen. Auch deutsche Anleger sollten in Schweizer Franken statt in Euro investieren.
Haben Sie sich auch schon geirrt – und wenn ja: bei welchen Aktien?
Ich habe mich in den letzten 54 Jahren wohl schon viele Dutzend oder gar über hundert Mal geirrt. Entscheidend ist jedoch, dass man sich von Firmen mit grundlegend enttäuschenden Aussichten wieder trennt. Im Depot sollen sich nur Aktien von Unternehmen mit erstklassigen Aussichten befinden.
Sie beschäftigen sich seit Ihrem 16. Lebensjahr mit Aktien. Was war für Sie der Auslöser?
Ich machte die kaufmännische Lehre bei einer Bank. Sofort hat mich die Möglichkeit fasziniert, über Aktien in reale Unternehmen zu investieren. Das war für mich wie ein Wettbewerb, das war spannender als Fussball.
Mögen Sie sich an Ihre erste Investition erinnern?
Ja, das war 1971, ich kaufte Aktien der amerikanischen Litton Industries – also einfach das, was die meisten Bankkunden auch kauften. Es war kein erfolgreiches Investment. Die Siebziger waren schwierige Börsenjahre.
Sie gelten als einer der erfolgreichsten Vermögensverwalter der Schweiz. Wie viel Geld muss man mitbringen, damit man Kunde bei Ihnen wird?
Bei Albin Kistler kann man ab einem Betrag von 0,5 Millionen Franken Kunde werden.
«Das Buch hat das Potenzial, zu einem veritablen Klassiker zu werden»
Sie haben mit «Aktien – Souverän investieren» soeben einen Bestseller verfasst. Was war der Grund für dieses Buch?
Es ist mir ein grosses Bedürfnis, die wunderbare Aktienwelt einer breiteren Bevölkerungsschicht näherzubringen. Mit Aktienanlagen wird man quasi vom Arbeitnehmer zum Arbeitgeber und partizipiert direkt an den Fortschritten und Erträgen der Unternehmen. Die von mir mitgegründete Albin Kistler AG feiert dieses Jahr ihr 30-jähriges Bestehen. Wir durften für unsere Kunden in dieser Zeitspanne Erträge von mehreren Milliarden Franken erwirtschaften. Was gibt es Schöneres für einen Unternehmer?
Welche Reaktionen erhalten Sie von Ihren Leserinnen und Lesern?
Es freut mich ausserordentlich, dass mein Buch innert kurzer Zeit zum Bestseller wurde und nun bereits die zweite Auflage im Druck ist. Die Leserschaft schätzt vor allem die Verständlichkeit und Klarheit der Aussagen. Es war höchste Zeit, dass ein wirklich anwendbares Schweizer Aktienbuch auf den Markt kommt.
Würden Sie Ihr Buch nach diesen Reaktionen noch ergänzen oder bestimmte Seiten anders schreiben?
Nein, ich würde keinen einzigen Satz ändern. Das Buch hat das Potenzial, zu einem veritablen Klassiker zu werden. Nicht nur jede Anlegerin und jeder Anleger sollte das Buch lesen, sondern vor allem auch junge Menschen. Jede Person, die sich langfristig finanziell absichern will, wird ihr Ziel erreichen, falls sie die im Buch beschriebenen Grundsätze befolgt.
Das ausführliche Interview mit André Kistler lesen Sie in der persönlich-Printausgabe vom Oktober.

