09.11.2021

Luzerner Tagblatt

Legendäre Zeitung wachgeküsst

Emanuel Ammon präsentiert ein Buch über das legendäre Blatt, Ausbildungsstätte vieler berühmter Journalisten.

Am Montag hat der Luzerner Fotograf und Verleger Emanuel Ammon in Emmenbrücke sein neuestes Werk präsentiert. Es ist ein Blick zurück, grossformatig und reich illustriert: Der 70-jährige Ammon widmet sein neuestes Buch zusammen mit 15 rückblickenden Autoren und zwei Autorinnen der längst verblichenen liberalen Tageszeitung «Luzerner Tagblatt», die von 1852 bis 1991 erschien. Alle haben kürzer oder länger an der Baselstrasse 11 gelernt und gearbeitet, als «Jagdhunde», Journalisten, Redaktoren.

Von Mord bis Modeschau …

Ihre Reportagen – über die Lozärner Fasnacht , die Eröffnung des Seelisberg- und des Gotthardtunnels, Spuk- und Geistergeschichten, aber auch alltägliche Begebenheiten, von Mord bis Modeschau, Fussball, Pfadi-Übungen – lesen sich auch Jahrzehnte später noch spannend, anrührend, mitreissend.

tagblatt_titel_v2

Vom Drucker und Verleger Xaver Meyer von Schauensee als politisch neutrales Anzeigeblatt angeleiert, mauserte sich das Luzerner Tagblatt zur führenden, aber nie rentablen liberalen Tageszeitung der Zentralschweiz. Die Defizite wurden durch die Überschüsse der Druckerei sowie durch Mäzene wie Alfred Ackermann (Tuchversand Entlebuch) und die Publicitas gedeckt. Letztere brachte das Kunststück fertig, die politisch verfeindeten Titel «Vaterland» (katholisch-konservativ) und «Luzerner Tagblatt» (liberal) zur Inseratengemeinschaft «Tandem« zusammenzukoppeln und damit die marktführende, politisch neutrale «Luzerner Neuesten Nachrichten» (LNN) aus dem Markt zu kegeln. Die «Freie Innerschweiz», das tapfere Sprachrohr der damals politisch unbedeutenden SP, spielte eine Nebenrolle.

Wettbewerb über den Verhältnissen

In den vermeintlich goldenen 60er- und 70er-Jahren war der Wettbewerb zwischen den Luzerner Tageszeitungen heftig und immer über deren Verhältnissen angelegt. Die Auflage des Luzerner Tagblatts lag 1990 bei 38'400 Leserinnen und Lesern (mit drei Regionalausgaben). Ein Jahr später fusionierte es mit dem «Vaterland» zur «Luzerner Zeitung», diese dann 1995 mit den «Luzerner Neuesten Nachrichten» in der «Neuen Luzerner Zeitung».

In Emmenbrücke kam es am Montag zu einem fröhlichen «Klassentreffen» der Ehemaligen vom Tagblatt.

Klangvolle Namen im Talentschuppen

Es kamen viele Profi, die die einst vielfältige Zentralschweizer Presselandschaft als Reporter, Redaktoren und Ideengeber bereichert haben: Jürg J. Aregger Hugo Bischof, Hanns Fuchs, Bruno Gisi, Max Huber, Büsy Lingg, der Kulturjournalist Fritz Schaub, der Sportexperte Bläsi Suppiger. Andere haben auswärts Karriere gemacht: Fritz Muri und Stephan Klapproth (Schweizer Fernsehen), André Häfliger (Ringier-Chefreporter), Karl Lüönd. (Buchautor, er wurde – so wörtlich im Vertrag – als «Jagdhund» angestellt). Ronald Joho-Schumacher ist in die Public Relations (Akomag), Ueli Habegger und Josef Odermatt sind in die Politik emporgesunken. Und der in der Zentralschweiz legendäre «Blick-Seppi» (Josef Ritler) hat sein allererstes Pressebild im Luzerner Tagblatt veröffentlicht. Urs Heller (damals Sportredaktor, heute Geschäftsführer Ringier Zeitschriften Schweiz) kam nicht, schickte aber einen schönen Text über den Mann, der diesen ganzen journalistischen Talentschuppen jeden Tag aufmischte und antrieb: Lokalredaktor Hans-Peter Jaeger, selbst ein aussergewöhnlicher Reporter und Fotograf.

Das üppig ausgestattete Buch bringt authentische Bilddokumente und Arbeitsproben aus einer versunkenen Zeitungswelt. Das ungewöhnliche Grossformat (28 x 38 cm) wurde gewählt, damit auch ganze Zeitungsseiten im Layout der 60er- bis 90er-Jahre lesbar sind.

Text: Esther Scheidegger Zbinden


Emanuel Ammon (Hrsg.): «Luzerner Tagblatt. Eine Mediengeschichte», Aura-Verlag Emmenbrücke, 220 Seiten, 95 Franken.



Kommentar wird gesendet...

Kommentare

Kommentarfunktion wurde geschlossen

Diese Artikel könnten Sie auch interessieren:

Zum Seitenanfang20240426