01.05.2022

Lex Netflix

«Wir hätten einen massiven Standortnachteil»

Filmproduzent Peter Reichenbach von C-Films («Der Verdingbub», «Schellen-Ursli», «Zwingli» und «Platzspitzbaby») über die Änderung des Filmgesetzes, über welches am 15. Mai abgestimmt wird.
Lex Netflix: «Wir hätten einen massiven Standortnachteil»
von Matthias Ackeret

Herr Reichenbach, die Abstimmung über das neue Filmgesetz scheint knapp zu werden. Können Sie sich diese Trendwende erklären?
Das hat sicher mehrere Gründe. Unter anderem gibt es Medienunternehmer, wie beispielsweise die NZZ, welche mit CH Media verbandelt ist, die das Gesetz bekämpfen. Die Gegner haben auch konsequent immer falsche Argumente gestreut, unter anderem, dass es sich um eine Steuer oder eine zusätzliche Filmförderung handle. Es ist aber eben gerade keine Steuer und schon gar keine Filmförderung oder Subvention.

Was ist es dann?
Es ist eine Investitionspflicht für ausländische Fernsehunternehmen oder Streamer. Das heisst, diese Unternehmen sollen nun 4 Prozent ihres Umsatzes, den sie in der Schweiz einnehmen, auch hier wieder investieren. Bisher ist dies alles zu 100 Prozent ins Ausland abgeflossen. Das Geld geht aber nicht in irgendeinen «Filmtopf». Sie entscheiden ganz alleine, in welche Projekte sie dieses Geld investieren wollen. Es ist daher eine reine Wirtschafts-, respektive Standort-Schweiz-Förderung. In Italien müssen sie zum Beispiel 20 Prozent, in Frankreich 26 Prozent investieren. Und der Rest von Europa hat schon oder wird in Kürze mitziehen. Die Schweiz wäre einmal mehr draussen. Dies betrifft nicht einmal in erster Linie die Filmer, sondern KMUs aller Art, wie die Hotellerie, Gastronomie, Handwerksbetriebe und last but not least den Tourismus. Deshalb ist es so unverständlich, dass der Gewerbeverband oder die Junge FDP sich dagegenstemmen. Und das Argument, dass die Abonnements der Streamer verteuert würden, ist ebenfalls absurd. Wir leben doch nicht mehr in der Zeit der «Milchbüechli-Wirtschaft». Heute bestimmen Algorithmen die Preisgestaltung eines Abos. Kaufkraft etwa ist bestimmend.

«Es ist unverständlich, dass der Gewerbeverband sich dagegenstemmt»

Die Vorlage will das einheimische Filmschaffen stärken. Was heisst das konkret?
Bisher konnten Filme und besonders auch Serien eigentlich nur mit der SRG als Koproduzent realisiert werden. Mit dem neuen Filmgesetz würden dank der Investitionspflicht Filme oder Serien mit Streamern oder ausländischen TV-Sendern als Koproduzenten viel leichter möglich sein. Somit würde auch endlich etwas Konkurrenz zur SRG geschaffen werden, wenngleich die SRG natürlich weiterhin der wichtigste Partner für das einheimische Filmschaffen bleiben wird. Und die Schweiz wird auch im Ausland auf den Plattformen präsent sein. Streamer wie Netflix oder Disney wollen die Auswertungs- respektive Ausstrahlungsrechte wenn immer möglich für die ganze Welt haben.

Was bedeutet die Annahme der Vorlage für Ihr Unternehmen C-Films?
Wir haben diverse Projekte, wo wir schon mit Streamern im Gespräch sind. Diese wollen aber erst einmal abwarten, ob sie in der Schweiz investieren müssen. Wenn das Gesetz abgelehnt wird, riskieren wir, dass gewisse Projekte vielleicht realisiert werden, aber nicht hier in der Schweiz, sondern in Ländern, wo sie investieren müssen. Selbst wir, als erfolgreiches Schweizer Filmunternehmen, könnten nicht verhindern, dass die Wertschöpfung unserer eigenen Projekte ins Ausland abwandert.

Was würde es für die Schweizer Filmbranche bedeuten, wenn die Vorlage abgelehnt würde?
Die Schweizer Filmbranche hätte einen massiven Standortnachteil. Und besonders die junge Generation der Filmemacher würde um Jahre zurückgeworfen. Produktionen, die im internationalen Vergleich mithalten könnten, sind schlicht allein mit unseren bisherigen Schweizer Mitteln nicht mehr realisierbar.


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