18.07.2022

Unerwünschte Werbeanrufe

Beschwerden gehen stark zurück

In den letzten sieben Jahren haben die Beschwerden um über 80 Prozent abgenommen, wie eine Studie zeigt. Waren es im Jahr 2015 noch fast 28'000 Beschwerden, gab es im ersten Halbjahr 2022 nur noch 2714 Meldungen.

Die Anzahl Beschwerden über Werbeanrufe trotz Sterneintrag im Telefonbuch, die beim Staatssekretariat für Wirtschaft (SECO) eingehen, haben in den letzten Jahren deutlich abgenommen. Dies zeigt eine Studie, wie die Stiftung für Konsumentenschutz in einer Mitteilung schreibt. Waren es im Jahr 2015 noch fast 28'000 Beschwerden, gingen diese kontinuierlich zurück. Im ersten Halbjahr 2022 gab es nur noch 2714 Meldungen – hochgerechnet auf das ganze Jahr rund 5500. «In den letzten sieben Jahren haben sich die Beschwerden über unerwünschte Werbeanrufe um über 80 Prozent reduziert», lässt sich Nadine Masshardt, Präsidentin des Konsumentenschutzes, in der Mitteilung zitieren.

Seit 2012 sind Werbeanrufe trotz Sterneintrag strafbar. Gestattet seien Anrufe, wenn sich jemand damit einverstanden erkläre oder wenn eine Geschäftsbeziehung vorliege. Die Durchsetzung dieser Bestimmung habe sich jedoch in der Praxis als schwierig erwiesen. «Viele Callcenter operieren vom Ausland aus, was die Strafverfolgung erschwert. Zudem kann man sie oft gar nicht identifizieren, weil sie unter Angabe einer falschen Nummer anrufen», so Masshardt weiter.

Ruhe dank Werbeanruf-Filtern

Angesichts der zahlreichen Beschwerden über Werbeanrufe organisierte die Allianz der Konsumentenschutz-Organisationen (Konsumentenschutz, FRC und ACSI) 2015 einen runden Tisch mit den Telekom-Anbietern, dem Bund sowie CallNet, dem Branchenverband der Callcenter. Dabei schlug der Konsumentenschutz im Kampf gegen illegale Werbeanrufe unter anderem den Einsatz von Werbeanruf-Filtern vor, wie es weiter heisst. Pioniere in diesem Bereich waren die beiden Anbieter Net+ und VTX, die damit gute Erfahrungen gesammelt hätten.

Werbeanruf-Filter würden ähnlich funktionieren wie E-Mail-Spam-Filter. Unerwünschte Werbeanrufe würden bereits vom Telekom-Anbieter blockiert und gar nicht mehr zu den Kundinnen und Kunden durchgestellt. Je nach Ausgestaltung der Software könnten auch die Angerufenen selbst «besonders lästige» Callcenter sperren. Nicht gesperrt werden Callcenter, die sich an die gesetzlichen Regelungen halten.

Was die Anbieter gegen unerwünschte Anrufe tun

Swisscom setzte die Idee Ende 2016 mit der Lancierung des «Callfilters» für ihre Festnetz-Kunden um, wie es weiter heisst. Laut Swisscom blockiert der Filter täglich über 200'000 unerwünschte Anrufe. Dies spiegelte sich auch bei den Beschwerden wider: Sie halbierten sich 2017 beinahe im Vergleich zum Vorjahr. Ende 2017 stellte Swisscom den Callfilter auch ihren Handy-Kunden mit Abo zur Verfügung, was nochmals zu einer deutlichen Abnahme der Beschwerden führte.

Der Konsumentenschutz setzte sich laut eigenen Angaben «erfolgreich dafür ein, dass alle Telekom-Anbieter ihren Kunden einen Schutz vor illegalen Werbeanrufen anbieten müssen». Dies sei dank der revidierten Fernmeldeverordnung seit 1. Juli 2021 der Fall. Während Salt und Quickline den Werbeanruf-Filter für alle Kunden eingeschaltet haben, müssten bei Swisscom und Sunrise die Kunden aktiv werden. «Viele Kunden von Swisscom und insbesondere Sunrise wissen noch nicht, dass sie den Werbeanruf-Filter einschalten müssen, um sich vor lästigen Anrufen zu schützen. Es wäre aus Konsumentensicht wünschenswert, wenn diese Filter standardmässig aktiviert sind, denn sie sind das beste Mittel gegen illegale Werbeanrufe und auch Telefonbetrug», so Masshardt weiter.

«Swisscom informiert ihre Kunden auf diversen Kanälen regelmässig darüber, dass sie den Callfilter aktivieren können: im Beratungsgespräch an der Hotline und im Shop, auf Social Media, in unserem Privatkunden-Newsletter, und natürlich auch auf unserer Webseite», sagt Mediensprecherin Sabrina Hubacher gegenüber persoenlich.com. Bereits rund eine Million Kundinnen und Kunden habe den Callfilter für unerwünschte Werbeanrufe aktiviert.

«Sunrise blockiert schon seit 2019 automatisch unlautere Anrufe auf dem Mobil- und Festnetz. Dabei werden Nummern gesperrt, die von Behörden, anderen Telekomanbietern sowie von Kundinnen und Kunden gemeldet werden. Nummern können auch dann automatisch blockiert werden, wenn ab einer Nummer innerhalb sehr kurzer Zeit eine grosse Anzahl Anrufe an Fest- und/oder Mobilnetz-Nummern getätigt wird», sagt Séverine de Rougemont, PR-Managerin bei Sunrise, auf Anfrage von persoenlich.com.

Zum Werbeanruf-Filter heisst es bei Sunrise, dass dieser die Anzahl der unlauteren Werbeanrufe weiter reduziere. Nach erfolgter Aktivierung durch die Kundinnen und Kunden blockiere der zusätzliche Filter automatisch Nummern entsprechend einer kontinuierlich aktualisierten Liste. 

Anpassungen auf Gesetzesebene

Neben der obligatorischen Einführung von Werbeanruf-Filtern gab es 2021 gemäss Mitteilung weitere Verbesserungen auf Gesetzesebene: Seit 1. Januar 2021 brauchen die Konsumenten nicht mehr zwingend einen Sterneintrag, um sich vor unerwünschten Werbeanrufen zu schützen. Es reicht, wenn die Telefonnummer nicht mehr im Telefonbuch eingetragen ist – dies ist vor allem bei Handynummern der Fall. Rechtlich habe dieser Nichteintrag die gleiche Wirkung wie ein Eintrag mit Stern. Zudem könnten seit der Gesetzesänderung nicht nur Callcenter bestraft werden, die den Sterneintrag missachten, sondern auch Unternehmen, die von solchen Anrufen profitieren würden.

«Vor allem Versicherungen und Krankenkassen, die notabene für den grössten Teil der Werbeanrufe verantwortlich sind, müssen seither nun genauer hinschauen, mit welchen Callcentern und Maklern sie zusammenarbeiten», fügt Masshardt an. Die Krankenkassen ihrerseits hätten auf die neue Situation bereits reagiert. Seit 1. Januar 2021 ist eine Branchenvereinbarung in Kraft, die einerseits die Tätigkeit von Vermittlern regelt, andererseits auch verbindliche Standards zu Werbeanrufen setzt. (pd/tim)



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