03.02.2024

Werbeverbot

«Es gibt kein Werbeproblem, aber wir schaffen eines»

Das Berner Stadtparlament fordert ein Verbot kommerzieller Aussenwerbung. Nik Eugster, FDP-Stadtrat und Präsident des lokalen Berufsverbands der Kommunikationsprofis BPRG, sieht Arbeitsplätze in Gefahr und hofft auf Kompromisse bei der Umsetzung.
Werbeverbot: «Es gibt kein Werbeproblem, aber wir schaffen eines»
«Es gibt schon heute strenge Regel für Aussenwerbung in Bern»: Nik Eugster ist gegen ein Verbot (Bild: zVg/Thilo Larsson)

Nik Eugster, rechneten Sie im Vorfeld damit, dass die Forderung nach einem Verbot kommerzieller Aussenwerbung in der Stadt Bern im Parlament eine Mehrheit finden würde (persoenlich.com berichtete)?
Damit war leider zu rechnen. Die Mehrheit von Rot-Grün ist im Parlament so stark, dass eine Annahme der Motion wahrscheinlich war. Mich überraschte der knappe Entscheid für ein Verbot auch mit Blick auf die Abstimmung in Genf nicht, wo die Initiative «Genève Zero Pub» mit nur 52 Prozent Nein-Stimmen abgelehnt wurde.

Sie sagten im Rat, bei einem Verbot gingen Arbeitsplätze verloren. Würde sich die Aussenwerbung nicht einfach in Gemeinden mit liberaleren Bestimmungen verlagern und in private Räume mit öffentlichem Charakter, wie zum Beispiel Einkaufszentren oder Sportstadien?
Wer viele Leute mit seiner Kommunikation ansprechen will, muss in der Stadt werben können. Ausserdem ginge eine Verlagerung in den halb-öffentlichen Raum nicht so einfach, weil die Motion auch ein Werbeverbot auf privatem Grund verlangt. Dementsprechend hätte es einen massiven Einfluss auf die Arbeitsplätze in der Branche.

Wie viele Stellen wären bedroht?
Das kann ich nicht im Detail beziffern. Aber alle grossen Akteure der Aussenwerbung sind in der Stadt Bern präsent, da hängen zig Stellen dran. Auch Leuchtreklamen wären verboten und Westiform in Niederwangen bei Bern ist der Marktführer für Leuchtreklame. Das Unternehmen würde sicher auch tangiert.

«Aussenwerbung hat eine andere Funktion als personalisierte Onlinewerbung»

Aussenwerbung generiert einen starken Streuverlust. Der Trend geht längst hin zu personalisierter Onlinewerbung. Warum an einem veralteten System festhalten?
Es geht um den Werbemix. Aussenwerbung hat eine andere Funktion als personalisierte Onlinewerbung. Aber es braucht beide Formen. Ein Plakat verleitet mich nicht direkt zum Kauf von Produkten, die ich gar nicht will, wie das die Motionärinnen behaupten. Wenn ich aber irgendwann etwas Bestimmtes kaufen will, etwa eine Wanderausrüstung, dann erinnere ich mich ans Plakat von Bächli-Bergsport. Ohne Aussenwerbung könnte ich mich nur an Google-Inseraten orientieren.

Was spricht gegen Google?
Plakate und andere Out-of-Home-Werbung sind offensichtlich eine geschätzte Dienstleistung, darum wird Aussenwerbung ja auch gebucht. Der Vorteil gegenüber Google ist der, dass das Geld in der Schweiz bleibt. Das generiert Löhne, etwa bei Agenturen und Dienstleistern, was wiederum zur lokalen Wertschöpfung beiträgt. Es wäre tragisch, nur weil die eine Werbeform in gewissen Punkten besser ist als die andere, damit gleich ganz aufzuhören.

Die Motionärinnen zeichnen das Bild einer mit Werbung zugekleisterten Stadt. Wie sehen Sie das?
Wenn ich so etwas höre, dann habe ich den Eindruck, dass wir in unterschiedlichen Städten leben. Es gibt schon heute strenge Regeln für Aussenwerbung in Bern. In Wohngebieten ist sie komplett verboten und in der Altstadt gibt es keine Leuchtwerbung. Ich muss auf jeden Fall nicht Slalom laufen, um der Werbung auszuweichen, wie meine linken Ratskolleginnen. Wir stehen in Bern an einem völlig anderen Punkt als in Metropolen, wo es grosse LED-Wände gibt und überall Werbung steht. Früher war das aber auch hier anders und die ganze Stadt mit Werbung volltapeziert, wenn auch nur mit Text. Wir haben kein Werbeproblem, wir machen uns aber gerade eins mit der Annahme dieser Motion.

«Mit einem Werbeverbot löst man kein Klimaproblem»

Ein oft gehörtes Argument, das auch im Stadtrat vorgebracht wurde, ist die Klimaschädlichkeit von Aussenwerbung. Die Stadt Bern strebt «Netto Null» an. Warum halten Sie das Werbeverbot nicht für ein angemessenes Instrument, um dieses Ziel zu erreichen?
Mit einem Werbeverbot löst man kein Klimaproblem. Die Leute würden ihr Konsumverhalten nicht ändern, nur weil es weniger Aussenwerbung gibt. Wenn wir etwas ändern wollen, dann müssen wir bei den Konsumentinnen und ihrem Bewusstsein ansetzen. Werbung ist auch Information. Was kriege ich wo? Wenn ich etwas erschaffe, einen schönen Stuhl, ein feines Menu oder einen coolen Haarschnitt, dann muss ich das dort kommunizieren, wo sich mögliche Kundschaft aufhält.

Aber Aussenwerbung, Plakate und digitale Bildschirme buchen vor allem Grossunternehmen wie Detailhändler oder Telekom-Konzerne und weniger die lokalen KMU.
Man kann mit mir durchaus über die Regulierung der Aussenwerbung diskutieren. Aber hier wurde der Zweihänder ausgepackt. Die von einer Ratsmehrheit für erheblich erklärte Motion verlangt ein Verbot sämtlicher kommerzielle Kommunikation. Da gehört auch die Anschrift am Haus dazu. Die linken Politikerinnen sind sich nicht bewusst, welchen Schaden sie damit anrichten. Es wird eben nicht nur die Grossen treffen. So wie die Motion formuliert ist, trifft es alle. Die Kleinen sogar umso mehr. Die Grossen können locker ausweichen und werden weiterhin gut gesehen.

«Man sollte Sorge tragen zum heimischen Geschäft»

Bern ist nicht die erste Stadt, die sich in diese Richtung bewegt. In Grenoble in Frankreich und auch in ein paar Gemeinden in der Westschweiz gilt ein Aussenwerbeverbot. Wie erklären Sie sich, dass diese Forderung immer öfter aufs Tapet kommt?
Bern ist insofern ein Spezialfall, als dass sie die linkeste Stadt der Schweiz ist. Da war ein solcher Vorstoss zu erwarten. Aber ich habe mässiges Verständnis dafür. Gerade wenn man in der Kommunikationsbranche tätig ist, merkt man, wie gross der Shift in der Werbung hin zu internationalen Konzernen ist. Dann sollte man schon Sorge tragen zum heimischen Geschäft. Das ist halt zum Teil noch analog. Wenn Migros und Coop diese Möglichkeiten auch nutzen wollen, sollte ihnen das erlaubt sein.

Bis zu einem allfälligen Verbot ist es noch ein weiter Weg. Sehen Sie Raum für Kompromisse in dieser Frage?
Ich hoffe, dass es noch Kompromisse gibt. Ich glaube, dass viele, die im Rat nun die Motion unterstützt haben, sich gar nicht bewusst sind, was sie da gemacht haben.

Sie sitzen erst seit Anfang 2024 für die FDP im Berner Stadtrat und haben dank dem Thema Werbeverbot nun gleich die grosse Bühne zu einem ihrer Kernthemen erhalten. So gesehen müssten Sie eigentlich dankbar sein für die Motion.
Es wäre natürlich schöner gewesen, wenn meine Auftritte mit einem Erfolg verbunden gewesen wären. Mir war aber bewusst, dass ich in ein Parlament gehe, wo man als liberale Persönlichkeit Schwierigkeiten hat, Mehrheiten zu finden.


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KOMMENTARE

Christoph Marty
05.02.2024 09:23 Uhr
In der so genannten und oft zitierten aussenwerbefreien Stadt Grenoble stehen 1100 Flächen auf öffentlichem Grund (Haltestellen) und die Stadt hat rund 400 analoge Flächen abgebaut - und mit 50 digitalen ersetzt. Und hat damit die Einnahmen für die Stadt gesteigert. So geht "aussenwerbefrei"
Urs Heinz Aerni
05.02.2024 07:06 Uhr
Wir stehen vor einem Klimakollaps und erleben das grösste Artensterben seit es Menschen gibt. Immer mehr Länder kippen von der Demokratie in nationalistische Diktaturen. Kriege sind wieder ein Dauerthema. Energiebedarf nimmt zu und muss umweltverträglich produziert werden. Aus dem Elend geflohene Menschen brauchen Betreuung, Arbeit und Integration in ein für sie noch fremde Gesellschaft. Verdichtetes Bauen und Stadthitze fordern die Stadtplanung. Und womit beschäftigt sich das Stadtparlament in Bern? Mit der Frage, ob Aussenwerbung verboten werden soll.
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