03.07.2022

Kreativnachwuchs

So fördern Agenturen junge Talente

Wie steht es um die Nachwuchsförderung in der Werbebranche? Was bieten Schweizer Agenturen den jungen Talenten und was müssen diese mitbringen? Webrepublic, Wirz, Jung von Matt Limmat, Sir Mary, Dept und Farner geben Einblicke.
Kreativnachwuchs: So fördern Agenturen junge Talente
Ein Besucher beim Betrachten der eingereichten Arbeiten eines Kreativwettbewerbs. (Keystone/Gaëtan Bally)

Der Nachwuchs von heute ist die Zukunft von morgen. Dies hat auch die Kreativbranche erkannt und setzt auf junge Talente. Die Möglichkeiten, in die Branche einzusteigen, sind vielfältig und von Agentur zu Agentur unterschiedlich.

Bei Webrepublic werden Trainees während sechs Monaten in verschiedenen Marketingdisziplinen geschult. Bei Sir Mary können Praktikanten und Trainees Agenturluft schnuppern. Dept bildet Lehrlinge zu Interactive Media Designern aus und bietet Traineeships und Junior-Stellen im Bereich des Digital Marketings an. Bei Wirz gibt es sechsmonatige Praktika in den Bereichen Beratung, Branding, Strategie und Text, sowie eine Berufsausbildung als Polygraf, Grafiker, Mediamatiker oder im KV. Jung von Matt (JvM) Limmat bietet die klassische Ausbildung zum Graphic Designer. Hochschulabsolventinnen und -absolventen sowie Quereinsteiger können seit 2020 im Rahmen des «Future Creative Leader Programms» innerhalb von sechs Monaten alle Agenturbereiche durchlaufen. Nach drei Monaten entscheiden sie sich für Kreation, Strategie oder Projektleitung, wo sie ihr Können vertiefen. Bei Farner können Jungtalente über ein Praktikum oder eine Junior-Stelle einsteigen. Lernende bildet die Agentur in den Bereichen Interactive Media Design und Grafik aus.

Wie die Agenturen den Nachwuchs entlohnen, dazu wollen sie gegenüber persoenlich.com keine Auskunft geben. Nur Dept lässt sich in die Zahlen blicken: Trainees verdienen 2800 Franken im Monat. Juniors starten bei 66'000 bis 75'000 Franken im Jahr.

Einmal Praktikant – nie mehr Praktikant?

Die Aussichten für Trainees auf eine Festanstellung sind gut, heisst es von allen befragten Agenturen. «Wir investieren viel Zeit in die Auswahl und die Ausbildung junger Talente, damit sie später eine Festanstellung bekommen – am liebsten bei uns», so Wolfgang Bark, Executive Creative Director bei Jung von Matt Limmat. Nicolas Hostettler, Strategy Director bei Sir Mary sagt: «Wir betreiben keine Praktikumsmaschinerie, sondern vergeben die Stellen sehr selektiv. Deshalb erhält die Mehrheit danach eine Festanstellung.» Von Simone Bobst, Head of People & Culture bei Dept heisst es: «Ein Ziel des Traineeships ist, geeignete Kandidaten für den Einstieg als Junior zu finden. Wir stellen keine Praktikanten ein, weil wir billige Arbeitskräfte suchen.» Tom Hanan, CEO bei Webrepublic sagt: «Viele ehemalige Talente sind mittlerweile in Schlüsselpositionen bei Webrepublic.»

Talent ist nicht alles

Was sich durch die Umfrage wie ein roter Faden zieht: Aus- und Weiterbildung ist auch in der Werbebranche zentral, ganz nach dem Motto: «Neue Perspektiven beflügeln das kreative Schaffen», wie es Claudio Zinsli, COO der Wirz-Gruppe, ausdrückt. Deshalb lassen zahlreiche Agenturen den Nachwuchs – und nicht nur – intern und extern ausbilden. So zum Beispiel an der Ad School in Zürich, wo diesen Sommer zum vierten Mal die Lehrgänge Strategie und Kreation starten. Der berufsbegleitende Studiengang dauert ein Semester und kostet 7000 Franken. Agenturen wie Jung von Matt Limmat, Wirz, Farner oder Sir Mary schicken junge Talente an die Kreativschule und übernehmen einen Teil der Kosten. Bei Jung von Matt Limmat etwa ist die Voraussetzung, dass die jungen Mitarbeitenden bereits seit mindestens einem Jahr bei der Agentur arbeiten und nach Abschluss der Ausbildung noch mindestens ein Jahr bleiben. Mehrere der Mitarbeitenden von Farner haben die Ad School abgeschlossen: Tiffany Bottlang und Jonas Brändli, die heute die Werbeberatung bei Rod leiten, erhielten bei ihrem Abschluss den silbernen Würfel, so COO Michel Grunder. Auch Sir Mary schickt junge Talente an die Ad School und unterrichtet selbst an der Ausbildungsstätte.

Andere Agenturen setzen auch auf interne Schulungen. An der Wirz Academy werden Mitarbeitende der Agentur etwa im Storyboard und in Präsentationstechniken geschult. Digitales Know-how können sie sich bei der Partnerfirma Webrepublic aneignen. An der Webrepublic Academy lernen Nachwuchstalente neben technischen Fähigkeiten Führung, Kommunikation oder Resilienz. Für die Ausbildung ihrer Mitarbeitenden übernimmt die Agentur zwischen 60 und 100 Prozent der Kosten. Im Gegenzug dazu verpflichten diese sich, eine gewisse Zeit bei der Agentur zu bleiben – wie lange, hängt vom Anteil der Kosten ab, mit dem sich die Agentur an der Ausbildung beteiligt. Im Falle einer Kündigung müssen sie einen Teil des Betrags zurückzahlen. Auch Dept lässt junge Leute intern aus- und weiterbilden und schickt ihre Mitarbeitende in das Google Atelier Digital.

Dass nicht nur junge Talente von der Agenturerfahrung und Ausbildung profitieren, sondern für die Agenturen ein Gewinn sind, liegt auf der Hand. Vor allem wenn es darum geht, die Generation Z zu erreichen. Denn niemand versteht diese besser als die jungen Kreativen selbst. «Die Sichtweise von jungen Talenten hat schon einige Probleme gelöst», so Nicolas Hostettler von Sir Mary.

Digitale Affinität reicht nicht

Was macht sie aus, die jungen Talente in der Werbebranche? Wolfgang Bark von Jung von Matt Limmat sagt: «Die Talente von heute sind vielfältiger. Die Digitalisierung hat sie kreativer gemacht und ihr Interesse breiter gefächert.» Der heutige Kreativnachwuchs hat ein viel stärkeres digitales Grundverständnis, so Nicolas Hostettler von Sir Mary. Doch es reiche heute nicht mehr, ein Digital Native zu sein: «Es braucht spezifisches digitales Know-how an verschiedenen Fronten», so Hostettler, vor allem Spezialistinnen und Spezialisten für Content und Media sowie digitale Strateginnen und Strategen.

Diese Spezialistinnen und Spezialisten seien aber nicht immer einfach zu finden. «Technische Profile wie etwa Softwareentwickler oder Digital-Analytics-Profile sind nach wie vor nicht immer einfach zu besetze», so Tom Hanan von Webrepublic. Simone Bobst von Dept sieht es ähnlich: «Es ist weniger schwierig, gute Einsteiger zu finden, als erfahrene Spezialisten, vor allem im Digital Marketing und Data.» Neue Mitarbeitende seien zwar breit ausgebildet, oft fehle jedoch die Tiefe, die Spezialisierung. Das sei ein Grund dafür, weshalb Dept seine Mitarbeitende selbst weiterbilde.

Junge Talente brauchen Anreize

Ob es schwierig ist, guten, talentierten Nachwuchs zu finden? «Der Talentmarkt unterscheidet sich in den verschiedenen Disziplinen stark», so Michel Grunder, Partner & Practice Head Public Affairs bei Farner. Fest steht aber: Der Kampf um die Nachwuchskräfte am Arbeitsmarkt macht die Suche nach den Besten nicht gerade einfach, findet Claudio Zinsli von Wirz: «Grundsätzlich hat der ‹War of Talent› zugenommen. Die Möglichkeiten haben zugenommen und es gibt viele neue Firmen im Tech-Bereich und dem Startup-Umfeld, die Talente in unserem Bereich suchen.» Nicolas Hostettler von Sir Mary bejaht die Frage und sieht auch die Agenturen selbst dafür in der Verantwortung: «Ich verstehe, weshalb unsere Branche an Strahlkraft einbüsst. Wir stehen immer noch für masslose Überarbeitung, um irgendwann einen Award zu gewinnen. Da stellt man sich als junger Mensch schon die Sinn-Frage.» Dabei habe die Branche laut Hostettler viel zu bieten, denn: «Wo kann man sonst in so viele Lebenswelten eintauchen und sich kreativ austoben?»


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