13.09.2018

TBWA\Zürich

«Unser Geburtshelfer war McDonald’s»

Die Schweizer Niederlassung des «Weltnetzwerkes» feiert am Donnerstagabend ihr zwanzigjähriges Bestehen mit einem grossen Fest. CEO Matthias Kiess über seine Zukunftsvisionen und die Sorgen und Freuden eines Agenturchefs.
TBWA\Zürich: «Unser Geburtshelfer war McDonald’s»
Mit «unkonventioneller Gründungsgeschichte»: Die Mitarbeitenden von TBWA\Zürich im Jahr 2018. (Bild: zVg.)
von Matthias Ackeret

Herr Kiess, herzliche Gratulation, Sie feiern dieses Jahr das zwanzigjährige Bestehen von TBWA in der Schweiz. Aber gab es nicht schon in den Siebzigerjahren den Versuch, TBWA hierzulande zu etablieren?
(Lacht.) TBWA\ hat sich seit seiner Gründung durch eine unkonventionelle Geschichte ausgezeichnet. Was wir dieses Jahr feiern, ist der erfolgreiche Neustart von TBWA\. Hanspeter Detsch, der ehemalige Inhaber von Impuls, hat seine Werbeagentur 1998 an unser Netzwerk verkauft, woraus die heutige TBWA\ Switzerland AG entstand. Deswegen befand sich unsere erste Niederlassung in Küsnacht. Es gab im Vorfeld verschiedene Versuche, TBWA\ in der Schweiz zu etablieren. Dabei waren in den Siebziger- und Achtzigerjahren auch Theophil Butz, der Gründer des ADC, oder Robi Weber als Managing Director beteiligt.

Wieso klappte die Neugründung plötzlich?
Für McDonald’s, einen der Hauptkunden von benötigte das Netzwerk 1998 eine funktionierende Niederlassung in der Schweiz. Ein bisschen pointiert formuliert: Unser Geburtshelfer war McDonald’s. Aus diesem Grund kaufte TBWA\ Hanspeter Detsch Impuls ab.

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Wie wurde TBWA im Schweizer Markt aufgenommen?
Anfänglich waren wir in Zürich eine reine Netzwerk- und Adaptionsagentur. Im Verlauf der Jahre ist es uns aber gelungen, uns weiterzuentwickeln – über kreative Arbeiten, aber auch den Gewinn lokaler Kunden. Wir haben lange, auch finanziell, ein bisschen unter der Tatsache gelitten, dass wir ausschliesslich als Teil eines amerikanischen Netzwerks wahrgenommen wurden. In den letzten Jahren hat sich das Blatt gewendet, und wir haben es geschafft, zusätzliche Dynamik reinzubringen. Gerade im Kreativranking ist es uns erstmals gelungen, in die Top Ten vorzustossen. Die drei Bronze-Löwen bei den diesjährigen Cannes Lions und die drei ADC-Würfel bei der diesjährigen Jurierung sind der beste Beweis, dass wir in der jüngsten Vergangenheit sehr viel an Dynamik dazugewonnen haben. Oder anders formuliert: Wir sind auf dem Weg zur Spitze.

Und was heisst das konkret?
Wir waren gemäss LSA-Ranking 2017 die siebzehntgrösste Schweizer Werbeagentur und 2016 erstmalig im Kreativranking unter den Top Ten. Das ist ein anständiger Erfolg, zeigt aber auch, dass es immer noch Luft nach oben gibt. Meine wichtigste Erkenntnis als Agenturchef: Gute Werbung braucht die besten Talente. Es nützen die brillantesten Ideen und die beste Führung nichts, wenn diese Talente fehlen oder sie nicht teamorientiert arbeiten. Eine erfolgreiche Werbeagentur tickt am Ende wie eine Fussballmannschaft. Zudem engagiere ich mich auch in der Ausbildungskommission des LSA. Ich habe festgestellt, dass alle Agenturen mit dem Problem des Nachwuchses zu kämpfen haben. Der Schweizer Werbemarkt kann langfristig nur überleben, wenn er auch gute Leute hat.

Mit Uli Wiesendanger, der das W im Namen TBWA verkörpert, haben wir sogar einen Schweizer Urgründer des internationalen Netzwerks. Wie gross ist der Schweizer Einfluss heute noch innerhalb von TBWA Worldwide?
Uli Wiesendanger ist für uns in der Schweiz nach wie vor wichtig. Er ist der lebende Beweis, dass das globale Netzwerk, das heute von New York aus gesteuert wird, auch eine Schweizer DNA hat. Uli, der schon lange in Paris lebt, besucht uns sicher noch halbjährlich und zeigt grosses Interesse an unseren Arbeiten. Ob man sich aber im heutigen Netzwerk noch der Schweizer Wurzeln bewusst ist, wage ich zu bezweifeln.

Verspüren Sie Druck mit Blick auf die Tatsache, einem der grössten Agentur-
netzwerke der Welt anzugehören?
Zweifellos, ja. Seit vier Jahren ist der Australier Troy Ruhanen CEO von TBWA\Worldwide und hat dabei sehr viel Dynamik in das Netzwerk hineingebracht, was nicht nur neue Strukturen und eine neue Strategie bedeutete, sondern auch eine Verjüngung unserer Belegschaft. Dadurch bekamen innerhalb unseres Netzwerks plötzlich Agenturen einen Aufschwung, von denen man lange nur wenig hörte, namentlich diejenigen aus Südafrika oder den Arabischen Emiraten. Diese Dynamik ist auch für uns in der Schweiz sehr belebend. Wir konnten in den letzten Jahren unsere Performance solide steigern.

Jean-Marie Dru, der TBWA-Vorstandsvorsitzende, hat seit den Neunzigerjahren mehrere Bücher zum Thema Disruption geschrieben und damit nicht nur einen Begriff geprägt, der heute fast alltäglich geworden ist. Wie «leben» Sie diese Disruption?
Dies stellt für eine Agentur eine der grössten Herausforderungen dar. Dru hat den Begriff erstmals 1990 in einem Editorial des «Wall Street Journal» erwähnt. Seither ist er zu unserem Leitmotiv geworden. Auch wir nutzen Disruption als methodologischen Ansatz und nennen uns «The Disruption Company». Wir stehen als Agentur aber vor der ständigen Herausforderung, ob der Kunde überhaupt bereit ist, einen Konventionenbruch einzugehen.

Also das heisst, die Agentur ist per se progressiver als der Kunde …
Würde man Disruption konsequent ausüben, wäre dies der Fall. Disruption erfordert vom Kunden Mut und auch eine gewisse Risikobereitschaft. Diesbezüglich ist der Schweizer Markt sicherlich zurückhaltender als der amerikanische oder der englische. Aber es gibt auch bei uns sehr schöne Beispiele, wie Generali oder McDonald’s, bei denen wir einen radikalen Denkansatz angewendet haben.

Sie haben «konservative» Grosskunden wie die SBB. Wie kann man diese für Disruption begeistern?
Gerade die SBB zeigten sich unseren Vorschlägen gegenüber sehr offen. Vor zwei Jahren haben wir die neue SBB-App beworben. Geht es um Modernität, zeigt man in der Regel junge Menschen. Wir haben einen anderen – also disruptiven – Ansatz gewählt und Yvette Michel, eine 72-jährige Dame, als Werbebotschafterin kreiert. Unsere Idee war es, eine ältere Person zu präsentieren, die den Jungen erklärt, wie eine App funktioniert. So funktioniert Disruption. Das Echo auf die ganze Aktion war ausserordentlich gut. Disruption soll nicht nur l’art pour l’art oder Mittel zum Zweck sein, sondern zu einer Lösung und auch zum Erfolg führen. Wendet man den Regelbruch richtig an, kann man einen Kunden damit auch überzeugen.

Disruption ist auch ein Alleinstellungsmerkmal von TBWA …
Wir haben den Begriff in rund fünfzig Märkten geschützt. So auch in der Schweiz. Disruption wurde von uns geschaffen und wird auch von uns weitestgehend gelebt. Aufgrund der digitalen Transformation haben wir ein kleines Dilemma: Mittlerweile ist Disruption fast schon wieder zur Konvention geworden.

Was wünschen Sie sich als Geburtstagsgeschenk für Ihre Agentur?
Ich darf das nicht laut sagen, aber wir sind in einem sehr grossen Pitch, den wir ausserordentlich gerne gewinnen würden. Dies wäre ein weiterer Meilenstein in unserer Geschichte. Cross fingers.              

 
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Das vollständige Interview lesen Sie in der aktuellen Printausgabe von «persönlich»

 

 



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Kommentare

  • Cat Ruytinx, 13.09.2018 11:01 Uhr
    20 Jahre ? Ein Versuch in den 70ern ? C'est drôle, moi j'ai le souvenir que mon mari, Urs Eberhardt, en était le Creative Director en 1978 et que TBWA était en 80 dans le Top 10 des agences en Suisse !
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