Ferienzeit, Lektürezeit. Das wissen auch Verlage, die das Sommerloch darum mit ausreichend Lesefutter füllen. Manche Medien bespielen die aktualitätsärmere Zeit mit Sommerserien. In diesem Jahr bieten zudem Fussball-Euro und Olympia den Sportinteressierten aktuellen und attraktiven Stoff. Das sind ideale Voraussetzungen für die Publikumsbindung, zumal sich Leserinnen und Leser in den Ferien entspannt und mit ausreichend Zeit in die Lektüre vertiefen können. Von dieser Aufmerksamkeit könnte eigentlich auch die Werbung profitieren, doch Fehlanzeige.
Nutzwert der Werbung tendiert gegen Null
Auf prominenten Werbeplätzen, etwa jenen innerhalb eines einzelnen Artikels, stehen Anzeigen für lokale Produkte und Dienstleistungen, wenn man Apps oder Websites von Schweizer Medien im Ausland nutzt. Der Nutzwert der Werbung tendiert damit gegen Null. Das mag insofern erstaunen, als dass die moderne Onlinewerbung eigentlich verspricht, den einzelnen User, respektive definierte Zielgruppen gezielt ansprechen zu können.
Dass dies bei der Nutzung heimischer Medien im Ausland nur beschränkt der Fall ist, liegt daran, dass ein Grossteil der Onlinewerbeplätze heute automatisch entlang technisch definierter Parameter bespielt wird. In der Fachsprache spricht man von programmatischer Werbung. «Bei programmatischen Werbeflächen wird grundsätzlich angenommen, dass es sich beim User um eine Person handelt, die an diesem Ort auch wohnhaft ist», erklärt der Werbevermarkter Goldbach auf Anfrage von persoenlich.com.
Mit lokaler IP-Adresse wird man zum Inländer
Wer sich in den Ferien mit seinem internetfähigen Gerät in ein lokales Netz einloggt, erhält in der Regel eine lokale IP-Adresse zugewiesen. «Technisch wäre es natürlich möglich, kein IP-Targeting zu machen und die Schweizer Zielgruppe auch im Ausland zu erreichen», schreibt Ringier Medien Schweiz auf Anfrage. «Aber dann erreicht man auch alle nicht in der Schweiz wohnhaften Personen im Ausland und generiert einen hohen Streuverlust.»
Dass es technisch möglich wäre, Schweizer Werbung auch im Ausland auszuspielen, bestätigt auch die NZZ. Allerdings sei es so, «dass Kunden in der Regel bei uns Werbung buchen, die sie nur in der Schweiz ausspielen wollen», so ein NZZ-Sprecher. Das könne verschiedene Gründe haben. Für Finanzdienstleister beispielsweise gelten je nach Land unterschiedliche Gesetze. Entsprechend würden sie dann bewusst nur in jenem Land werben, in dem sie tätig sind. Global agierende Konzerne wiederum betrieben oft länderspezifisches Marketing und beschränkten ihre Werbung daher gezielt auf ein Land, heisst es vonseiten NZZ weiter. Und weil das überall so ist, sieht man eben überall lokale Werbung, so auch in ausländischen Medien, wenn man sie in der Schweiz nutzt.
Den User mögen die unpassenden Anzeigen irritieren, für die Verlage sind sie höchstens ein Kollateralschaden, den sie offenbar zu tragen bereit sind. Keines der befragten Medienunternehmen kann oder will am Status quo etwas ändern.
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06.08.2024 14:58 Uhr