23.05.2025

Mediatonic

«Abseits des Trubels ist manchmal besser»

Nach dem Gewinn des begehrten Mobiliar-Etats erklärt Mediatonic-Chef Chris Fluckiger, warum unabhängige Schweizer Mediaberatung gegen internationale Konkurrenz besteht. Und weshalb im digitalisierten Werbemarkt menschliche Intelligenz wichtiger ist als KI-Tools.
Mediatonic: «Abseits des Trubels ist manchmal besser»
«Die Schweizer Medienlandschaft hat durch die Digitalisierung einen tiefgreifenden Wandel erfahren», so Gründer und Chef von Mediatonic, Chris Fluckiger. (Bild: Patrick Pop)

Herr Fluckiger, Sie sind sowohl in der Romandie als auch in der Deutschschweiz tätig. Wo ist der Werbemarkt momentan einfacher?
Es gibt klare Unterschiede in der Mediennutzung und in kulturellen Belangen in den Sprachregionen der Schweiz. Diese balancieren wir für unsere Kunden aus. Die Herausforderungen aufseiten Mediaplanung sind aber dieselben: die fragmentierte Mediennutzung und die damit einhergehende Herausforderung, Zielgruppen wirksam anzusprechen.

Sie haben kürzlich die Mobiliar als Kunden gewonnen (persoenlich.com berichtete). Was heisst das für Ihre Agentur?
Wir freuen uns ausserordentlich über diesen Pitch-Gewinn. Die Mobiliar ist nicht nur eine Top-Brand, Leader in der Branche und hat ein tolles Team, die Mobiliar teilt auch Werte, die uns wichtig sind. Für uns ist das der Beweis, dass das Angebot von unabhängiger Mediaberatung einer Schweizer Agentur immer noch relevant ist.

Sind solche Pitchs heute schwieriger als früher?
Der Pitch war hervorragend organisiert und orchestriert und hatte ein klares Briefing. Daher haben wir ihn zwar als Challenge erlebt, aber nicht als schwierig. Leider ist das aber nicht immer der Fall, was schade ist. Je besser die Kunden ihre Bedürfnisse – nicht nur für Pitchs – formulieren, desto besser können wir darauf eingehen und massgeschneiderte Lösungen bieten.

«Die digitalen Technologien zu beherrschen, ist eine Selbstverständlichkeit»

KI und andere Technologien machen heute grosse Fortschritte. Was zeichnet letztlich eine gute Agentur aus?
Die digitalen Technologien zu beherrschen, ist ein Muss und eine Selbstverständlichkeit. Das nimmt viel Energie in Anspruch und stetige Schulung der Mitarbeitenden. Den Unterschied machen wir aber unserer Meinung nach nicht hier, sondern bei der menschlichen Intelligenz. Das Know-how der Mitarbeitenden und ihre langjährige Arbeit für unsere Kunden stellen sicher, dass auch sehr individuelle Bedürfnisse befriedigt werden können und wir nicht die Maschinen einen 08/15-Mix erstellen lassen.

Aber was bedeutet die ganze Digitalisierung für das Mediageschäft, das doch ein People-Business ist?
Die Schweizer Medienlandschaft hat durch die Digitalisierung einen tiefgreifenden Wandel erfahren. Das ist bekannt. Mittlerweile spielen Facebook, Instagram, TikTok und YouTube eine zentrale Rolle als Nachrichten- und Unterhaltungsquellen, während traditionelle Medien oft nur noch eine ergänzende Rolle spielen. Durch digitale Technologien können aber Inhalte besser auf Zielgruppen zugeschnitten werden, was neue Möglichkeiten für Werbung und Content-Creation eröffnet. Diese Entscheide geschehen mehr und mehr automatisiert, was aber nicht immer zugunsten der Werbetreibenden oder der Konsumenten ist. Mit dieser Entwicklung einher geht eine Fragmentierung des Nutzermarkts, aber auch eine Konzentration des Medienmarkts und der Abfluss von rund zwei Milliarden Franken Werbegeld ins Ausland.

«Man kann mittlerweile viele Arbeiten auch im Homeoffice erledigen»

Ist es für Sie als schweizweit erfolgreiche Mediaagentur ein Vor- oder ein Nachteil, von Genf aus zu agieren?
(Lacht.) Wie bei so vielem im Leben gilt beides. Zum einen ist es ein Vorteil, die Westschweiz gut zu kennen und für nationale Kunden optimale Strategien für diesen Landesteil entwickeln zu können. Zudem ist es manchmal besser, ein bisschen abseits des Trubels zu stehen, damit wird der Blick auf die Dinge weniger getrübt. Aber natürlich hat es auch Nachteile. Für uns ist es selbstverständlich, dass unser Standort für die Kunden nicht relevant ist, und wir sind viel bei ihnen. Aber das benötigt natürlich Zeit und Ressourcen. Zudem kann man mittlerweile viele Arbeiten auch im Homeoffice erledigen.

Wo sehen Sie die grössten Chancen für Unternehmen in der Schweiz, um von diesen Veränderungen zu profitieren?
Digitale Plattformen ermöglichen Unternehmen, ihre Zielgruppen direkt zu erreichen und individuelle Kundenbeziehungen aufzubauen. Personalisierte Werbung und datengetriebenes Marketing sind hier entscheidend.
Programmatic Advertising und KI-gestützte Tools können die Werbewirkung steigern und gleichzeitig Kosten senken. Das gelingt aber am besten, wenn diese Technologien entsprechend den lokalen Gegebenheiten optimiert werden und auf den Nutzen der Konsumentinnen und Konsumenten fokussieren. So können sich Schweizer Unternehmen durch gezielte, relevante Inhalte gegenüber internationalen Konkurrenten differenzieren.

«Es wird immer schwieriger, breitere Zielgruppen zu erreichen»

Welche Herausforderungen bringen diese Veränderungen mit sich, insbesondere für Mediaagenturen und Werbetreibende?
Steigende Konkurrenz: Internationale Plattformen wie Google und Meta dominieren den Werbemarkt und ziehen einen grossen Teil der Werbebudgets ab.
Komplexität der Kanäle: Die Vielzahl von digitalen Plattformen und Formaten erfordert spezialisierte Expertise und eine präzise Kampagnensteuerung.
Fragmentierung der Zielgruppen: Es wird immer schwieriger, breitere Zielgruppen zu erreichen, da Konsumentinnen und Konsumenten ihre Aufmerksamkeit auf unterschiedliche Plattformen verteilen.
Technologischer Wandel: Agenturen müssen laufend in neue Technologien investieren, um mit Entwicklungen wie KI oder datengetriebenen Ansätzen Schritt zu halten.

Wie unterstützt mediatonic Unternehmen dabei, diese Chancen zu nutzen und Herausforderungen zu bewältigen?
Der Fokus unserer Anstrengungen sind immer die Bedürfnisse unserer Kunden. Wir unterstützen, wo und wie dies gewünscht wird, und wir sind dabei sehr pragmatisch. Gewisse Kunden möchten einen möglichst umfassenden Service, andere möchten nur Unterstützung auf einem spezialisierten Gebiet. Wir sind für alles zu haben. Dabei ist für uns klar, dass wir stets auf dem neuesten Stand der Entwicklungen sein und alle Technologien beherrschen müssen. Ich bin sehr stolz auf unser Team, das dies immer wieder erfolgreich umsetzt. Gleichzeitig müssen wir auch sicherstellen, dass wir nicht «l’art pour l’art» betreiben, also dass wir die Technologien einsetzen, die den Kunden wirklich Mehrwert bringen. Dies tun wir durch konsequentes Testing und kritisches Hinterfragen. Bei uns gilt das Primat der menschlichen Intelligenz.

Was sind Ihre nächsten Projekte?
Wir haben uns für dieses Jahr viel vorgenommen: Mitarbeiter weiterbilden, unsere Prozesse optimieren und neue Tools einführen.



Das Interview ist zuerst in der persönlich-Printausgabe vom April erschienen.


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KOMMENTARE

Heinz und Jolanda Baumann
30.05.2025 15:56 Uhr
Hut ab!! Wir gratulieren zum erfolgreichen Abschluss des Mobiliar-Pitches und zur pointierten Stellungnahme im Inerview. Dir und deinem Team wünschen wir weiterhin Erfolg und Befriedigung bei der anspruchsvollen Tätigkeit in einem sich stetig änderndem Umfeld. Heinz und Jolanda
Tobias Zehnder
23.05.2025 08:59 Uhr
Herzliche Gratulation Chris, erfrischende Perspektive!