01.10.2015

Swisscom/SRG/Ringier

"Am Ende wird das Joint-Venture genehmigt werden"

Die Eidgenössische Wettbewerbskommission (Weko) prüft derzeit einen Fall, der in der Branche für viel Wirbel gesorgt hat: Das noch namenlose Gemeinschaftsunternehmen von Swisscom, SRG und Ringier. Wie geht die Weko dabei vor? Einer der diese Abläufe kennt, ist Patrick Krauskopf. Als früherer Weko-Vizepräsident kann er abschätzen, wie der Entscheid schliesslich ausfallen könnte.
Swisscom/SRG/Ringier: "Am Ende wird das Joint-Venture genehmigt werden"

Herr Krauskopf, als ehemaliger Vizedirektor der Weko haben Sie sich lange Zeit mit kartellrechtlichen Problemen beschäftigt. Wie läuft jetzt die ganze Untersuchung über das geplante Werbe-Joint-Venture zwischen Swisscom, SRG und Ringier ab?
Die Weko hat beschlossen, den Deal kartellrechtlich eingehender zu untersuchen in einer sogenannten "vertieften Prüfung". Dafür hat die Weko bis Anfang 2016 Zeit, um eine definitive Entscheidung zu treffen. Vermutlich wird die Weko aber schon vor Ende Jahr entscheiden wollen. 

Welche Firmen und Verbände werden jetzt von der Weko zu ihrer Meinung befragt?
Das Werbe-Joint-Venture bedeutet für den Schweizer Werbemarkt eine grosse Veränderung. Die Beteiligten Unternehmen sind auf verschiedenen Märkten entlang der Wertschöpfungskette tätig. Aus diesem Grund wird die Weko sicherlich eine grosse Anzahl von Marktteilnehmern in der Schweiz befragen, von Werbekunden über Agenturen und Vermarktern bis hin zu Werbeplattformen und Sendern.

Wie viele Teilnehmer sind dies ungefähr?
Es dürften sicherlich mehr als hundert Unternehmen befragt werden. Das Werbe-Joint-Venture betrifft nämlich den gesamten Werbemarkt und fast alle Marktstufen.

Die Weko hat äusserst kurze Fristen für die Beantwortung der Fragebögen gesetzt. Da ist doch gar nicht möglich, seriöse Antworten zu geben. 
Das Verfahren ist sehr kurz – die Weko muss innert der vier Monate einen begründeten Entscheid erlassen. Alle Fristen müssen kurz sein. Aber: Wenn ein Werbetreibender oder eine Agentur Mühe hat, den Fragebogen innert vier bis fünf Arbeitstagen auszufüllen, kann man eine Fristverlängerung beantragen. Wenn also die Frist z.B. am 2. Oktober abläuft, dann reicht es, wenn per Mail eine Fristverlängerung beantragt wird. Die Weko gewährt dies in aller Regel.   

Was passiert jetzt mit deren Antworten?
Die Wettbewerbsbehörde wird die eingegangenen Antworten sorgfältig analysieren und auswerten. Es geht darum, bestmöglich die Wettbewerbswirkungen des Werbe-Joint-Venture zu definieren und allenfalls notwendige wettbewerbsrechtliche Instrumente (z.B. Auflagen und Bedingungen) festzulegen, um auch in Zukunft einen funktionierenden Werbemarkt zu gewährleisten.

Viele Unternehmen befürchten, dass ihre Antworten von den Initianten des Werbe-Joint-Ventures gelesen werden. Ist dies der Fall?
Dies ist in der Tat stets eine grosse Sorge der befragten Unternehmen: Es werden Retorsionsmassnahmen befürchtet, wenn die Unternehmen des Werbe-Joint-Ventures Akteneinsicht erhalten. Hier empfiehlt es sich, den Namen des Unternehmens, welches den Fragebogen beantwortet, als Geschäftsgeheimnis zu kennzeichnen, damit darf der Name des Unternehmens, welches den Fragebogen beantwortet, nicht offen gelegt werden. Das Unternehmen kann auch bestimmte Aussagen im Fragebogen selbst als Geschäftsgeheimnis deklarieren. In diesen Fällen erhalten die Werbe-Joint-Venture-Parteien keine oder nur eine beschränkte Einsicht. 

Sie sind heute als Anwalt tätig. Wird die Weko das Joint Venture bewilligen?
Da sich die Weko für eine vertiefte Prüfung entschieden hat, kann davon ausgegangen werden, dass Anhaltspunkte für wettbewerbsverzerrende Wirkungen des Werbe-Joint-Ventures erkannt wurden. Es ist nicht auszuschliessen, dass die Weko die vier Monate auch zur Ausarbeitung von Auflagen und Bedingungen nutzen wird. Am Ende wird das Werbe-Joint-Venture genehmigt werden, allenfalls unter Auflagen und Bedingungen.

Was wären das für Auflagen und Bedingungen?
Das Werbe-Joint-Venture besitzt einzigartige Nutzer- und Nutzungsdaten und kann durch die Integration des grössten Schweizer TV-Veranstalters mit dem Telekommunikationsunternehmen mit den meisten Kunden über alle möglichen Screens auch ganz neue Werbeformen anbieten. Dadurch scheint das Werbe-Joint-Venture konkurrenzlos zu sein. Hier könnten mögliche Auflagen und Bedingungen der Weko ansetzen: Nutzer- und Nutzungsdaten sowie der Zugang zu denselben müssen vom Werbe-Joint-Venture diskriminierungsfrei allen Marktteilnehmern zur Verfügung gestellt werden.

Wo sehen Sie die grössten Herausforderungen für die Weko?
Auf dem Werbemarkt wird sich künftig die sogenannte zielgruppenspezifische Werbung als neue "Währung" entwickeln: Es liegt im Bestreben aller Werbekunden mögliche Konsumenten direkt ansprechen zu können und damit Streuverluste zu reduzieren. Das geplante Werbe-Joint-Venture zielt gerade auf diese Entwicklung ab und setzte neue Massstäbe: Aufgrund der Synergieeffekte kann das Werbejointventure hier Angebote in einer neuen Qualität anbieten.

Fragen: Matthias Ackeret, Bild: zVg


Patrick Krauskopf ist Anwalt und Partner bei Agon Partners Zürich/Pfäffikon und besitzt eine Professur an der ZHAW in Wettbewerbsrecht, Vertrags- und Haftpflichtrecht sowie in Verhandlungstechniken. Von 1999 bis 2009 arbeitete er bei der Weko, zuletzt als Vizedirektor und Leiter der Abteilung "Produkte cts & Industrie"

 

 

 



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