11.03.2014

Schweizer Bauernverband

"Die Bauern von heute sind keine 'Chnuschtis' mehr!"

Anlässlich des UNO-Jahres der bäuerlichen Familienbetriebe hat der Schweizer Bauernverband (SBV) im Rahmen der Marketingkampagne "Gut, gibt’s die Schweizer Bauern" die Aktion "Mein Bauer. Meine Bäuerin" lanciert. Bauernfamilien aus der ganzen Schweiz führen bis Ende 2014 auf Facebook ein Tagebuch über ihre Arbeit und ihren Familienalltag. "Wir wollen damit vor allem jungen Städtern die vielfältigen Leistungen der Landwirtschaft auf innovative Art näherbringen", erklärt SBV-Kommunikationsleiterin Sandra Helfenstein. persoenlich.com stellt das Projekt vor.
Schweizer Bauernverband: "Die Bauern von heute sind keine 'Chnuschtis' mehr!"

Im appenzellischen Stein züchtet Familie Dähler Rinder nach japanischem Vorbild. Vater Sepp füttert seine Tiere mit Resten aus der regionalen Bierherstellung und verpasst ihnen täglich eine ausgiebige Bier-Massage. Das sogenannte Kabier-Fleisch (Kalb und Bier) wird dadurch besonders zart. Familie Weyeneth aus Lüterkofen (SO, siehe Hauptbild) musste am Wochenende ihren Hackstriegel auf Vordermann bringen, weil die 192 Metallhaken abgenutzt waren. Diese reissen Unkraut aus der oberen Bodenschicht, während die Weizen stehen bleiben. Die Bauernfamilie kann dadurch auf chemische Unkrautvernichtungsmittel verzichten.

Solche und ähnliche Geschichten erzählen 31 Bauernfamilien – eine pro Kanton und jeweils eine Familie aus Kirgistan, Honduras, Rumänien und Bolivien – im Rahmen der Marketingkampagne "Gut, gibt’s die Schweizer Bauern" in ihrem Facebook-Tagebuch. Der Schweizer Bauernverband (SBV) setzt mit der Facebook-Kampagne "Mein Bauer. Meine Bäuerin" zum ersten Mal auf Social Media. Noch bis Ende Dezember 2014 berichten die Bauern und Bäuerinnen von ihrer Arbeit und ihrem Alltag. 

Familie Hallauer aus Wilchingen

Familie Maag aus Oberglatt

Familie Eigenmann aus Berg

"Wir möchten aufzeigen, welche Arbeit und welche Leistungen in den Lebensmitteln stecken, die wir tagtäglich zu uns nehmen. Damit wir die Welt der Landwirtschaft der breiten Bevölkerung zugänglich machen können, setzen wir erstmals auf das virale Medium Facebook", erklärt Sandra Helfenstein, Kommunikationsleiterin des Schweizer Bauernverbandes, den Hintergrund der Kampagne.

Sandra Helfenstein

Laien diskutieren über Fachthemen
Die Familien sollen fachliche Themen rund um die Landwirtschaft ebenso behandeln wie ihren Familienalltag. "Das Projekt lebt davon, dass jede Familie ihr Tagebuch sehr individuell gestaltet. Strikt verboten sind allerdings politische Posts", so Helfenstein. Ungefähr an fünf Tagen pro Woche sollte ein Beitrag publiziert werden. Für ihren Einsatz bekommen die Bauern eine Entschädigung von 4000 Franken für das ganze Jahr.

"Unser Ziel war es, eher junge Bauern für die Aktion zu begeistern, die auch den Zugang zum Medium und Freude an der Kommunikation haben." Um die internationalen Familien kümmert sich die Entwicklungsorganisation Helvetas. Bis Ende Jahr sollten alle Teilnehmenden rund 2000 Fans haben, eine Familie aus der Romandie hat schon jetzt über 1100 Fans.  

Doch nicht nur deshalb ist Helfenstein zufrieden mit dem bisherigen Verlauf der Kampagne: "Aufgrund der Diskussionen, die auf den Seiten stattfinden, gehen wir davon aus, dass wir tatsächlich Personen ansprechen, die sonst nichts mit der Landwirtschaft zu tun haben."

Familie Ganguillet aus Cormoret

Familie Sutter aus Brülisau

Die gewünschte Zielgruppe will man unter anderem durch die Zusammenarbeit mit Portalen wie 20minuten.ch oder search.ch erreichen, wo der Verband immer Anfang Monat einen Banner schaltet, der für "Mein Bauer. Meine Bäuerin" wirbt. Zusätzlich gibt es einen wöchentlichen Newsletter sowie einen monatlichen Wettbewerb, an dem bisher jeweils über 2000 Personen teilgenommen haben.

Positives Image der Schweizer Bauern
"Die Aktion soll Personen ansprechen, für welche die Landwirtschaft eine fremde Welt ist. Wir wollen eine Brücke zwischen Stadt und Land schlagen", führt Helfenstein aus.

Manche Leute hätten immer noch das Bild des verkorksten Eigenbrötlers im Kopf, der sich nach alten Zeiten zurücksehnt und wenig innovativ ist. "Dabei sind die Bauern von heute keine 'Chnuschtis' mehr! Die Generation der jungen Bauern weiss, was von ihnen erwartet wird. Sie freuen sich, dass sie Unternehmer sind und aktiv Neues entwickeln dürfen. Sie machen sich Gedanken, wie sie ihre Produkte produzieren und verkaufen können, was im Moment gefragt ist oder welche Zusatzangebote sie anbieten möchten."

Umfragen des SBV zeigen, dass sich das Image der hiesigen Bauern in den letzten Jahren kontinuierlich verbessert hat. "Das rührt vor allem daher, dass den Schweizern ihr Essen sehr wichtig ist. Sie legen immer mehr Wert darauf, dass umweltschonend und tierfreundlich produziert wird", weiss Helfenstein. Unter diesem Gesichtspunkt geniessen die Schweizer Bauern einen sehr guten Ruf, der durch die Globalisierung noch besser wurde. "Die Leute suchen wieder ihre Wurzeln. Die Landwirtschaft ist ein solcher Sektor, der Identität stiftet."

Dreistufige Kommunikation
Die Bedeutung der Landwirtschaft für die Schweiz kommuniziert der Schweizer Bauernverband seit 1998 mittels der umfassenden Kampagne "Gut, gibt’s die Schweizer Bauern". Diese stellt eine Basis für den Verkauf einheimischer Produkte dar. Einige Massnahmen der Basiskommunikation sind im folgenden PDF-Dokument zu finden. 

broschuere_basiskommunikation-1.pdf

"Unser Auftrag ist es, dem Konsumenten die Leistungen der Landwirtschaft aufzuzeigen: etwa die umweltschonende Produktion von Lebensmitteln, die Landschaftsgestaltung oder alles rund um den Tierschutz. Der Konsument soll wissen, dass er für Schweizer Fleisch einen höheren Preis bezahlt, sich dafür aber sicher sein kann, dass das Tier ein schönes Leben hatte. Leute sollen wieder merken, was die Bauern für sie leisten. Das vergisst man heute oft", führt Helfenstein aus.

Für die nächste Stufe sind beispielsweise die Obst- oder Milchproduzenten verantwortlich, die gezielt ihre Produkte bewerben. "Jeder Franken, den die Bauern selber für Werbemassnahmen aufwerfen, wird vom Bund im Rahmen der Absatzförderung verdoppelt. Das gilt für den Bauernverband und für die Branchenwerbung."

Komplett privat bezahlt ist hingegen die Werbung der dritten Stufe, die Unternehmen wie Ramseier oder Emmi mit ihren Marken beinhaltet.

Multimediale Ideen gesucht
Im April 2014 plant der Schweizer Bauernverband eine Neuausrichtung seiner Mediakampagne. Vier Agenturen werden dann ihre Ideen in einem Pitch präsentieren. Hauptvorgabe: Die Kampagne muss möglichst multimedial einsetzbar sein.

"Die Facebook-Kampagne 'Mein Bauer. Meine Bäuerin' war nur der erste Schritt. Wir wollen in Zukunft ein jüngeres Publikum ansprechen. Deshalb stellen wir unsere TV-Spots im klassischen Fernsehen ein: Sie landen nicht bei den richtigen Leuten." Helfensteins Ziel: die Landwirtschaft und die Arbeit der Schweizer Bauern der breiten Bevölkerung auf eine innovative Art näher bringen. "Das ist in der heutigen Werbelandschaft, wo wir mit wenig Budget möglichst kreativ sein müssen, eine grosse Herausforderung."

Text: Seraina Etter, Bilder: zVg

 


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