28.02.2019

Neoviso

«Gen Z muss in Millisekunden abgeholt werden»

Der 25-jährige Yannick Blättler berät Unternehmen im Umgang mit den Kunden und Mitarbeitenden von morgen. Im Interview spricht der Geschäftsführer über jugendwirksame Werbung, die Wichtigkeit von Wertschätzung und einen Workshop bei Tamedia.
Neoviso: «Gen Z muss in Millisekunden abgeholt werden»
«Flexibilität bei der Arbeit ist ein Riesenthema für die Generation Z», sagt Yannick Blättler, Geschäftsführer des Beratungsunternehmens Neoviso. (Bild: zVg.)
von Anna Sterchi

Herr Blättler, Ihr Consulting-Unternehmen Neoviso bietet den Workshop «Wie Sie als Arbeitgeber die Generation Z begeistern» an: Sollte nicht vielmehr die junge Generation den künftigen Arbeitgeber begeistern?
Fakt ist, dass etliche Firmen grosse Mühe haben, Jugendliche für eine Lehrstelle oder als Kunden zu gewinnen. Es ist sowohl ein HR- als auch ein Marketing-Thema. Die Problematik betrifft nicht unbedingt die modernen Firmen der Zürcher Europaallee, sondern klassische Familienunternehmen, die zwar verstaubt daherkommen, aber extrem spannende Berufe zu bieten haben. Genau diese Betriebe wollen wir ansprechen und ihnen sagen: «Ihr seid für die junge digitale Gesellschaft auch attraktiv, weil ihr interessante Sachen macht.» Viele Arbeitgeber tun sich schwer, sich bei den jungen Leuten attraktiv zu positionieren und diese zu begeistern.

Was sind die drei wichtigsten Punkte, damit ein Unternehmen die Generation Z – die zwischen 1995 und 2010 Geborenen – als Kunden oder Arbeitnehmer gewinnen kann?
Das Wichtigste ist, dass das Unternehmen kommunikativ von innen nach aussen trägt, was es macht, wer dahinter steckt und wo die Herausforderungen des Betriebs liegen. Dank Social Media war das noch nie so einfach wie heute. Dennoch haben die KMU hier noch viel Verbesserungspotenzial. Zweitens ist die Flexibilität ein Riesenthema. Wie die Forschung gezeigt hat, wollen die Jugendlichen punkto Arbeitsort und Arbeitsinhalte flexibel sein. Die Generation Z will beim ersten Arbeitgeber vor allem viel und in verschiedensten Bereichen etwas lernen.

Und drittens?
Die Unternehmen müssen sich überlegen, wie sie am Arbeitsplatz den Austausch zwischen Jung und Alt auf eine gewinnbringende Art herstellen können. Die Jungen müssen spüren, dass sie wertgeschätzt und ernstgenommen werden und im Betrieb mitgestalten können. Viele Firmen haben das Gefühl, sie müssten digitaler unterwegs sein, um mehr Jugendliche anzuziehen. Dem ist aber nicht so, die Wertschätzung und die Willkommenskultur sind wichtiger.

«Die Gen Z hat keine Lust, ein Mail zu schreiben, wenn eine Voice Mail genügt»

Reicht ein Firmenauftritt auf Xing und Linkedin, oder sollten Arbeitgeber auch auf anderen Plattformen präsent sein?
Xing wird von der Gen Z kaum mehr gebraucht, Facebook auch nicht. Wenn ein Betrieb Studenten sucht, dann ist ein attraktives Profil auf Linkedin sicher sinnvoll. Gute junge Mitarbeiter, insbesondere Lehrlinge, sind aber auf Linkedin nicht anzutreffen. Bei diesen lohnt es sich, auf Instagram aktiv und attraktiv zu sein. Was auch super funktioniert, sind Snapchat Ads. Eine weitere Möglichkeit ist, auf der chinesischen App TikTok oder dem E-Sports-Portal Twitch Werbung zu schalten.

Wie unterscheidet sich die Generation Z konkret von der Generation Y im Arbeitsmarkt?
Der Gen Z wird nachgesagt, dass sie hohe Ansprüche hat. Das darf sie auch, denn es gibt momentan ein Überangebot an Lehrstellen. Das war bei der Gen Y noch ganz anders. Die Gen Z ist geprägt von den neuen schnellen Kommunikationsmöglichkeiten wie Snapchat, Whatsapp und Instagram. Die Jungen wollen alles «instant» und schnell verfügbar haben, was neue Ansprüche schafft. Beispielsweise hat die Gen Z keine Lust, ein Mail zu schreiben, wenn auch eine Voice Mail genügt.

Wie gelingt es dem Arbeitgeber die Generation Z längerfristig an das Unternehmen zu binden?
Das ist eine grosse Herausforderung. In unserer Forschung haben wir gesehen, dass eine grosse Mehrheit der Generation Z maximal zwei bis drei Jahre bei ihrem ersten Unternehmen bleiben will. Das Wichtigste ist, dass der Arbeitgeber das Mindset der Gen Z – erst einmal unverbindlich in ein Unternehmen hineinschnuppern zu wollen – akzeptiert und den jungen Mitarbeitenden gleichzeitig aufzeigt, was das Unternehmen für sie zu bieten hat. Am Schluss sind die Jugendlichen immer noch Menschen und keine Roboter. Das Team und der Vorgesetzte sind entscheidend, ob jemand mittelfristig bleibt oder nicht. Weiter muss das Unternehmen klar kommunizieren: «Wir schätzen dich sehr und wollen mittelfristig mit dir planen.» Das bedeutet auch, dass sich der Betrieb flexibel zeigt, wenn ein junger Mitarbeitender auf eine längere Reise gehen will.

«Printprodukte sind bei den Jungen absolut nicht mehr relevant»

Wechseln wir auf die Kundenseite: Welche Art von Werbung wirkt bei der Generation Z?
Werbung lebt generell davon, dass sie zeitnah, aktuell und modern ist. Es spielt eigentlich keine Rolle, wie alt die Werbemachenden sind. Viel wichtiger ist es, dass sie sich eng mit der jungen Generation austauschen, ob die Inhalte und die Aufmachung attraktiv sind und ob die Werbung für die junge Zielgruppe auch lustig ist. Sonst wird es schnell peinlich.

Auf welchen Kanälen sollen die Werbemassnahmen ausgespielt werden?
Werbung muss unbedingt auf modernen Kanälen ausgespielt werden. Printprodukte sind bei den jungen Leuten absolut nicht mehr relevant, Instagram und Snapchat hingegen schon. Auf diesen Kanälen braucht die Marke ein Storytelling, das nicht nur kampagnenmässig, sondern als durchgezogene Geschichte funktioniert. Früher hat man in einzelnen Kampagnen gedacht. Ein Instagram-Account funktioniert aber anders: Den kann man nicht nur fünfmal pro Jahr bespielen, sondern man muss ihn beinahe täglich mit Informationen rund um die Produkte speisen. Viele Firmen haben zudem das Problem, dass ihre Kommunikation zu wenig klar und zu wenig schnell erfassbar ist. Das Interesse der Jungen liegt im digitalen Bereich, wo es einen Überfluss an Informationen und Angeboten gibt. Die Generation Z muss innert Millisekunden abgeholt werden, sonst ist ihre Aufmerksamkeit sofort wieder weg.

Wo liegt der grösste Stolperstein, wenn die älteren Generationen Werbung für die Generation Z konzipieren?
Die Schweiz lebt nach wie vor von vielen KMU und Familienunternehmen, die teils noch sehr traditionell unterwegs sind. Wichtig ist, dass sie die neuen Medien respektive die ganze digitale Welt verstehen, in der sich die jungen Leute bewegen. Die Unternehmen müssen sich informieren, welche Kanäle es gibt, welche für sie relevant sind und welche eben nicht. Viele Betriebe haben das Gefühl, sie müssten überall präsent sein. Die Devise lautet jedoch: Lieber weniger in der digitalen Welt machen, das dafür aber richtig.

«Es gibt Betriebe, denen muss ich erklären, was Social Media ist»

«Wir helfen allen weiter – egal ob Bank, Feuerwehr oder Sekundarschule», schreiben Sie auf Ihrer Website: Bei welcher Zielgruppe stösst Ihr Angebot auf das grösste Interesse?
Es gibt nicht einen typischen Kunden. Einerseits mache ich Referate oder organisiere Fokusgruppen bei topmodernen, fortschrittlichen Unternehmen wie Tamedia oder Deloitte, die immer wieder an Updates interessiert sind. Andererseits gibt es Betriebe, denen muss ich erklären, was Social Media ist und wie es funktioniert. Bei den Workshops und Beratungsprojekten sind es schwergewichtig Firmen, die in den letzten fünf Jahren in der ganzen digitalen Entwicklung extrem abgehängt haben. Das sind traditionelle Schweizer Unternehmen, die noch sehr hierarchisch aufgebaut sind oder von einem älteren Management geführt werden.

Wie hat Neoviso Tamedia unterstützt?
Das war keine längerfristige Beratung, sondern ein punktueller Input. Ich habe im Auftrag von Tamedia eine Fokusgruppe von acht Jugendlichen an einen Tisch geholt. Es ging um die Neulancierung des Jugendmagazins «Tilllate». Das Problem war, dass die Verantwortlichen von Tamedia keine Ahnung hatten, welche Themen sie bespielen sollten, welche Aufmachung Anklang findet und ob die Jugendlichen für das Produkt bezahlen würden. Ich diskutierte mit der Fokusgruppe, was funktioniert und was nicht, zudem machten die Jugendlichen ganz konkrete Vorschläge zur Ausgestaltung des Produkts. Am Schluss konnte ich Tamedia die zusammengefasste Meinung der Zielgruppe rückmelden.

«Wir wissen, wie die Zukunft der Gesellschaft aussehen wird»

Sie bieten Referate, Beratungen, Marketingdienstleistungen, Marktforschungen sowie ansprechende Medienproduktionen an. Nehmen Sie sich nicht etwas viel vor?
Es stimmt, ich muss sicher den Fokus künftig schärfen. Ich habe die Firma vor rund zweieinhalb Jahren gegründet und bin heute nach wie vor hauptsächlich alleine unterwegs. Ich kann glücklicherweise alle drei Bereiche – Forschung, Strategie und Medienproduktionen – selber abdecken, und das findet bei den Kunden Anklang. Auf den ersten Blick scheinen Medienproduktionen nicht zu unserem Portfolio zu passen: Doch von wem können die Film- und Social-Media-Produktionen besser realisiert werden als von jenen, die das ganze Projekt aufgegleist haben?

Wo soll Ihre Consulting-Firma in fünf oder zehn Jahren stehen?
Neoviso soll zu einem der führenden Strategieunternehmen mit Fokus auf die jungen Generationen werden. Auf Gen Z wird Gen Alpha folgen, und auch die wird eine Herausforderung für den Arbeitsmarkt. Da wir beobachten, wie die junge Zielgruppe tickt, wissen wir auch, wie die Zukunft der Gesellschaft aussehen wird. Auf der HR- und Marketingseite soll unsere Strategieberatung nicht aktualitätsbezogen, sondern zukunftsgerichtet sein. Momentan beschäftigt Neoviso fünf Mitarbeitende, ich habe als einziger eine Vollzeitstelle. Hoffentlich sind wir in zehn Jahren ein grosses Team von 20, 30 oder vielleicht gar 100 Mitarbeitenden. Ich werde auf jeden Fall Vollgas geben: Neoviso muss grösser werden und ich habe da schon etliche Ideen…



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