28.05.2019

Rahmenbedingungen für Start-ups

«Google zahlt absurd hohe Löhne»

GetYourGuide auf dem Olymp der Unicorns: Das ETH-Spin-off erhält eine halbe Milliarde Frischgeld. Dieses soll auch in Zürich investiert werden, wie Mitgründer Tobias Rein erklärt. Die junge Firma wird nun erstmals Plakat- und TV-Werbung schalten.
Rahmenbedingungen für Start-ups: «Google zahlt absurd hohe Löhne»
500 Mitarbeitende an 20 Niederlassungen weltweit: Tobias Rein aus Uster ist Mitgründer der Firma GetyourGuide. (Bild: zVg.)
von Edith Hollenstein

Herr Rein, GetYourGuide, die Firma, die Sie vor zehn Jahren mitgegründet haben, erhält eine halbe Milliarde Dollar Frischgeld. Wie werden Sie das viele Geld einsetzen?
Das Geld kommt vor allem unseren Kunden zu Gute. Nicht, dass man jetzt Erlebnisse gratis buchen könnte, aber wir werden massiv in unser Produkt investieren. Um noch mehr Kunden mit zu bedienen, investieren wir natürlich auch in unser Wachstum. Der Touren- und Aktivitäten-Markt ist riesig und unser Anteil noch im einstelligen Prozentbereich. Da gibt es noch viel zu tun. Wir werden sicher einige etwas gewagtere Initiativen ergreifen, um das Wachstum voranzutreiben.

Wie zum Beispiel?
Wir werden uns relativ kostenintensive Fernsehwerbung in Deutschland leisten, um unsere Marke bekannter zu machen. Ob und wie viel das bringt, werden wir Ende Sommer sehen.

Airbnb, Booking.com oder Expedia: Welchen dieser Hauptkonkurrenten beneiden Sie um welche Dienstleistung/Angebot ganz besonders?
Ich beneide Booking.com und Airbnb um ihr Hotel- beziehungsweise Wohnungsangebot und die damit verbundene Marktherrschaft. Fast jeder unserer Kunden braucht eine Unterkunft, die er oder sie mit grosser Wahrscheinlichkeit auf einer dieser Plattformen bucht. Das gibt den beiden Firmen einen sehr günstigen Zugang zu ganz vielen potenziellen Kunden.

«Mitte 2020 werden wir in Zürich gegen 60 Entwickler haben»

GetyourGuide ist eine Online-Plattform, die Tickets für touristische Touren und Attraktionen vermittelt. Welche Motivation haben Ihrer Ansicht nach Geldgeber, wie der japanische Technologie-Investor SoftBank Vision Fund?
Ich glaube, auch SoftBank hat die Verlagerung im Reisemarkt gesehen. Online Flug-, Hotel- und Mietauto-Buchungen sind längst Standardprodukte. Viel spannender sind andere Segmente wie der Bereich der Reiseerlebnisse. Das Potential ist dementsprechend höher, was sehr gut zu SoftBank passt. Dass GetYourGuide noch von Gründern gesteuert wird, ist ein weiteres Kriterium weshalb SoftBank in uns investiert hat.

Was an Ihrem Unternehmen macht diesen grossen Wert aus?
Wir haben uns definitiv im Reisemarkt etabliert und zeigen ungeheure Wachstumszahlen. Zudem ist der Markt riesig, was die Investoren natürlich freut. Neben diesen harten Fakten sind unsere Firmenkultur und das Team, das wir aufgebaut haben, ein Pluspunkt.

Laut der «Handelszeitung» soll auch der Standort Zürich vom GetyourGuide-Wachstum profitieren. Inwiefern?
Absolut. Wir haben in Zürich im Moment knapp 40 Software-Entwicklerinnen und Entwickler sitzen und weiten dieses Team weiter aus. Mitte 2020 werden es gegen die 60 sein.

Von Schweizer Firmen wie Swiss Re oder Tamedia hört man, dass Spezialisten für KI, Robotik oder Machine Learning vor allem von Google Zürich abgeworben werden. Machen Sie ähnliche Erfahrungen?
Ja, die Konkurrenz um die besten Leute ist gross. Google zahlt absurd hohe Löhne. Dieses Spiel können und wollen nicht alle mitspielen. Man muss kreativ sein und andere Trümpfe ausspielen. Bei GetYourGuide gehören der direkte Einfluss auf das Produkt von jedem Mitarbeiter und jeder Mitarbeiterin und die grosse Mitbestimmung sicher dazu.

«Sehr lange hatten Offline-Massnahmen einen sehr kleinen Stellenwert»

Inwiefern kauft GetyourGuide Content-, Marketing-, Werbe- oder Kreativ-Dienstleistungen in der Schweiz ein?
Wir kaufen generell wenige Dienstleistungen ein und machen sehr viel in-house. Unser Rebranding letzten Sommer ist ein Beispiel, bei dem wir mit externen Dienstleistern zusammengearbeitet haben. Wir schauen bei der Auswahl nicht auf die Staatsgrenzen, sondern wählen den für uns am besten passenden Partner aus. Für das Rebranding ist die Wahl auf das DesignStudio mit Sitz in London gefallen. Wir denken da schon ziemlich global.

Welches sind für Ihre Firma die effektivsten Marketing-Massnahmen?
Google Werbung ist nach wie vor ein zentraler Teil unserer Marketingstrategie. Daneben sind Partnerschaften sehr attraktiv. Unsere Kooperationen reichen von Online-Bloggern bis hin zu Airlines. Wichtig ist, dass wir da sind, wo unsere Kunden sind.

Welchen Stellenwert haben Offline-Massnahmen für Ihre rein digital existierende Marke?
Sehr lange hatten Offline-Massnahmen einen sehr kleinen Stellenwert bei GetYourGuide. Sie waren uns zu wenig messbar. Wie gesagt, versuchen wir es diesen Sommer mit Fernsehwerbung in Deutschland und einer Plakatkampagne in Berlin. Wir werden sehen, ob das für uns funktioniert.

Sie selber sind seit der Gründung im Jahr 2009 dabei. Wie hat sich die Firma seither entwickelt?
Wir haben als fünf Studenten von der ETH Zürich begonnen. Wir hatten eigentlich keine Berufserfahrung und lösten deshalb auch sehr viele Probleme unkonventionell. Je grösser man aber wird, desto weniger muss man das Rad neu erfinden. Vor allem in der Geschäftsleitung haben wir in den letzten Jahren sehr erfahrene Leute eingestellt, was auch für mich extrem bereichernd war. Das Unternehmen wird aber noch immer von meinen Gründungspartnern Johannes Reck als CEO und Tao Tao als COO geleitet.

... und hinsichtlich der Mitarbeiter und den Besitzverhältnissen?
Die Mitarbeiterzahl hat sich relativ konstant von fünf auf über 500 gestiegen. Und das nicht nur in Zürich und Berlin sondern weltweit. Wir haben über 20 Niederlassungen in der ganzen Welt. Zu den Besitzverhältnissen kann ich leider keine Auskunft geben. Klar ist aber, dass die Investoren ihr Geld nicht umsonst geben.

«Die Schweiz ist zumindest für E-Commerce wenig attraktiv für internationale Geldgeber»

Was genau ist Ihre aktuelle Rolle?
Ich bin einer der fünf Mit-Gründer. Momentan arbeite ich sehr operativ und schreibe immer noch selber Codes wie vor zehn Jahren. Ich liebe es, mit dem was ich tue direkten Einfluss auf unsere Kunden zu haben. Strategische Planungen und Zahlen auf dem Papier rumschieben, waren nie meine Leidenschaft. Deshalb bin ich auch nicht mehr direkt in der Geschäftsleitung.

Warum ist der Hauptsitz in Berlin und nicht mehr Zürich, wie zur Zeit der Gründung?
Der Grund für den Umzug vor sieben Jahren war der Kundensupport. Es ist schlicht zu teuer in der Schweiz ein Call-Center aufzubauen. Das hat uns nach Berlin gebracht. Wir haben bald gemerkt, dass auch andere Positionen wie Marketing und Verkauf in Berlin sehr einfach zu besetzen sind. So haben wir Schritt für Schritt mehr Teams nach Berlin verlegt, bis es am Ende keinen Sinn mehr gemacht hätte, den Hauptsitz in der Schweiz zu behalten.

Sie kommen aus Uster (ZH), haben an der ETH abgeschlossen: Wie beurteilen Sie das hiesige wirtschaftliche und politische Umfeld für Start-up?
Die Schweiz darf und muss sich nicht verstecken. Wirtschaftlich ist in den letzten Jahren viel gegangen. Es gibt unzählige Unterstützungsformen, Wettbewerbe und andere Möglichkeiten für Start-ups. Wenn es um Kapitalbeschaffung geht, ist die Schweiz für junge Start-ups gut positioniert. Wenn es um grössere Summen geht, hat für GetYourGuide der Standort Berlin geholfen. Die Schweiz ist zumindest für den Bereich E-Commerce wenig attraktiv für internationale Geldgeber. Auf der politischen Ebene wird zwar viel geredet, doch zumindest in Zürich habe ich noch nicht viel gesehen.

 

 



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