30.11.2001

Umfrage

Internationalisierung der Führungsgremien Schweizer Grossunternehmen wird weiter steigen

Spencer Stuart veröffentlicht Foreign Directors Index 2001.

Fast 26 Prozent der Verwaltungsräte der führenden Schweizer Grossunternehmen besitzen einen ausländischen Pass. Von den Geschäftsleitungsmitgliedern trifft dies sogar auf 40 Prozent zu. Das zeigt eine aktuelle Umfrage der Spencer Stuart Management Consultants. Die Streuung des Ausländeranteils reicht bei den Verwaltungsräten von Null bis 82 Prozent, bei den Geschäftsleitungen von Null bis 88 Prozent. Aus einer parallel durchgeführten Befragung von Verwaltungsratspräsidenten geht hervor, dass die Integration von Ausländern in Schweizer Führungsgremien schon heute auf einem Spitzenplatz rangiert und in Zukunft weiter zunehmen wird.

Die Aufsichtsorgane der befragten Unternehmen verfügen (im Durchschnitt) über 8.6 Verwaltungsräte, 2.2 davon stammen aus dem Ausland. Der Ausländeranteil ist bei Unternehmen, die ihr Geschäft vor allem im und mit dem Ausland betreiben, mit 2.9 Personen deutlich ausgeprägter als bei inlandorientierten Firmen. Diese zählen im Durchschitt gerade mal 0.5 Ausländer in ihren Gremien.

Nach Branchen zusammengefasst, verlässt sich die Pharma/Chemie besonders oft auf das Know-how ausländischer Experten, diese machen 42 Prozent der VR-Mitglieder aus. Es folgt die Sparte Logistik/Transport mit 35.5 Prozent und die Industrie mit 34 Prozent. Bei Versicherungen stammt jedes 5. Mitglied aus dem Ausland.

Die Geschäftsleitung eines Schweizer Grossunternehmens setzt sich im Durchschnitt aus acht Mitgliedern zusammen. 3.1 davon sind ausländische Staatsbürger. Etwas grösser wird das Gremium bei typisch auslands- und exportorientierten Unternehmen. Bei einer Durchschnittsgrösse von 8.1 Mitgliedern sind hier immerhin 3.9 Mitglieder ausländischer Herkunft. Bei inlandorientierten Unternehmen lauten die Zahlen 7.4 und 0.8.

Hoher Ausländeranteil vorallem bei der Pharma/Chemie

Die Geschäftsleitungen in den Bereichen Pharma/Chemie weisen mit rund 60 Prozent, gefolgt von denjenigen der Nahrungsmittelindustrie mit 46 Prozent, den grössten Ausländeranteil aus. Versicherungen und Logistik/Transport erreichen je 44 Prozent, Banken knapp 30 Prozent. Mit 34 (von insgesamt 114) Nennungen (aller Unternehmen) kommen die meisten ausländischen Geschäftsleitungsmitglieder aus Deutschland, gefolgt von den USA (20), Grossbritannien (16) und Frankreich (11). 76 Prozent aller ausländischen Geschäftsleitungsmitglieder stammen aus Europa, der Rest aus nicht-europäischen Ländern.

Ähnlich stellen sich die Verhältnisse in den Verwaltungsräten dar: 39 (von 82 ausländischen) Mitglieder(n) tragen einen deutschen, 12 einen englischen und 8 einen amerikanischen Pass auf sich (Doppelbürger einmal erfasst). Mit 83 Prozent überwiegt der Europa-Anteil bei den Verwaltungsräten noch deutlicher als bei den operativen Leitungsgremien.

Befragt wurden führende Unternehmen (mit Sitz in der Schweiz) mit einem Mitarbeiterbestand von bis zu 225'000. 37 Unternehmen haben die Fragebögen ausgefüllt retourniert. Zusammen verfügen diese Unternehmen (per Oktober 2001) über 319 Verwaltungsratssitze und 294 Mitglieder im obersten Exekutivorgan.

Erfahrungen mit ausländischen VR-Mitgliedern

Als Ergänzung zur schriftlichen Befragung wurden 20 VR-Präsidenten von Unternehmen mit bedeutenden Auslandsaktivitäten nach ihren Erfahrungen mit ausländischen VR-Mitgliedern befragt. Als wichtigstes Argument für den Einsatz ausländischer Führungskräfte wurden deren Kenntnisse ausländischer Märkte angeführt. Spezifische Bedenken, einen Ausländer anstelle eines Schweizers für ein solches Amt zu wählen, bestehen dabei keine. Als Kriterien bei der Auswahl eines Kandidaten kommen die exakt gleichen zum Einsatz wie bei Inländern:

- Kernkompetenz und Qualifikation auf einem für das Unternehmen besonders wichtigen Gebiet.

- Persönlichkeit, Teamfähigkeit und Unabhängigkeit.

- Verfügbarkeit, angepasst an die voraussichtliche Zahl fester und Ad-hoc-Sitzungen (z.B. bei Unternehmen im Turnaround, mit Fusions- und Akquisitions-Plänen oder grossen Veränderungen).

Probleme bei der Integration von Ausländern in das Führungsteam eines Unternehmens lassen sich nicht ganz ausschliessen. Sie werden erfahrungsgemäss am besten gemeistert, wenn

- die zeitliche Verfügbarkeit von vornherein sichergestellt wird.

- Englisch schon vorher als Firmensprache eingeführt wurde.

- Videokonferenz-Einrichtungen für Ad-hoc-Sitzungen zur Verfügung stehen.

- die übrigen VR-Mitglieder Verständnis für die Kultur des/der ausländischen Kollegen mitbringen; bei Japanern ist dies schwieriger als bei Amerikanern.

Die Auskünfte der befragten VR-Präsidenten zeigen, dass ausländische Mitglieder eindeutig zur Bereicherung eines Verwaltungsrats beitragen. Diese Bereicherung geht deutlich über die kulturelle Öffnung und die Internationalisierung des Gremiums hinaus. Denn ausländische VR-Mitglieder

- brachten und bringen neue Ideen und Verbesserungen zu Fragen der Corporate Governance ein.

- tendieren zur besseren Präsenz und Sitzungsvorbereitung als ihre inländischen Kollegen.

- stärken die Effektivität der Sitzungen, indem sie auf konkrete Ergebnisse während der verfügbaren Sitzungszeit drängen.

Die insgesamt positiven Erfahrungen der Befragten schlagen sich in der Absicht verschiedener Unternehmen nieder, den Anteil Ausländer im Verwaltungsrat in Zukunft durchaus bis zur gesetzlichen Limite (Zahl der Schweizer im VR minus eins) zu erweitern. Darüber hinaus wird diese Quotenregelung von den meisten Befragten als überholt und störend abgelehnt.



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