Zürich-Wiedikon, Café Plüsch um Punkt 14.30 Uhr. Rucksackbepackt und mit leuchtend hellblauer Winterjacke eilt Timon Sommer ins Lokal. Der Einstieg ins Gespräch: eine Umarmung. Klar, so begrüsst man sich eben unter Jungen. Jung – ein Wort, das im folgenden Gespräch immer wieder vorkommen wird.
An der Bar bestellt er sich Kaffee. Er trinkt seinen schwarz. Bald steht tatsächlich fest, dass es sich bei dem Interviewten nicht um einen klassischen 19-jährigen Iced Latte mit Oat Milk trinkenden, im Leben umhereiernden Menschen handelt. Im Gegenteil.
Das Motto «Effizienz im Alltag» spiegelt sich allerdings nicht nur in seiner Getränkewahl, sondern auch in seinen sonstigen Lebensumständen wider. Um Pendeln zu vermeiden, besitzt Sommer gleich zwei Wohnungen – eine in Baselland und eine in Zürich. Und über die Einstiegsfrage, wie er seine Freizeit denn gerne gestalte, kann er sich amüsieren. Freizeit? Ein Wort, das in seinem alltäglichen Vokabular scheinbar keinen Platz findet. Arbeit gäbe es schliesslich genug. Beinahe zu viel.
Nicht dass ihn dies aus der Ruhe bringen würde. Denn wie so oft findet er auch darauf eine diplomatische Antwort: «Ich denke, viel Arbeiten bringt an sich keinen Stress. Ich denke Stress kommt erst dann, wenn man vor einer Problemstellung steht und keine Lösung hat.»
Eine Formulierung, die wohl nicht überraschen sollte. Denn Timon Sommer ist Jungunternehmer.
Der Anfang der Social-Media-Karriere
Jung war Sommer auch, als er mit zwölf Jahren begann, über YouTube sein Minecraft-Spielen zu streamen. Heute kann er mit einem Lachen auf die Zeit zurückschauen. «Spektakulär waren die Videos mit zwölf Jahren natürlich noch nicht. Aber funktioniert hat es trotzdem.» Er sei schon damals jemand gewesen, der etwas habe schaffen und mit Menschen teilen wollen. Von da an sei er dann nach und nach, wie er es ausdrückt, in die Schweizer YouTube-Szene «gestolpert».
Der Wunsch von der Social-Media-Karriere bleibt weiterhin stark. Trotzdem musste Sommer bald feststellen, dass es keinen klassischen Berufsweg gibt, um Influencer zu werden. So entschied er sich, eine Lehre zu machen. Nebenbei kreierte er allerdings fortlaufend Content für seinen Kanal «TimiTime» auf YouTube und TikTok und erkannte, dass seine Viewer Base wächst. Dann mit sechzehn der entscheidende Umschwung in seiner Karriere: Eine Instagram-Anfrage von Yaël Meier, Gründerin von Zeam, einer auf die Generation Z spezialisierten Beratungs- und Werbeagentur. «Innerhalb von ein bis zwei Monaten habe ich meine Lehre geschmissen und bin zu ihnen gegangen.»
Zwei Jahre später machte sich Sommer selbstständig und gründete das Social-Media-Medienhaus Virally. Dieses spezialisiert sich auf Unternehmensberatung und Produktion von Social-Media-Kampagnen. Seine Augen leuchten auf. Der 19-Jährige, der um den Hals zwei Ketten mit bunten Perlen und sein Haar zerzaust trägt, wandelt sich zum Unternehmensleiter, zum Werber, zum Strategen. Er faltet die Hände auf dem Tisch, als er zu erklären beginnt. «Ich glaube vieles ist veraltet. Medienunternehmen müssen schliessen, weil sie nicht mehr funktionieren. Dabei glaube ich nicht, dass sich junge Leute plötzlich nicht mehr für Medien interessieren, sondern diese anders konsumieren. Wir sind genau auf diesen Plattformen und helfen anderen, dies zu verstehen.»
Virally sieht sich allerdings nicht nur als Jugendunternehmen. Dies zeigt sich in diversen Partnerschaften – von Coop bis Login Berufsbildung – wie auch in den Kampagnen. Das Unternehmen war beispielsweise mit der SRG für die Produktion des Social Media Contents von Nemo am ESC zuständig. Aber es setzt sich auch mit der Kampagne «Für es suubers Lieschtel» auf den «BasellandSzene»-Kanälen gegen Verschmutzung ein.
Kein spezifisches Zielpublikum gesucht
Als das Gespräch auf die Zusammenarbeit mit den «Schwiizergoofe» fällt, scheint Sommer für einen Moment aus der Rolle des Unternehmers zu brechen und wehmütig zu werden. Schliesslich ist er vor Jahren einst selbst Teil der Kinderband gewesen. «Das Projekt mit den Schwiizergoofe ist sehr herzerwärmend, genau wie die Videos», schwärmt er. «Ich darf die Kinder bei ihren Abenteuern begleiten und sehe, wie sie durch gezielte Förderung über sich hinauswachsen. Kinder sind ehrlich und direkt. So etwas kann man nur authentisch machen. Und ich glaube, so ist es auch bei anderen Kanälen.»
Dass durch diverse Partnerschaften ein breites Zielpublikum angesprochen werden soll, sieht Sommer als Chance. Ob jung oder alt – laut ihm konsumiert heute jeder und jede Social Media Content. So erzählt er lachend, dass sogar seine Grossmutter Snapchat benutze.
Trotz der Herausforderungen, die die Wahrnehmung seines Berufs mit sich bringt, steht für Sommer fest: Social Media ist keine vorübergehende Erscheinung, sondern eine unvermeidbare Realität. «Vielleicht sehen wir uns die Situation politisch an», erklärt er und neigt den Kopf zur Seite. Der ganze Wahlkampf lief in Amerika über Social Media ab. Aber auch sonst wird es in allen Bereichen im Leben relevanter. Ich kann verstehen, dass man Angst hat vor neuen Dingen. Aber jetzt sind wir nicht mehr an einem Punkt, wo man sagen kann, dass Social Media nicht funktioniert oder irrelevant ist. Jetzt sind wir an einem Punkt, an dem man es schlicht nicht verstehen will.»
Nach einer guten halben Stunde neigt sich das Gespräch schliesslich dem Ende zu. Belangloser Small Talk scheint ihm ansonsten nicht zu behagen. Während er die beiden Kaffees bezahlt, meint er beiläufig, dass er heute noch vier Konzepte fertigzustellen habe. Über die zugegebenermassen nur halbwegs ernst gemeinte Frage, wie es bei ihm zukunftsmässig denn aussehe – ob die Karriere eher wieder in eine gesangliche Richtung gehen solle, kann er laut lachen. «In ein paar Jahren? Wer weiss. Mal schauen.»
Ein Jungunternehmer eben.