25.07.2021

Ads gegen Kommission

Warum Affiliate-Marketing unterschätzt wird

Dank dem pandemiebedingten Digitalisierungsschub bestellen Schweizerinnen und Schweizer mehr Produkte im Netz. Dies führt dazu, dass Affiliate-Marketing an Attraktivität gewinnt. In den Marketingbudgets fristet diese Vermarktungsart aber ein Nischendasein.
Ads gegen Kommission: Warum Affiliate-Marketing unterschätzt wird
Affiliate-Marketing schaut kompliziert aus, ist aber im Grundsatz ganz einfach. Viele Marketingverantwortliche tun sich trotzdem schwer damit. (Bild: Pixabay)
von Loric Lehmann

Zahlen der Konjunkturforscher des KOF zeigen: 2020 wurden hierzulande 13,1 Milliarden Franken im Onlinehandel umgesetzt. Das entspricht einem Zuwachs von über 27 Prozent gegenüber dem Vorjahr. So führt dies dazu, dass viele Brands noch stärker auf ihre Onlineshops setzen.

E-Commerce boomt also und damit auch andere Arten der Produktvermarktung, insbesondere im digitalen Bereich. Das Affiliate-Marketing ist eine davon. Diese Form des Digitalmarketings dreht sich um den Austausch von Werbeplätzen für Produkte gegen Kommission. Diese Kommission wird dann entweder einmalig auf den Verkauf eines Produktes an einen Kunden berechnet oder kann auch für jeden weiteren Kauf einer Kundin berechnet werden.

Auf der einen Seite sind die Publisher, die die Werbeanzeigen neben oder über ihren Content ausspielen. Auf der anderen Seite sind die Werbekunden beziehungsweise Händler, die ihre Produkte auf den Werbeplätzen anbieten.

Affiliate-Netzwerke als Vermittler

Einer der grössten Player in diesem Bereich ist Awin. Das global agierende Affiliate-Marketing-Netzwerk gehört zu Axel Springer und United Internet. Die Awin-Gruppe ist weltweit an 15 Standorten vertreten und beschäftigt etwa 1000 Mitarbeiter. Das Netzwerk ist dazu da, Publisher und Werbekunden zu verbinden. So stellt es Plattformen zu diesem Zweck zur Verfügung und übernimmt auch die Verrechnung der Werbekosten – gegen Gebühren versteht sich.

Im Gegensatz zum Ausland nimmt das Affiliate-Marketing in der Schweiz nur einen kleinen Anteil am Marketingmix der Werbekunden ein. Die Verbände Leading Swiss Agencies (LSA) und der Schweizer Werbe-Auftraggeberverband (SWA) haben Ende 2020 158 ihrer Mitglieder zu ihren Einschätzungen und Aussichten im Schweizer Werbemarkt befragt (persoenlich.com berichtete).

Affiliate-Marketing auf dem letzten Platz

Heraus kam: Nur sechs Prozent des Marketingbudgets wollen die Werbeauftraggebenden 2021 in das Channel/Affiliate-Marketing investieren. Im Ranking findet sich dieser Kanal also auf dem letzten Platz.

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Florian Wallner ist Director Switzerland & Global Key Account Management bei Awin und sagt, Affiliate-Marketing werde unterschätzt. Er ist seit gut sieben Jahren bei Awin und hat beim Aufbau von Partnernetzwerken in verschiedenen europäischen Ländern mitgearbeitet. Im Vereinigten Königreich beispielsweise liegt das Budget für Affiliate-Marketing bei etwa acht Prozent.

Wallner sieht bei dieser Differenz strukturelle, aber auch kulturelle Gründe ursächlich. In der Schweizer Unternehmenslandschaft machen zahlenmässig die KMU mit wenigen Mitarbeitenden den Grossteil der Unternehmen aus. Ebenfalls verursachen die vier unterschiedlichen Sprachregionen ein komplexeres Marktumfeld als in den direkten Nachbarländern.

Komplexität zu hoch

«Häufig ist die Person, die sich um das Marketing kümmert, die eierlegende Wollmilchsau und muss sich um alle Kanäle gleichzeitig kümmern. Deshalb ist die Expertise, was klassische Vermarktungsformen wie SEA oder Display-Werbung angeht, viel höher», sagt Wallner. Das Affiliate-Marketing werde deshalb oft auch als zu komplex angesehen.

Dies will nun Awin angehen und sich neu positionieren, damit auch KMU diese Vermarktungsform für sich entdecken. Denn gerade bei der Komplexität kann ein grosses Netzwerk helfen.

Wettbewerb um digitale Werbeplätze

Da viele Werbekunden immer stärker ihre Werbebudgets ins Digitale verlagern, findet auch ein Wettbewerb um gute Werbeplätze statt: Denn irgendwann sind die bestehenden Kanäle ausgereizt. Bei SEA und Displaywerbung gab es einen Verdrängungswettbewerb, da die Nachfrage höher als das Angebot war. So waren die Märkte häufig gesättigt.

Der Traffic nahm auch auf Publisher-Seite zu. So reagierten Affiliate-Publisher auf die gestiegene Nachfrage nach relevanten Inhalten zu Themen wie Haus und Wohnen, Individualsport oder Home-Office-Ausstattung. Während des Black & Cyber Weekends 2020 stieg der von Publishern in der Schweiz generierte Traffic um 45 Prozent im Vergleich zu 2019, wie Wallner sagt.

Weitere Gründe für Nischendasein

Wallner sieht auch das zögerliche Verhalten von Verlagshäusern als Grund, warum Affiliate-Marketing in der Schweiz so einen geringen Stellenwert hat. In Deutschland ist der Axel Springer Verlag, der an Awin beteiligt ist, Treiber der Entwicklung. In der Schweiz gebärdet man sich derweil noch zögerlich.

Wallner erklärt dies folgendermassen: «Einerseits war der Druck durch die Preise und durch Innovation lange nicht hoch genug.» Dies sei auch auf den Wegfall von dreistelligen TKPs, wie dies im Gegensatz zur Schweiz in anderen Ländern nicht mehr möglich ist, zurückzuführen.

Laut Wallner hat sich in Deutschland Axel Springer schon früh auf dieses Feld konzentriert, um deren Reichweite und Content digital zu vermarkten. Hierzulande hat das Joint Venture von Ringier und Axel Springer seit einiger Zeit angefangen, dies ebenfalls aufzubauen. Gleiches gilt für Tamedia und andere grosse Player.

Schweizer Agenturen kümmern sich nicht

In der Schweiz spielt noch ein anderer Unterschied eine Rolle: Mediaagenturen im Ausland sind oft Partner von Affiliate-Netzwerken. In der Schweiz hingegen haben die Agenturen es häufig versäumt, die Ressourcen und auch das Know-how aufzubauen, weswegen nun ausländische Agenturen in den Schweizer Markt drängen, um die Lücke zu füllen.

Oder indem Awin mit Werbekunden direkt zusammenarbeitet, wie Wallner weiter sagt. Es sei aber das Ziel des Netzwerks, auch in Zusammenarbeit mit dem IAB (Interactive Advertising Bureau) Aufklärungsarbeit zu leisten. So sind verschiedene Events geplant, die noch dieses Jahr stattfinden sollen.



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