Interview: Matthias Ackeret Bild: zVg
Herr Moser, Illycafé ist die Pionierin der Schweizer Kaffeekunst. Wodurch zeichnet sich diese aus?
Illycafé AG wurde als erste Tochtergesellschaft von Illy Trieste 1939 in der Schweiz gegründet und hat sozusagen den italienischen Espresso mit kräftiger, feiner Röstung in die Schweiz gebracht. Illy verwendet prioritär 100 Prozent Arabica-Bohnen, die als edelste Sorte gelten und einen feinen, fruchtigen Geschmack bieten. Entscheidend ist jedoch die geheime Mischung der verschiedenen Sorten, welche während rund 15 Minuten geröstet, danach abgekühlt und abgefüllt wird. Bei Illy scannen wir jede Bohne, bevor wir sie für unsere Produkte einsetzen, und testen unseren Kaffee mit Experten. Deshalb ist unsere Qualität einzigartig und eine Garantie für ein tolles Geschmackserlebnis.
Ihr Unternehmen befindet sich seit der Gründung 1939 in Familienbesitz.
Was bedeutet dies für den Betrieb?
Die Leidenschaft für die hohe Kunst der Gourmetkaffee-Herstellung zieht sich durch sämtliche Abteilungen des Familienunternehmens hindurch. Die Illy-Gruppe selbst ist heute ein globales Familienunternehmen. Sie bedient 140 Zielmärkte weltweit und legt sehr viel Wert auf ethisches Verhalten mit den lokalen Kaffeebauern und ist hierzu B-Corp-zertifiziert. Illycafé Schweiz hat sich im Rahmen einer Nachfolgeregelung nun wieder mit der Illy-Gruppe zusammengeschlossen, was viele neue Geschäftsfelder und Möglichkeiten eröffnet.
Sie selbst sind seit einem Jahr Geschäftsführer bei Illycafé. Ihre Aufgabe sei es, das Traditionsunternehmen in neue Gewässer zu lenken, ohne vom bisherigen Erfolgskurs abzukommen. Was heisst das konkret?
In der Tat habe ich die spannende Aufgabe, das weltweit bekannte Produktportfolio von Illy Italien in der Schweiz (im Jahr 2024) zusätzlich einzuführen. Aktuell sind wir daran, unseren Schweizer Webshop an das elegante, internationale «Look and Feel» anzupassen und unsere Partnerschaften im Onlinehandel auszubauen. Konkret heisst dies auch, intern die Digitalisierung voranzubringen und die Organisation für die neuen Geschäftsfelder zu schulen – was einem Job-Enrichment gleichkommt. Wir produzieren aber auch unsere Schweizer Produkte in unserer Manufaktur in Thalwil erfolgreich weiter, welche man beispielsweise in Spitzenhäusern an der Bahnhofstrasse, im «Baur au Lac» in Zürich, im «Schweizerhof», im «Laudinella» in St. Moritz oder im «Fairmont» in Genf geniessen kann. Unser Schweizer Foodservice-Angebot bleibt unverändert, und unsere Produkte werden übrigens auch von Thalwil aus in über vierzig Länder weltweit exportiert.
Wo gibt es für Sie neue Geschäftsfelder?
Illycafé kommt eigentlich von der Spitzengastronomie nun neu in den Retail, den Office-Kanal sowie ins Vending. Auch spannend ist, dass Illy als Erfinder der Espresso-Maschine im Jahr 1936 neu 2024 erstmals eigene, elegante Illy-Kaffeemaschinen für zu Hause in der Schweiz anbietet. Dadurch sind nun unverhofft auch Warenhäuser und Elektronikfachmärkte neue Kundensegmente, mit welchen wir in Kontakt treten.
Welche Rolle spielt der Onlinehandel im Kaffeegeschäft?
Der Onlinehandel macht im Schweizer Kaffeemarkt rund 20 Prozent des Umsatzes aus, weshalb wir glauben, hier noch stark wachsen zu können. Insbesondere bei Kaffeemaschinen spielt vor Weihnachten die Musik. Bei Illy verschicken übrigens unsere Kaffeeröster die Päckchen persönlich an unsere Kunden. Man kann aber auch bei uns im neu gestalteten Factory-Shop in Thalwil seine Lieblingsprodukte selbst abholen sowie von der grossen Auswahl und der persönlichen Beratung profitieren.
Nachhaltigkeit spielt bei Illycafé eine grosse Rolle. Was bedeutet das in der Praxis?
Illycafé setzt sich für einen direkten Draht zu seinen Produzenten ein, fördert das Recycling der verwendeten Materialien und prüft die Akteure und Schnittstellen der Lieferkette genau. Wir nutzen in der Schweiz Zertifizierungslabels der Rainforest Alliance, von Max Havelaar und Bio. Kaffee bei uns ist zudem auch als halal und koscher zertifiziert.
Welche Auswirkungen hat dies auf die Preisgestaltung?
Aufgrund der Nachhaltigkeit kostet der Kaffee hier zu Recht etwas mehr, aber auf eine Tasse gerechnet, sind dies ein paar Rappen, welche meines Erachtens gut für die Kaffeebauern und unsere Umwelt investiert sind.
Welche Herausforderungen stellen sich für eine Kaffeefirma, die in der Schweiz ansässig ist?
In der Schweiz gibt es rund 180 Röster. Das können Mikro-Röster sein, die sackweise Kaffee einkaufen und diesen selbst in der näheren Umgebung verklickern, bis hin zu multinationalen Grosskonzernen, die für die Schweiz und die ganze Welt produzieren. Als mittelgrosse Manufaktur in der Schweiz können wir uns nur über unsere einzigartige, beständige Qualität und einen Top-Service in der Gastronomie behaupten. Illycafé ist nun seit 1939 im Schweizer Markt und bedient Kunden mit viel Passion und Engagement. Aktuell verteuert der starke Schweizer Franken die Ware für die Exportkunden massiv, wo wir heute an gewisse Grenzen stossen, insbesondere im US-Dollar-Raum, aber auch in der EU.
Haben sich die Kundenbedürfnisse in den vergangenen Jahren stark verändert und, wenn ja, wie?
Die Konsument:innen haben in den letzten Jahren und insbesondere in der Pandemiezeit mehr Wert auf guten Kaffee zu Hause gelegt. Nach wie vor trinken Schweizer:innen im Durchschnitt 3 Tassen am Tag, das ist im internationalen Vergleich stark, aber am meisten Kaffee wird nach wie vor in Finnland getrunken, wo anscheinend auch die glücklichsten Menschen leben.
Was sind die aktuellen Kaffeetrends?
Der Trend bewegt sich weg von Kapseln und kehrt zum Bohnenkaffe zurück, welcher sogar etwas günstiger ist. Allerdings arbeitet Illy neu mit CoffeeB zusammen, dem ersten Kapselsystem ohne Kapseln, welches nun bei Migros erhältlich ist. Da die Kaffeebällchen zu 100 Prozent heimkompostierbar sind, ist dies revolutionär und eine tolle Lösung mit Frischegarantie.
Der Geschmack ist und bleibt jedoch 100 Prozent Illy aus neun Arabica-Sorten und bietet den Konsument:innen nun eine elegante Espresso-Lösung, welche in dieser Art konkurrenzlos ist. Im Kaffeebereich gibt es jedes Jahr spannende Neuheiten und Lösungen, das macht den Markt so interessant.
Überall ist von künstlicher Intelligenz die Rede. Wird diese in Ihrer Fima auch schon angewendet?
Künstliche Intelligenz verwenden wir im Büro täglich im Übersetzungsbereich, im Web-Shop sowie in der Spesenabrechnung und in vielen weiteren Bereichen, wo wir selbst gar nicht mitbekommen, dass AI mithilft.
Kaffeetrinken ist und bleibt aber menschlich, und guten Kaffee kann man zum Glück nicht durch AI ersetzen. Kaffee-Aromen bleiben übrigens bis zu 30 Minuten im Gaumen hängen, da erlebt man selbst, dass der Geschmack mit oder ohne Koffein den Unterschied macht.
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