25.02.2025

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«Einen Leader messe ich daran, was er macht, wenn es nicht läuft»

Coaching-Tipps zum Frühstück von einem ausgewiesenen Fachmann aus dem Spitzensport: An der ersten «Breakfast Session» des Vereins der Schweizer Stadion- und Arenabetreiber (VSSA) verriet der ehemalige Top-Hockeyspieler und -trainer Jeff Tomlinson in einem inspirierenden Vortrag seine Erfolgsrezepte, um die beste Performance aus einem Team herauszuholen. Das passende Ambiente dazu bot das Restaurant LUX im Kongresshaus Zürich.
Ausgabe 01/02 2025: «Einen Leader messe ich daran, was er macht, wenn es nicht läuft»
Fragenrunde mit Jeff Tomlinson (r.), moderiert von Christian Fontana (l.).

Text und Bilder: Zeno van Essel

Keine Gelegenheit ist besser geeignet, um sich auf persönlicher Ebene auszutauschen, als ein gutes Frühstück im Restaurant LUX im Zürcher Kongresshaus. Das gemütliche Lounge-Ambiente mit elegantem Business-Touch vermittelt das, was Jeff Tomlinson ganz am Anfang seines spannenden Vortrags in den Fokus stellt: Authentizität. «Ein Trainer muss authentisch sein», sagt er – und führt danach aus, dass es dabei nicht nur darum geht, den eigenen Charakter und die eigene Person möglichst unverfälscht zu präsentieren. Vielmehr geht es darum, seine Teamplayer als Menschen zu verstehen, ihre «DNA» zu kennen, «zu wissen, wie jeder Spieler tickt», wie er es formuliert. 

Schon sind die Mitglieder des VSSA mitten in der ersten «Breakfast Session». In diesem neuen Format treffen sich die Teilnehmenden frühmorgens zu einem gemeinsamen Frühstück, bei dem anhand einer Keynote aktuelle Themen vertieft werden können – noch bevor der Business-Alltag alle Energie und Aufmerksamkeit absorbiert. Für die Premiere konnte der ehemalige Top-Eishockeyspieler und -trainer Jeff Tomlinson gewonnen werden. Als Speaker der visionaris GmbH von Christian Fontana, selbst auch vor Ort als Moderator des Anlasses, teilte er seine Erfahrungen und Gedanken zum spannen-den Thema «Wie holt man die maximale Leistung aus einem Team?». Tomlinson, 53, blickt auf eine beeindruckende Karriere im Eishockey zurück. Geboren in Winnipeg, Kanada, führte ihn seine Laufbahn von den Eisflächen Nordamerikas bis nach Deutschland, wo er sowohl als Spieler als auch als Trainer Erfolge feierte. Als Cheftrainer führte er die SC Rapperswil-Jona Lakers in die höchste Schweizer Liga und gewann den Schweizer Cup. Danach führte der Deutschkanadier den EHC Kloten nach dem Aufstieg in die NLA in die Pre-Playoffs und ist bis heute dem Club als Berater verbunden. 

Obwohl Eishockey das Image eines Sports für harte Haudegen hat, zeigte Jeff Tomlinson mit seinen spannenden Blicken hinter die Kulissen auf, dass es oft die Soft Skills sind, die ein Team weiterbringen. Er zitiert den ehemaligen US-Präsidenten Theodore Roosevelt mit einer Weisheit, die er für seine Arbeit als Trainer als Leitmotiv gewählt hat: «Players don’t care how much you know until they know how much you care» (Spieler kümmern sich nicht darum, wie viel du weisst, bis sie wissen, wie viel du dich kümmerst). Zu wissen, wie die Stimmung in der Kabine ist, zu wissen, wie viele Kinder ein Spieler hat und wann sie Geburtstag haben, zu merken, wann ein Spieler wegen seines Benehmens toxisch für die Mannschaft ist, und ihn dann auszusortieren, sogar wenn er auf dem Papier der MVP (Most Valuable Player, der wertvollste Spieler) des Teams ist – all das hat Tomlinson als Eishockeytrainer erlebt und praktiziert. Darum sieht er ein Gespür für Feinheiten auch für Manager, die in einem Unternehmen ein Team leiten, als entscheidenden Faktor für Erfolg. Dazu gehört auch, dass man klare Prinzipien haben und wenn nötig auch «toughe» Entscheide fällen sollte. Dabei geht es aber auch wieder darum, den richtigen Ton zu treffen. Was sagt man einem Team nach einem Sieg, was nach einer Niederlage? «Da muss man als Trainer oder Manager spüren: What’s important now – was ist jetzt in diesem Moment gerade wichtig?», so der erfahrene Eishockey-Experte. «Ich war viel härter mit meinen Mannschaften, wenn wir gewonnen hatten. Denn dann musste ich sie wieder auf den Boden der Realität zurückholen und ihnen mitgeben: Stay humble – bleibt bescheiden!» Auch «Over-Coaching» ist etwas, das man laut Tomlinson vermeiden sollte. Kleine Änderungen können bereits viel bewirken, wenn man beim Plan bleibt und diesen kontinuierlich verbessert. Dabei ist es wichtig, nicht ständig über die grossen Ziele zu schwadronieren, sondern immer nur den nächsten Schritt zu kommunizieren. «Die Spieler müssen genau wissen, was ich von ihnen erwarte – und genauso müssen sie wissen, was sie von mir erwarten können. Und manchmal gehört auch dazu, zuzugeben, dass man gerade keine Lösung parat hat.» 

Während Jeff Tomlinson mit seinen spannenden Einblicken und vielen persönlichen Anekdoten die Zuhörenden in seinen Bann zieht, werden diese vom Team des LUX diskret mit Kaffee, Onsen-Ei, Pancakes und fruchtigen Leckereien verwöhnt. Der Gastgeber Michel Loris-Melikoff, Direktor und CEO des Kongresshauses Zürich, freut sich, so viele zufriedene Gesichter zu sehen: «Dass sich die Branchen-Expertinnen und -Experten des VSSA bei uns so wohlfühlen, ehrt uns besonders und macht mich stolz.» 

Viel zu schnell verfliegt die Zeit. Natürlich gibt es im Anschluss an das Referat noch viele Fragen an Jeff Tomlinson: Wie er damit umgeht, wenn er einen Spieler einmal nicht aufstellen kann? «Ich rufe ihn sofort an, um sein Vertrauen zu gewinnen. Ich habe kein Problem, auch mal böse zu sein mit einem Spieler, solange meine Emotion authentisch ist und wir danach in Ruhe darüber reden können.» Wie er es schafft, als Coach auf der Bank bei diesem schnellen Sport so schnelle Entscheide zu treffen? «Ich führe viele Selbstgespräche», so Jeff Tomlinson. «In meinem Kopf höre ich dann immer den Song ‹Comfortably Numb› von Pink Floyd und rede mir ein, ich sei die Ruhe selbst – auch wenn das nicht der Fall ist.» Wie er spürt, welche Position für welchen Spieler die beste ist – und wie er das kommuniziert? «Man muss immer mit den Leuten reden – über ihre Träume und ihre Möglichkeiten. Und wenn man eine Idee hat, muss man sie ihnen verkaufen. Als Coach ist man auch ein Salesman.» Ob er die drei wichtigsten Punkte zusammenfassen kann, wie man als Coach das Beste aus seinem Team herausholt? «Erstens: authentisch sein. Wenn du ein Arschloch bist, sei ein Arschloch», sagt Jeff Tomlinson und lacht. «Zweitens: präsent sein. Verkrieche dich nicht hinter deinem Computer, sondern sei bei deinen Leuten, rede mit ihnen, frage sie nach ihren Ideen und kommuniziere ihnen deine. Und drittens: Care! Kümmere dich um deine Teammitglieder als Menschen, nimm an ihrem Leben teil und lasse sie spüren, dass du für sie da bist.» 


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