05.06.2024

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Im Rausch der KI

Das Tessiner Weingut Al Mulinetto setzt neben mit Herzblut produziertem Wein, Grappa und Likör auf einen wesentlichen Bestandteil: Kreativität. Basierend auf dem Leitgedanken, organisch zu wachsen, entstehen in mehrfacher Hinsicht aus­gezeichnete Produkte. Für die letztjährige Kampagne fütterte man die KI (kreative Intelligenz) mit den Genusskennzeichen des eigenen Merlots, Grappas, Rosatos und Nocinos. Herausgekommen sind kunstvolle Plakate, die an den ADC Awards 2023 mit einem Silberwürfe (Kategorie Art Direction) sowie einem Bronzewürfel (Kategorie Plakate) prämiert wurden. Claudia Siegfried Gut, verantwortlich für die Kommunikation bei Al Mulinetto, erläutert, wann der Mensch und wann die Maschine das Mass der Dinge ist.
Ausgabe 05/2024: Im Rausch der KI
Werbung für das Tessiner Weingut AI Mulinetto.

Interview: Sherin Kneifl Bilder: Al Mulinetto

Frau Siegfried Gut, mit welchem Getränk haben Sie auf die Kreativpreise an den ADC Awards 2023 angestossen?

Natürlich mit einem Al Mulinetto, unserem leichten, frischen Merlot Rosato. Seit zwei Jahren produzieren wir für die Sommermonate einen Rosé-Wein, der sich natürlich für den Anlass im Juni super geeignet hat. 

Die Kampagne wirbt mit dem Slogan: The Contemporary Art of Drinking. Was genau ist denn unter zeitgemässem Trinkgenuss zu verstehen? 

Dieser Slogan ist die Weiterentwicklung unseres langjährigen Claims: «Al Mulinetto. The Fine Art of Drinking». Er beinhaltete die Doppeldeutigkeit: den gepflegten Trinkgenuss und die künstlerischen Umsetzungen unserer Werbeplakate. Die Weiterentwicklung zum Zeitgemässen bezieht sich demnach auch auf die entsprechende Umsetzung der Kunstplakate mit KI. Als zeitgemäss erachte ich natürlich, auf ein hochwertiges, heimisches Produkt zurückzugreifen. 

Die Sujets entstanden wie erwähnt mithilfe von KI. Inwiefern kommt künstliche Intelligenz auch beim Weinanbau bzw. bei der Weinproduktion schon zum Einsatz? 

Zum Glück gar nicht. Bei uns ist noch fast alles Handarbeit. Da unsere Weinberge in Gordola sehr steil sind, ist – abgesehen von einem Fadenmäher – der Einsatz von Maschinen nicht möglich. Die Pflege der Trauben geschieht ausschliesslich von Hand. Natürlich nutzt unser Önologe Fabio Zanini zur Weinherstellung neuste Technik, aber eben keine KI.

Ihre Kampagnen entstehen stets in Zusammenarbeit mit einem Künstler oder einer Künstlerin. Warum haben Sie sich seit Jahren für Werbung mit künstlerischem Anspruch entschieden? 

Die Weinherstellung ist auch eine Kunst. Das passt somit wunderbar zusammen. Zudem knüpfen wir an eine alte Tradition an, denn bereits in den frühen Jahren der Werbung gestalteten bekannte Künstler Etiketten und Plakate für Spirituosenhersteller.

Die Plakate sind sogar Teil von Sammlungen, etwa im Museum für Gestaltung in Zürich. In welcher Auflage können Sie Sammlerinnen und Sammler jeweils erwerben? 

Wir sind sehr stolz, dass unsere Plakate schon einige Preise gewonnen haben und im Museum für Gestaltung vertreten sind. Noch schöner ist aber, dass die Auflage von jeweils 50 Kunstdrucken sofort weg ist und in unzähligen Wohnzimmern von Kunstliebhabenden hängen.

Zu Ihrem Sortiment gehören ein Merlot, ein Rosato, ein Grappa und ein Nocino. Was gibt den Ausschlag dafür, sich einem bestimmten Produkt zu widmen, und was macht es typisch für Ihr Weingut? 

Den Ausschlag geben unsere Trauben. Wir bauen Merlot-Trauben und die widerstandsfähige Americana-Traube an. Diese sind typische Sorten für das Tessin und die Region Sopraceneri. Aus der Merlot-Traube entstehen der Merlot Riserva und der Merlot Rosato. Aus den Americana-Trauben der Grappa und der Nocino. Wobei unser Grappa kein Tresterbrand, sondern ein Traubenbrand ist. Der Nocino, ein Tessiner Nusslikör, welcher im Dialekt Rataffia heisst, wird aus unserem Grappa und den eigenen Baumnüssen gemacht. Alles passt sozusagen zur Region und zueinander und ergibt sich sehr stimmig. 

Für die ausgezeichnete Plakatserie aus 2023 haben Sie die KI mit Begriffen wie «trockenes, körperreiches Aroma», «direkt, fein fruchtig» oder «von grossartiger Struktur und Eleganz» bzw. «leicht spürbare Gerbstoffe» gespeist. Würden Sie Ihren Geschmack als Vorgabe nehmen, welches Getränk würde daraus entstehen, und würden Sie es tatsächlich trinken wollen, wenn es auf einem digitalen Ursprung basierte? 

Direkt, fein fruchtig, frisch. Diese Charakteristika passen wunderbar zu unserem Merlot Rosato. Und den trinke ich selber auch sehr gerne in den Sommermonaten. 

Wie würden Sie für ein mit künstlicher Intelligenz generiertes Produkt werben lassen? Analog und old school?

Das kommt ganz aufs Produkt an. Die KI ist zum Beispiel bei unserer Kampagne nur ein Teil der Leistung. Den hauptsächlichen Unterschied schafft immer noch die Idee. Und eine gute Idee lässt sich schwer durch KI generieren. Wo ich dafür werbe, hängt zudem vom Zielpublikum ab. Das kann auf dem klassischen Plakat oder in digitalen Medien sein. Bei Al Mulinetto setzen wir auf Plakate und Social Media. Den grössten Werbeeffekt haben wir aber stets mit einer guten Bewertung bei einer Degustation. Die 92 Punkte, die zum Beispiel unser Grappa in der Bewertung des Gourmetmagazins «Falstaff» bekommen hat, waren die beste Werbung.

Die letztjährige Werbung ist im Dialog mit Ihnen bzw. Ihren Weinexperten, der Digitalexpertin Grit Wolany und der KI entstanden. Mit wem treten Sie demnächst in den Kommunikations-Trialog? 

Wir bleiben sicher unserem Konzept treu und arbeiten weiterhin mit Künstlerinnen und Künstlern zusammen. Als Prompterin der ersten Stunde war Grit Wolany unsere erste Wahl in dem Bereich. Wichtig ist uns, dass wir stets neue Stile ausprobieren und neue, noch nicht bekannte Kunstschaffende finden.

Alkohol hat aufgrund der Null-Promille-Toleranz, des Gesundheitsbooms bei der Ernährung und rechtlicher Einschränkungen bei den Werbemöglichkeiten an Beliebtheit eingebüsst. Wie schaffen Sie in der Kommunikation die Balance, Alkoholika als umsichtige Genussmittel zu promoten? 

Uns ist es ein Anliegen, in unserer Werbung den künstlerischen Aspekt und damit die klare Positionierung als Genussmittel hervorzuheben. Unsere Produkte sind rar, und dies soll zur Geltung kommen. Indirekt kommuniziert es auch, dass unsere Getränke nachhaltig und mit viel Handarbeit produziert werden. 

Schweizer Wein hat noch immer keinen Weltruf. Welche Massnahmen könnten ihm einen Schub geben? 

Die Schweiz hat in den letzten Jahren ein paar sensationelle Spitzenweine hervorgebracht. Gerade auch im Tessin. Natürlich sind es noch wenige. Aber das Niveau wird stetig besser. Je öfter die Önologen an nationalen und internationalen Degustationen teilnehmen, desto mehr steigt die Chance auf eine gute Bewertung. Zudem hilft es, wenn die Gastronomie auch vermehrt Schweizer Weine im Angebot hat und die Leute einen heimischen Tropfen probieren können.

Wonach soll ich das Getränk zu Tessiner Risotto oder Polenta wählen?

Zu einem lokalen Gericht empfehle ich einen lokalen Wein. Zum Risotto passt nicht nur ein Merlot del Ticino oder ein Pinot Noir, sondern auch ein Riesling oder ein Chardonnay. Zu Polenta würde ich einen schwereren, tanninhaltigen Merlot oder eine Flasche aus dem Veltlin wählen.

Wie ist Ihr Weinkeller bestückt? Und haben Sie einen Geheimtipp für Nachwuchs-Connaisseurs? 

Unser Weinkeller besteht natürlich aus verschiedenen weissen und roten Tessiner Merlots. Aber auch klassische Italiener aus der Toscana und französische Rotweine gehören dazu. Sicher dürfen trockene Weissweine aus Deutschland und Schaumwein aus der Franciacorta nicht fehlen. Ich empfehle, Weine von jungen Schweizer Önologinnen und Önologen zu probieren; zum Beispiel von Fabio Zanini aus Brissago (Azienda Giromit) oder Jonas Huber aus Monteggio (Huber Vini).


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