Text: Mike Hählen, Ekaterina Petrova Bilder: zVg
Nach dem Ersten Weltkrieg erlebte die Schweizer Wirtschaft einen bedeutenden Aufschwung. Unternehmen strebten danach, ihre Markenidentität zu stärken. Die 1920er-Jahre waren eine Blütezeit der Schweizer Grafik, insbesondere in der Tourismuswerbung. Kultur- und Tourismusplakate im Art-déco-Stil, mit klaren, eleganten Linien und symmetrischen Formen, präsentierten die Einzigartigkeit der Schweiz und stärkten den Ruf des Landes als exklusives Reiseziel. Diese Plakate legten den Grundstein für den berühmten «Swiss Style», der in den folgenden Jahrzehnten weltweite Anerkennung fand und für Qualität und Präzision stand.
Doch war Werbung schon damals nicht unumstritten. Es wurden ihr eine Allmacht und die unlautere Manipulation von Konsumentinnen und Konsumenten unterstellt. Das führte zum Bedürfnis der Branche, selbst auferlegte Standards einzuführen. 1925 wurde dafür der Schweizer Reklame Verband gegründet.
Radio als neues Medium
In denselben Jahren gewann das Radio als neues Massenmedium an Bedeutung. 1922 wurde die erste Radiostation in der Schweiz gegründet, und Mitte der 1920er-Jahre erkannte die Werbebranche das Potenzial dieses Mediums. Bis damals dominierte die Printwerbung. Das Radio ermöglichte eine direkte und emotionale Ansprache der Zuhörenden. Es erwies sich nicht nur als Informationsmittel, sondern auch als Stimme des Zusammenhalts in den wirtschaftlich unsicheren Zeiten der 1930er-Jahre und des Zweiten Weltkriegs. Der Schweizer Reklame Verband spielte eine wichtige Rolle bei der Schaffung eines ethischen Rahmens für diese neue Form der Kommunikation. Die Verantwortung für eine moralische und ehrliche Vermittlung der Inhalte wurde als Chance gesehen, positive Werte zu fördern – wobei die eigentliche Werbung für die Privatradios erst 1983 gestattet wurde, die SRG darf bis heute im Radio nur Sponsoring ausstrahlen.
Soziale Verantwortung, Selbstregulierung und Qualitätsstandards
Die Weltwirtschaftskrise der 1930er-Jahre hatte auch tiefgreifende Auswirkungen auf den Arbeitsmarkt und die soziale Struktur. Es entstand das Bewusstsein, dass auch Unternehmen und Werbetreibende eine soziale Verantwortung tragen. Werbung sollte nicht nur Konsumanreize setzen, sondern auf Wahrheit beruhen und zum sozialen Zusammenhalt beitragen. Der SRV förderte die «Wahrheit in der Reklame», was keinesfalls eine Reaktion auf staatlichen Druck war. Vielmehr strebte die Branche danach, das Berufsbild zu verbessern. Es war entscheidend, die zunehmende Professionalität der Branche zu betonen, indem man sich von den einst erfolgreichen, jedoch mittlerweile als fragwürdig geltenden Anfängen der Werbung abgrenzte. Die Akteure sahen diesen Wandel als notwendigen Fortschritt, der parallelen Entwicklungen in wissenschaftlichen Disziplinen entsprach und die Anfänge der Selbstregulierung markierte.
Der Ausbruch des Zweiten Weltkriegs veränderte das politische, soziale und wirtschaftliche Klima ebenfalls. Während der Kriegswirtschaft waren Grundnahrungsmittel und Güter wie Schuhe, Kleider und Brennstoffe rationiert. Die Schweizer Regierung begann, stärker in die Werbebranche einzugreifen. 1943 wurde ein Gesetz verabschiedet, das irreführende Werbung verbot. Der Schweizer Reklame Verband spielte eine zentrale Rolle als Vermittler und Hüter dieser Prinzipien und setzte Standards für Transparenz und korrekte Darstellung der beworbenen Produkte.
Damals so aktuell wie heute
Der ursprüngliche Fokus auf «Wahrheit in der Reklame» ist in anderer Form heute noch so aktuell wie damals. Die Rolle von KS/CS hat sich im Laufe der Jahrzehnte weiterentwickelt, doch die Kernwerte blieben bestehen: Integrität, Verantwortung und Authentizität. In einer zunehmend digitalen Welt mit globalem Wettbewerb und lauten Stimmen zur Regulierung von Werbeinhalten und Werbekanälen steht die Branche vor neuen Herausforderungen. Fragen zu Nachhaltigkeit, unlauterem Wettbewerb, Persönlichkeits- und Datenschutz sowie zu den Auswirkungen von Werbung auf die Gesellschaft sind heute relevanter denn je. KS/CS setzt sich einerseits für lautere Werbung ein, andererseits pocht KS/CS auf den Grundsatz, dass die Wirtschaftsfreiheit bewahrt bleiben muss und legal verfügbare Konsumgüter auch beworben werden können.
100 Jahre KS/CS – eine Serie
Was 1925 mit dem Schweizer Reklame Verband begann, ist heute aktueller denn je. KS/CS beleuchtet die vergangenen 100 Jahre und wird auch während der kommenden Jahrzehnte für marktwirtschaftliche Prinzipien in der kommerziellen Kommunikation einstehen. Wollen Sie mehr wissen oder Mitglied werden?
Hier erfahren Sie mehr: www.ks-cs.ch
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