09.04.2015

Blick am Abend

"Die Hoheit über journalistische Inhalte würden wir nie aus der Hand geben"

Im Rahmen einer grossen Werbekampagne von Samsung erscheint der "Blick am Abend" heute Freitag bereits am Morgen. Mitarbeiter des Verlags und der Redaktion verteilen das Sonderblatt selbst an die Passanten - darunter auch Chefredaktor Peter Röthlisberger. Im persoenlich.com-Interview spricht er über die Trennung von Werbung und publizistischen Inhalten, die Kosten einer solchen Ausnahmeproduktion und die Freude über den Direktvergleich mit "20 Minuten".
Blick am Abend: "Die Hoheit über journalistische Inhalte würden wir nie aus der Hand geben"

Herr Röthlisberger, besitzen Sie ein Smartphone von Samsung?
Nein, ein iPhone 6 plus. Ich bin sehr markentreu.

Heute Freitag erschien der "Blick am Abend" bereits am Morgen - in Zusammenarbeit mit Samsung. Wie kam es dazu?
Die Idee stammt von unserer Agentur Serranetga. Sie bereitete eine Kampagne für das neue Galaxy S6 vor. Der Claim heisst "Next is now". Sie fragten uns an, ob wir eine Zeitung machen wollen, in der schon am Morgen steht, was erst am Nachmittag passieren wird. Uns gefiel der verspielte, überraschende Ansatz. Und weil wir eine schnelle und flexible Truppe sind, gefiel uns auch die Herausforderung.

Der "Blick am Morgen" ist eine Aktivität der Werbekampagne von Samsung. Hatten Sie keine Bedenken mitzumachen?
Auch der 'Blick am Morgen' ist und bleibt eine nach unseren journalistischen Grundsätzen gemachte Zeitung. Die Hoheit über den journalistischen Inhalt würden wir nie aus der Hand geben. Aber solche kreativen Experimente gefallen mir. Ein Bedenkenträger bin ich generell nicht.  

In der Ausgabe wird nur Werbung des Elektronikkonzerns publiziert, das Lösungswort im Rätsel hat mit dem Galaxy S6 zu tun und die Seitenzahlen sind mit kleinen Handyakkus versehen. Man könnte sagen, Samsung hat die Ausgabe gekauft.
Natürlich haben sie den Inserateraum gekauft. Hoffentlich auch. Wir könnten als Gratiszeitung sonst nicht überleben.  

Welchen Einfluss hat Samsung auf den publizistischen Inhalt der Ausgabe?
Keinen. Wir haben nicht mal darüber diskutiert. Die Leser würden es uns sehr verübeln, wenn wir sie mit PR-Texten abspeisen wollten. Unser Digitalredaktor testet im 'Blick am Morgen' das neue Samsung. Das ist die einzige Annäherung an die Marke. Aber das hätten wir sowieso getan. Das gehört zu unserem Leserservice. Der journalistische Inhalt der Ausgabe ist so, wie unsere Leser ihn seit Jahren kennen.

Am Donnerstag produzierten Sie mit dem "Blick am Abend" und dem "Blick am Morgen" für den Freitag zwei Ausgaben in kürzester Zeit. Wie stressig war der Tag?
Wir haben 14 Stunden gearbeitet. Dafür entfällt die Produktion am Freitag.

Für einmal früher da: Das Logo des "Blick-am-Morgen".

Inwiefern unterscheiden sich die Abläufe von der regulären "Blick-am-Abend"-Produktion?
Wir produzieren den 'Blick am Morgen' als nationale Ausgabe, ausnahmsweise ohne Regionenseiten. Er wird bei Ringier in Adligenswil gedruckt, in einer erhöhten Auflage. Ab 6 Uhr liegt er in den 'Blick-am-Abend'-Boxen in der ganzen Deutschschweiz, nachmittags werden sie nochmals befüllt.

Ich nehme an, Sie sprechen nicht über Zahlen. Trotzdem: In welchem Bereich liegen die Kosten für die Ausnahmeproduktion des "Blick am Morgen"?
In einem sehr vernünftigen Bereich.

16 Mitarbeiter von Verlag und Redaktion verteilten den "Blick am Morgen" an die Pendler. Wieso stellen Sie Ihre Mitarbeiter an den Strassenrand?
Wir wollen den Pendlern persönlich erklären, weshalb sie den 'Blick am Abend' schon am Morgen bekommen. Wir kolportieren nicht zum ersten Mal. Ich freue mich darauf.

Sie haben die Sonderausgabe also auch verteilt. Wo traf man Sie an?
Am Bahnhof Stadelhofen in Zürich zwischen 6.30 und 8.30 Uhr.

Wie war die allgemeine Reaktion der 'Blick-am-Abend'-Redaktoren auf das Vorhaben?
Sehr positiv. Wir haben sehr experimentierfreudige, motivierte Mitarbeiter.

In der Medienmitteilung kündigen Sie einen Primeur für Freitag an. Hat die Geschichte etwas mit Samsung zu tun?
Nein. Mehr kann ich dazu aber noch nicht sagen. (Anm. d. R.: Der Facebook-Star Bendrit Bajra wird neuer Blick-Redaktor)

Sie schreiben zudem, Sie könnten so den Gratiszeitungleser-Morgen "farbiger und abwechslungsreicher" gestalten. Ein Seitenhieb an die Macher des Konkurrenzprodukts "20 Minuten"?
Der 'Blick am Abend' ist die leichtfüssigere und verspieltere Zeitung als '20 Minuten'. Das hat mit der Erscheinungszeit zu tun. Wir erfüllen unterschiedliche Aufgaben. Wir freuen uns aber auf den einmaligen Direktvergleich.

Interview: Michèle Widmer

Bild: Keystone
 



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