Nick Lüthi und Michèle Widmer
1. Mit diesen Zahlen brüsten sich die Verleger
NZZ-CEO Felix Graf machte den Anfang und nannte unter anderem die Zahl 2. Dabei bezieht er sich auf eine Umfrage vom Verband internationale Medienhilfe (IMH) von Anfang Jahr. Dabei erreichte die NZZ den zweiten Platz unter den angesehensten Zeitungen der Welt. TX-Group-Verleger Pietro Supino sagte als Erstes: «Mehr als 50». So viele Journalistinnen und Journalisten der TX Group hätten mittlerweile den Investigative Reporting Course an der Columbia University in New York in den letzten zehn Jahren absolviert. Das Programm befähige Mitarbeitende, den digitalen Wandel erfolgreich mitzugestalten. Ringier-CEO Marc Walder sagte 83 und bezog sich dabei auf den prozentualen Anteil vom operativen Gewinn, der im letzten Jahr aus dem digitalen Geschäft stammt. Es sei der höchste Wert, den Ringier je erreicht habe, und ein massgebender Wert, wenn es darum gehe, ein Unternehmen zukunftssicher zu machen. CH-Media-CEO Michael Wanner präsentierte mit 0 stolz die tiefste Zahl der Runde. So viel seien die Zahlen vom ersten Quartal gegenüber dem Businessplan abgewichen.
2. SRG soll Login-Pflicht Schub verleihen
Im Herbst 2018 lancierten die Verleger unter der Federführung von Ringier-CEO Marc Walder am SwissMediaForum die sogenannte Login-Allianz. Schweizer Online-Medien solle nur noch nutzen können, wer sich mit seinen persönlichen Daten anmeldet. Damit, so die Hoffnung, liesse sich der Nachteil gegenüber den grossen Tech-Plattformen wettmachen, die seit je nur mit Login zugänglich sind und dank der Daten personalisierte Werbung ausspielen können. In den sechs Jahren seither führten zahlreiche Schweizer Medien eine Login-Möglichkeit ein. Von einer Pflicht kann allerdings noch keine Rede sein. Weiterhin lassen sich zahlreiche Angebote auch ohne Login nutzen. Zwar hätten 3,15 Millionen Nutzerinnen und Nutzer ein Login erstellt, sagte Walder am SwissMediaForum. Allerdings seien die nicht konstant eingeloggt. Das würde sich ändern, wenn die SRG mit ihren gut frequentierten Plattformen eine Login-Pflicht einführte. Der scheidende SRG-Generaldirektor Gilles Marchand wies darauf hin, dass sie bereits über 1,5 Millionen Logins verfügten. So ist etwa die Video-Plattform PlaySuisse nur zugänglich, wenn man sich anmeldet. Marchand sagte, die SRG sei nicht ganz frei zu tun, was ihr beliebe. Aber, so Marchand mit einem Augenzwinkern in Richtung der Verleger: «Wenn ihr uns anderswo helft, dann helfen wir euch auch.»
3. Unterschiedliche Haltungen zur Halbierungsinitiative
Mit «anderswo» meinte Marchand natürlich die Halbierungsinitiative, die zwar nicht die Existenz der SRG bedroht, aber das Angebot dezimieren würde. Zu diesem Vorschlag aus SVP-Kreisen vertreten die Verleger unterschiedliche Haltungen, wie nicht erst am SwissMediaForum bekannt wurde. Die stärksten Sympathien hegt Michael Wanner, CEO von CH Media, obwohl auch er sagte, er sei «kein Freund der Initiative». Ihm gehe es um einen «Wettbewerb mit gleich langen Spiessen» zwischen privaten Verlagen und der SRG. Das sei heute nicht der Fall. «Wenn wir Videojournalisten ausbilden, dann gehen die zur SRG, weil sie mehr Lohn erhalten», nannte Wanner ein Beispiel. Oder die Sportrechte, wo CH Media gegen die SRG den Kürzeren zieht. Oder die ungleiche Konkurrenz im Internet. Wenn sich daran nichts ändere, «dann bin ich für die Initiative», so Wanner. Ganz anders Marc Walder: «Ich bin ein Gegner der Initiative», wiederholte der Ringier-CEO, was er an gleicher Stelle schon vor zwei Jahren gesagt hatte. Er sei vielmehr ein Befürworter der Frage: Was hilft dem Medienstandort Schweiz? Und da könne die SRG mit der Login-Pflicht helfen, wie er schon zuvor gesagt hat. Einer der sich in der Vergangenheit immer pointiert und kritisch zur SRG geäussert hatte, zog es diesmal vor, nichts zu sagen. Pietro Supino, TX/Tamedia-Verleger und ehemaliger Verlegerpräsident, sagte stattdessen, ihn beschäftige das Risiko der Manipulation des öffentlichen Diskurses am meisten. «Wir möchten zu einer freiheitlichen Gesellschaft beitragen und Menschen zusammenführen. Wenn wir das richtig tun, dann gibt es auch eine Nachfrage nach dieser Dienstleistung.»
4. Weiterhin grosse Hoffnung auf ein Leistungsschutzrecht
Ein Dauerbrenner in der medienpolitischen Diskussion ist das sogenannte Leistungsschutzrecht. Mit einer entsprechenden Anpassung der Urheberrechtsgesetzgebung würden Tech-Plattformen wie Google oder Facebook dazu verpflichtet, für die Nutzung von Medieninhalten die Verlage zu entschädigen. Ein solches Gesetz gibt es schon in der EU, in Australien und in Kanada. Die grossen Geldsummen fliessen allerdings nicht. Mit dem Aufkommen und dem Erfolg von generativen KI-Modellen, wie ChatGPT, stellt sich für die Verleger die Frage nach der Abgeltung umso mehr. Er wolle nicht als Tech-Gegner rüberkommen, sagte NZZ-CEO Felix Graf. «Aber eine gute Umsetzung des Leistungsschutzrechts ist wichtig», so Graf. Dramatischere Töne schlug Pietro Supino an: «Ohne Leistungsschutzrecht gibt es uns nicht mehr.» Schnell wird es allerdings nicht gehen und ob dann auch Geld fliesst, bleibt auch hierzulande ungewiss. Die Vorlage liegt nun bei Justizminister Beat Jans, der sie, wie man hört, im kommenden Jahr ins Parlament bringen will. Mit allen Hürden und Unwägbarkeiten dürfte ein solches Gesetz, von dem sich die Verleger so viel (Geld) erhoffen, allerfrühestens 2027 in Kraft treten.
5. Presseförderung hat politische Priorität
Von den Regulierungsvorhaben, die den Medienstandort zu stabilisieren oder gar zu stärken helfen sollen, hat für die Verleger aber die indirekte Presseförderung Priorität. Eine temporäre Aufstockung der Subventionen für die Postzustellung gedruckter Zeitungen soll die geschäftlichen Unwägbarkeiten beim Übergang zu digitalen Geschäftsmodellen finanziell abzufedern helfen. Wie beim Leistungsschutzrecht stilisierte Pietro Supino auch dieses Geschäft zur Existenzfrage hoch: Werde die Medienförderung nicht ausgebaut, «dann implodiert das System», so Supino unwidersprochen in der «Elefantenrunde». Entsprechende politische Vorlagen haben in den eidgenössischen Räten die ersten Hürden in der Kommission genommen. Doch mit dem neuen Personal im Bundeshaus ist der Prozess ins Stocken geraten. Vertiefte Prüfungen wollen die Rätinnen und Räte sehen, bevor sie entscheiden können. Die Verleger erklären sich die Verzögerung auch durch ein medienfeindlicheres Klima in der Politik, wie am SwissMediaForum verschiedentlich zu hören war.
6. So fordert das Thema KI die Medienchefs
Die Verleger wollen keine Tech-Verhinderer sein, darin waren sich Wanner, Graf, Walder, Marchand und Supino einig. Sie alle suchen neue Geschäftsmodelle und teils auch Kooperationen mit den grossen internationalen Technologiekonzernen. Ringier-CEO Walder machte konkrete Beispiele: In der alten Welt seien Teile von Texten verwendet worden. In der neuen Welt, die jetzt gerade beginne, würden ganze Inhalte wie Texte oder Videos übernommen und beispielsweise für Trainingszwecke für künstliche Intelligenz eingesetzt. Wenn das Publikum einen Chat fragen wolle, um Antworten zu bekommen, dann müsse man dafür sorgen, «dass sie die Antworten bei uns bekommen und nicht irgendwo anders», sagte Walder. Ringier habe deshalb eine Kooperation mit Google lanciert. Die Schweizer Verleger seien gefordert, ihre Inhalte nicht zugänglich zu machen: «Wir müssen unsere Inventare vor dem Zugriff durch die KI-Giganten schützen.» Hier blickte er zu Marchand und sagte, diesbezüglich sei auch die SRG gefordert.
Angereichert mit Material der Nachrichtenagentur Keystone-SDA.