Die Elefantenrunde im Vorjahr hatte es in sich. Da flogen die verbalen Fetzen. Von «Fake News» und «miesen Spielen» war die Rede (persoenlich.com berichtete). Ganz anders in diesem Jahr – nicht nur, weil diese auf dem Schiff MS Diamant stattfand. Die Runde war im Vergleich zum Vorjahr harmonischer – und ganz zum Schluss auch lösungsorientiert.
Zur Harmonie beigetragen hat sicherlich Moderatorin Susanne Wille. Sie wählte gleich zu Beginn einen «gruppentherapeutischen Ansatz» und bat die Teilnehmer der Runde, über einen Konkurrenten etwas Positives zu sagen. Der Ball wurde zuerst Ringier-CEO Marc Walder zugespielt, der sich zuvorkommend über Tamedia-Verleger Pietro Supino äussern soll. «Er ist scharfsinnig, strukturiert und sehr zupackend», lobte Walder seinen Verbalgegner vom Vorjahr. Supino seinerseits sagte, Walder habe Unglaubliches geleistet, um für Ringier das Marktplatzgeschäft aufzubauen. Und auch Digitalswitzerland sei eine «tolle Initiative».
Dann kamen die «New Kids on the Block» (Zitat Wille) zum Zug, die erstmals bei der Elefantenrunde teilnahmen: Felix Graf, CEO der NZZ-Mediengruppe, attestierte SRG-Generaldirektor Gilles Marchand, dass dieser die Romandie und die Deutschschweiz perfekt vereinen könne. Marchand an die Adresse des promovierten Physikers Graf, der zuvor Chef der Centralschweizerischen Kraftwerke war: «Für die Elefantenrunde braucht es viel Energie und Sinn für Spektakel. Damit: Willkommen im Club.»
Industrie 4.0
Nach dieser «Streichelrunde» wollte Wille von Graf wissen, wie es war, ausgerechnet in einem solch turbulenten Medienjahr übernehmen zu müssen – im Juni trat der neue CEO an. «Die ganze Industrie ist turbulent geworden. Die Industrie 4.0 verändert sich rasend schnell», so Graf. Er habe noch keinen Tag erlebt, an dem es ihm langweilig geworden sei.
Ob 2018 wirklich so ein schwieriges Jahr war, könne man erst in ein paar Jahren sagen, sagte Supino. «Rückblickend wird man vielleicht die Zeit von 2015 bis 2020 als eine Art Zeitenwende anschauen.» Als «extraordinaire» bezeichnete Marchand das laufende Jahr. Die SRG befinde sich nach der historischen No-Billag-Abstimmung nun in einem Reformprozess.
»Würden wir von @Tamedia nicht diversifizieren, würden wir schrumpfen», meint Pietro Supino. #SMF18 pic.twitter.com/lZUVJgrqdC
— persoenlich.com (@persoenlichcom) 28. September 2018
«Sind sie froh, dass Sie sich bereits aus dem Journalismus verabschiedet haben?», stichelte Wille an die Adresse von Walder, der dies als «Fangfrage» bezeichnete. «Es stimmt: Wir haben radikal versucht, weniger abhängig vom Journalismus zu werden. Aber wir haben uns davon nicht verabschiedet», so der Ringier-CEO. 2018 sei ein typisches Jahr gewesen, das zeige, in welcher Transformation die Branche sei. Schliesslich gab es auch noch lobende Worte an die Adresse der Journalisten: «Wir müssen die Wertschätzung gegenüber Journalisten wieder hochhalten», so Walder. «Bei ihnen könnte derzeit die Meinung herrschen, dass sie nur ein Kostenfaktor sind.»
Visionen statt Mediengesetz
Aufgrund der bereits fortgeschrittenen Zeit stellte Wille einen «Ordnungsantrag», das Thema Mediengesetz auszulassen und gleich zu den Visionen zu kommen. Und die hat Walder. Er mahnte, die Verleger dürften sich nicht auseinanderdividieren lassen. Er rief in Erinnerung, dass 80 Prozent der digitalen Werbeeinnahmen an die grossen ausländischen Plattformen gingen – wie Facebook, Google oder Amazon. Deshalb gebe es zwei Fragen: «Wie erreichen wir eine bessere Usability? Und wie kommen wir zu besseren Daten?»
Walder skizzierte zur Stärkung des Schweizer Werbemarktes eine Allianz zwischen den Verlagen und der SRG etwa im Datenmanagement. Und die sieht so aus: «Wir kreieren eine Art Login-Allianz. Wenn ich auf 20min.ch, blick.ch oder watson.ch gehe, muss ich mich zuerst registrieren», so der Ringier-CEO. Dies würde zu besseren sogenannten First-Party-Daten führen. Und schliesslich will Walder einen «gemeinsamen Datentopf» öffnen. In diesen würden anonymisierte Daten aller teilnehmenden Verlage fliessen. Das Resultat: «Wir hätten bessere Argumente für den Werbemarkt.»
Und dann passiert, was so vermutlich niemand erwartet hätte: «Ich gebe dem Chancen», sagte Graf. «Wir müssen nicht nur überlegen, wie man sich selbst das grösste Kuchenstück abschneidet, sondern wie man den Kuchen grösser machen kann.» Marchand bezeichnete das als «eine frische Idee, die ich erst seit Minuten kenne». Es scheine der richtige Ansatz zu sein.
«Ich hätte nicht gedacht, dass Sie am Schluss die Gemeinsamkeitsschiene fahren», kommentiert Moderatorin @willesusanne. Die Login-Allianz ist bei Supino, Graf und Marchand auf Anklang gestossen. #SMF18
— persoenlich.com (@persoenlichcom) 28. September 2018
Supino stellte gleich die Forderung: «Wir dürfen nicht mehr fragen, welche Chancen diese Idee hat. Wir müssen es tun.» Gestartet werden soll das Projekt schon im nächsten Jahr, so Supinos Wunsch.
Projektgruppe gegründet
Die Verlage scheinen tatsächlich Nägel mit Köpfen machen zu wollen: Nach Ende des Swiss Media Forums hätten sich die Spitzen der Verlage NZZ, Ringier, Tamedia, AZ Medien und SRG-Generaldirektor Gilles Marchand nochmal getroffen, um Details zu besprechen. Sie hätten vereinbart, zunächst eine Projektgruppe zu gründen, die von neutraler Stelle geführt werde, sagte Walder.
Dieser Projektgruppe sollen Spezialisten aller beteiligten Verlage und der SRG angehören. Deren Aufgabe werde es sein, die technologischen Fragen rund um das zentrale Login zu klären. Walder erwähnte hier zum Vergleich die Swiss ID. Das Gespräch suchen werde die Allianz ebenfalls mit der Wettbewerbskommission. Den Verlagen und der SRG sei es wichtig, dass ihr Vorstoss auf allen Ebenen gesetzeskonform sei.
Mit Admeira, einer Werbeallianz von Ringier und Swisscom, zu der ursprünglich auch die SRG gehört hatte, habe die Initiative nichts zu tun, sagte Walder, der Verwaltungsratspräsident von Admeira ist. Das gelte auch für die Goldbach-Gruppe, die zu Tamedia gehört, und die von der NZZ betriebene Vermarktungsfirma Audienzz.
Walder betonte, man stehe ganz am Anfang. Aber das Bekenntnis aller am Podium des Swiss Media Forums vertretenen Unternehmen sei da. Das Projekt stehe darüber hinaus auch kleineren Verlagen und elektronischen Medien mit Internetportalen offen.
Teilweise mit Material von Keystone-SDA.