11.09.2020

Serie zum Coronavirus

«Es ist ein äusserst fragiles Konstrukt»

Andreas Häuptli, Geschäftsführer Verlegerverband Schweizer Medien, ist froh, dass das Medienpaket zusammenbleibt. In Folge 117 unserer Serie blickt er zurück auf die Nationalratsdebatte vom Donnerstag, sagt, wo die Differenzen sind und wie es nun weitergeht.
Serie zum Coronavirus: «Es ist ein äusserst fragiles Konstrukt»
«Die Versorgung mit professionellem Journalismus muss gestärkt werden», sagt Andreas Häuptli, Geschäftsführer des Verlegerverbands Schweizer Medien. (Bild: zVg.)
von Matthias Ackeret

Herr Häuptli, wie sind Sie zufrieden mit dem Resultat, dass die Vorlage nicht aufgesplittet wird (persoenlich.com berichtete)?
Wir sind erfreut, dass das Medienpaket zusammenbleibt. Damit bleibt eine integrale Behandlung aller Bestandteile gewährleistet und die Mehrheitsfähigkeit intakt.

Die Kommission war aber anderer Meinung
Ja, die Kommission wollte die Digitalförderung ausklammern und separat behandeln. Das hätte sicher zu grossen Verzögerungen für die Digitalförderung geführt und hätte auch viel Ungewissheit gebracht, ob das Paket überhaupt je ins Ziel gekommen wäre.

Wo gibt es die grössten Differenzen bei den Parlamentariern?
Ganz klar bei der Digitalförderung. Hier hatten sich einige Missverständnisse festgesetzt, die wir jetzt mehrheitlich klären konnten. So ist die redaktionelle Freiheit beim vorgeschlagenen Modell weiter voll gewährleistet, weil die Förderung indirekt, über den Umsatz der Onlineangebote und ohne einschränkende Leistungsaufträge ausgerichtet wird.

«Natürlich waren die Turbulenzen nicht ideal»

Auch innerhalb des Verbandes gab es Meinungsverschiedenheiten, ich erinnere an die Stellungnahme von Peter Wanner. Wurde dies nun bereinigt?
Natürlich waren die Turbulenzen nicht ideal. Die Wogen sind geglättet. Peter Wanner hat sich auch gegenüber den Parlamentariern erklärt. Der Verband Schweizer Medien (VSM) tritt geschlossen auf, wie schon die vielen Monate davor.

Ganz generell: Wie wichtig ist die nationalrätliche Debatte über die Medienförderung für Sie?
Allerhöchste Priorität! Das Medienpaket soll für mindestens die nächsten zehn Jahre die Medienlandschaft in der Transformation begleiten. Es ist auf die volle Breite der demokratierelevanten Medien ausgelegt: Print, Audio, Video – analog und digital. Dabei muss es die Medienfreiheit gewährleisten und soll keine Marktverzerrungen mit sich bringen. Das ist sehr anspruchsvoll, aber in seiner Gesamtheit gut gelungen, wie wir von Verlegerseite finden.

Wo haben Sie die Debatte verfolgt? Im Büro oder direkt vor Ort?
Im Büro am Computer über den Livestream ab parlament.ch, im Team – als kleiner Public-Viewing-Event, sozusagen.

«Es bleibt noch ein sehr langer Weg bis zum Abschluss»

Haben Sie im Vorfeld noch gross Lobbyarbeit gemacht?
Ja, das war auch nötig. Weil die Vorlage so umfangreich ist, musste viel erklärt werden. Hier konnten wir die Kräfte bündeln helfen und haben damit eine solide Mehrheit erreicht. Es bleibt aber auch jetzt noch ein sehr langer Weg bis zum Abschluss.

Wie geht es nun weiter?
Nun ist die vorberatenden Kommission des Nationalrates, die KVF-N, wieder am Zuge. Sie hat am Donnerstag den Auftrag erhalten, jetzt auch noch die Digitalförderung zu prüfen und dann dem Nationalrat ein gesamtheitliches Paket vorzulegen. Diese Debatte ist in der Wintersession zu erwarten. Alle sind sich der hohen Dringlichkeit bewusst. Wir zählen darum darauf, dass es weiter zügig vorangeht.

Was schätzen Sie, wann wird die Medienförderung in Kraft treten?
Das ist noch nicht vorhersehbar. Auf spätestens Anfang 2022 müsste es klappen. Es ist aber ein äusserst fragiles Konstrukt, zu dem Sorge getragen werden muss. All die Anspruchsteller, die jetzt mit offensiven Forderungen auftreten, sollten sich bewusst machen, dass der Ständerat das Paket bereits verabschiedet hat. Es ist jetzt nicht mehr angezeigt, nochmals alles infrage zu stellen. Sonst droht der Totalabsturz.

Wenn die Medienförderung erst 2022 greift: Könnte dies für einige Verlage ein Problem darstellen?
Ja, da habe ich grosse Sorgen. Ich hoffe noch immer auf ein Inkrafttreten im 2021. Weisse Flecken in der Schweizer Medienlandschaft, wie dies in der USA der Fall ist, wären für den Zusammenhalt in den Regionen fatal. Etwas Neues aufzubauen ist sehr, sehr teuer. Es ist darum wichtig, den etablierten Medienangeboten, die gedruckt und online grosses Vertrauen geniessen, zu helfen.

Nochmals zusammengefasst: Um wie viel Geld geht es?
Es geht um 100 Millionen Franken zusätzlich aus der Bundeskasse. Die indirekte Presseförderung soll für die Abonnementszeitungen in der Tageszustellung um 20 und in der Frühzustellung um mindestens 40 Millionen Franken aufgestockt werden. Der Ständerat hat zudem der Mitgliedschaftspresse 10 Millionen Franken mehr zugestanden. Die neue Digitalförderung ist mit 30 Millionen Franken vorgesehen. Über das RTVG sollen 2 Prozent aus dem gut gefüllten Gebührentopf, rund 28 Millionen, unter anderem für innovative IT-Branchenlösungen freigemacht werden. Das scheint viel Geld, ist angesichts der Herausforderung aber verhältnismässig. Von der breitenwirksamsten Fördermassnahme, der indirekten Printpresseförderung, würden rund 170 Titel profitieren.

«Die Coronakrise hat vor allem sehr viel Arbeit gebracht»

Zu Ihnen persönlich: Wie fest hat Corona Ihre Arbeit in den letzten Monaten beeinträchtigt?
Die Coronakrise hat vor allem sehr viel Arbeit gebracht. Angefangen mit der Ungewissheit zu Beginn des Lockdowns über die intensive Arbeit für eine kurzfristigen Soforthilfe bis zur laufenden Debatte rund um das medienpolitische Paket. Beeinträchtigend waren die Einschränkungen für persönliche Kontakte. Ein Treffen Face to Face ist halt schon verbindlicher als ein Telefonat oder eine Videokonferenz.

Wo haben Sie Ihre Ferien verbracht?
Zuerst waren wir als Familie auf Sylt. Das ist immer wieder eine fantastische Insel mit seiner Weitläufigkeit, dem frischen Wind und den Sonnenuntergängen am weiten Horizont. Danach habe ich mit meiner Frau unseren 20. Hochzeitstag im Grimselgebiet gefeiert. Ein ziemliches Kontrastprogramm also, trotz eingeschränkter Bewegungsfreiheit. Wunderbar wars!

Was war für Sie das prägendste Erlebnis der letzten Monate?
Die ganze Freakshow der Verschwörungstheoretiker rund um die Coronakrise. Was sich da alles vermischt, ist faszinierend, aber auch etwas beunruhigend. Es zeigt sich, dass die etablierten Medien nicht mehr Jede und Jeden erreichen. Die Versorgung mit professionellem Journalismus muss gestärkt werden. Das Parlament ist aufgerufen, das Medienpaket dringlich zu verabschieden und so zu verhindern, dass die Desinformation weiter zunimmt.



Was bedeutet die Corona-Pandemie für die verschiedenen Akteure der Schweizer Medien- und Kommunikationsbranche? Bis auf Weiteres wird persoenlich.com jeden Tag eine betroffene Person zu Wort kommen lassen. Die ganze Serie finden Sie hier.



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