25.10.2011

"Blick"

Ex-Chef Peter Uebersax gestorben

Köppel und Schawinski würdigen sein Schaffen.

Peter Uebersax ist tot. Der Journalist und Autor starb letzten Donnerstag im Alter von 87 Jahren in Herrliberg. Das teilte die Weltwoche Verlags AG am Dienstag mit. Uebersax arbeitete zuerst als Nachrichtenjournalist und war danach Chefredaktor beim "Blick".

Die ersten Lebensjahre verbrachte Uebersax in Russland, von dort stammte seine Mutter. Die Familie emigrierte in die Schweiz. Als 1945 die erste Atombombe über Japan explodierte, nahm Uebersax ein Physikstudium in Angriff, wie er in einem Interview mit dem "Schweizer Fernsehen" einst erzählte. Dieser Branche sei eine grosse Zukunft prognostiziert worden.

Bald habe ihn das Fernweh geplagt und er verliess die Uni. Mit 21 Jahren habe er für sich selbst sorgen müssen und einen Beruf gesucht, "der keine Voraussetzung verlangt." Er schlug sich als Reisejournalist durch und zog vier Jahre durch die Welt. Dann heuerte Uebersax bei der US-amerikanischen Nachrichtenagentur "United Press International" (UPI) an.

Seine Agenturtexte erschienen unter anderem in der "New York Times". Anfang der 60er Jahre kehrte er in die Schweiz zurück und wurde Chefredaktor der Boulevardzeitung "Blick". Uebersax sei stark geprägt gewesen vom amerikanischen Journalismus und habe beispielsweise auf eine klare Trennung von Meinung und Kommentar gesetzt, erinnerte sich der Publizist Karl Lüönd.

"Er war einer der grossen Ur-Könner des Journalismus", sagte Lüönd zur Nachrichtenagentur sda. Uebersax habe strenge Regeln erlassen, indem er beispielsweise konsequentes Gegenlesen forderte und Quellen hartnäckig überprüfte. "Es gab deshalb kaum Flops." Gleichzeitig habe Uebersax viel verlangt, was einige Journalisten als Zumutung empfunden hätten. "In der Redaktion kam es zu einem Aufstand und er musste gehen."

Erfolg dank Skrupellosigkeit

Uebersax kehrte zurück zu UPI und leitete das Büro im spanischen Madrid. Spanien bezeichnete er als "eines der schönsten Länder". Laut Lüönd habe Uebersax damals in fast fünf Sprachen über den Tod von Franco berichtete. "Er war sprachlich hervorragend ausgebildet."

Anfang der 80er Jahre kehrte Uebersax zum "Blick" zurück. Er wolle sich dort eine gute Rente sichern, habe er als Grund für den Schritt angegeben, sagte sein langjähriger Weggefährte Lüönd. Uebersax verfolgte einen aggressiven Kurs. "Boulevard sollte hart und dynamisch sein", sagte er einst zu seinem Stil.

Seine zweite Periode als Chefredaktor dauerte sechseinhalb Jahre. Die Zeitung steigerte ihre Auflage um 40 Prozent auf gegen 400'000 Exemplare. "Sein Erfolgsgeheimnis war seine Nase für Themen", sagte Lüönd. Er habe zudem sehr diszipliniert gearbeitet und eine hohe Skrupellosigkeit sowie keinerlei Berührungsängste bewiesen.

"Als Vorgesetzter war er immer sehr angenehm, fair und äusserst korrekt", sagte Lüönd. Uebersax sei zudem stets tadellos gekleidet gewesen. Je mieser das Blatt, umso besser angezogen müssten die Journalisten sein, habe sein Credo gelautet. Mitte der 80er Jahre ging Uebersax in Pension.

Danach verfasste er das Buch "Blick zurück", in dem er seine Arbeit Revue passieren lässt. Lange Jahre verfasste er selbst noch Artikel für Zeitungen und Zeitschriften, unter anderen auch für die "Weltwoche".

Für persoenlich.com würdigen verschiedene Medienschaffende aus der Schweiz das Schaffen von Peter Uebersax:

Roger Schawinski, Medienpionier:

"Er war der erste, den ich als grosse Persönlichkeit und dominierenden Chef einer Redaktion erlebt habe. Als gelernter Nachrichtenagentur-Journalist hat er mich durch seinen akribischen, faktenorientierten Ansatz geprägt. Sein Gefühl für Stories und Themen war exzellent, was er besonders in seiner Zeit beim 'Blick' bewiesen hat. Durch seinen persönlichen Erfolg berauscht, hat er später leider seine Unabhängigkeit des Denkens und auch seine Contenance etwas verloren und sich mit seiner Anti-Tamilen-Kampagne und seiner Parteinahme für die Autopartei politisch in die ganz rechte Ecke gestellt. Aber sein Gesamtwerk überstrahlt dieses Abgleiten in ungute Gefilde."

Roger Köppel, Chefredaktor und Verleger der Weltwoche:

"Die Klischees des brutalen Boulevardjournalisten, der gegen Grüne und Tamilen anschrieb, werden der Persönlichkeit von Uebersax überhaupt nicht gerecht. Der Journalist stammte aus einer sehr kultivierten Familie, seine Mutter, eine Russin, war Malerin, sein Vater Chemiker. Uebersax selber gehörte zu den Schweizer Journalisten mit dem wohl grössten internationalen Horizont. In seiner Herrliberger Wohnung war ein handsignierter Dankesbrief des spanischen Königs Juan Carlos. Ich habe Peter als einen äusserst humorvollen, intelligenten und instinktsicheren Menschen erlebt. Wir haben oft darüber nachgedacht, wie es wohl gewesen wäre, wenn wir beide zusammengearbeitet hätten. Es wäre mir eine Ehre und eine Freude gewesen, unter dem grossen Chefredaktor Peter Uebersax zu dienen."

Peter Rothenbühler, Direktionsmitglied Edipresse und ehemaliger Chefredaktor Sonntagsblick:

"PU, so hiess Uebersax’ Kürzel, hat den Blick geprägt wie kein anderer vor und nach ihm. Er hat das Blatt in den achtziger Jahren zu gigantischen Auflagenhöhen gepusht, er hat die Zeitung zu einer der wichtigsten Stimmen des Landes gemacht, er hat den Schweizer Journalismus revolutioniert und beeinflusst wie eigentlich sonst nur das Fernsehen: Er setzte das Interessante vor das Wichtige, das Emotionale vor das rein Rationale, das Persönliche vor das Sachliche. Als Peter Uebersax in die Pension entlassen wurde, hat eine neue Generation von Blick-Chefs versucht, zuerst einmal alles, was der grosse alte Mann gepflegt hatte, abzuschaffen, den Blick vom populistischen Revolverblatt zur linksliberalen Volkszeitung umzupositionieren, EU-Propaganda, SP-Politik und Blocher-Bashing zu betreiben und alle sind damit gegen die Wand gefahren. Die Auflage fiel auf katastrophale Tiefen. Inzwischen ist wieder eine stramme Boulevard-Equipe am Werk, die mit mehr oder weniger Erfolg versucht, an den Rezepten von Uebersax anzuknüpfen, ausgerechnet jetzt erst, wo PU definitiv abgetreten ist. Ich habe von keinem anderen Journalisten so viel gelernt, wie von Peter Uebersax. Und das können viele andere Kollegen auch sagen."

Marc Walder, CEO Ringier Schweiz und Deutschland:

"Peter Uebersax blieb sich ein Leben lang treu - als konsequent zuspitzender Journalist."

Lesen Sie hier ein ausführliches Interview von "persönlich" mit Peter Uebersax aus dem Jahr 2005 und die ausführlichen Würdigungen auf blog.persoenlich.com. (sda/sl)



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