20.08.2003

"Filippo Leutenegger, warum der Wechsel?"

Medard Meier (51), seit 14 Jahren Chefredaktor der Bilanz, wird per 1. Dezember abgelöst durch den einstmaligen Facts-Chefredaktor René Lüchinger (45). "persoenlich.com" hat Filippo Leutenegger (Bild), CEO der Bilanz-Herausgeberin Jean Frey, zu den Hintergründen des Führungswechels befragt. Das Interview:
"Filippo Leutenegger, warum der Wechsel?"

Sie haben gerade Ihre Mitarbeiter über den Wechsel informiert, nachdem die Leute die Neuigkeit bereits aus den Medien erfahren hatten. Wie waren die Reaktionen?

Dass Informationen zu früh an die Öffentlichkeit geraten, gibt es in unserer Branche eben immer wieder -- leider! Es war geplant, die Mitarbeiter heute ins Bild zu setzen, ein Teil der Belegschaft war folglich auch schon unterrichtet. Insofern ist das Leck ärgerlich.

Man sagt, Sie und Medard Meier hätten verschiedene Ansichten über den Kurs der Bilanz. Welches sind die Unterschiede?

Nein wir haben keine Differenzen über den Kurs. Nach vierzehn Jahren Chefredaktion gibt es aber so etwas wie einen natürlichen Ablösungsrhythmus. Man kann sich immer steigern, das ist bekanntermassen meine Überzeugung. Zur Verbesserung braucht es aber manchmal neue Schübe. Medard Meier hat grosse Verdienste, hat grosse Arbeit geleistet, hat die Redaktion durch viele unruhige Gewässer geführt -- ein super Erfolg, ich kann ihm nur danken! So gesehen ist die Ablösung nicht zeitlich zwingend, sondern für die Bilanz eine neue Herausforderung.

Im Vergleich mit anderen Wirtschaftstiteln hat die Bilanz wenig Auflage verloren, und auch bei den Anzeigen scheint es verhältnismässig gut auszusehen. Nochmals: Warum kommt die Trennung von Medard Meier gerade jetzt?

Es geht um eine permanente Qualitätsverbesserung. Es reicht mir nicht, nur gut zu sein -- wir wollen besser sein und mit unseren Publikationen Erfolg haben! Wir sind ein mittelgrosses Medienhaus mit Qualitätstiteln, auf uns hat niemand gewartet, ausser wir liefern weiterhin Qualität. Deshalb müssen wir uns ständig verbessern. Dass das möglich ist, haben unsere Titel bereits gezeigt.

René Lüchinger leitete früher die Redaktion von Facts. Wollen Sie mit der Bilanz eine breitere Leserschaft erreichen, mithin mehr Wirtschafts-Boulevard machen?

Nein. Es geht nicht um eine Strategie- oder Richtungsänderung.

Was kann René Lüchinger besser als Medard Meier?

Diese Frage ist natürlich falsch gestellt.

Meinetwegen: Was kann Meier schlechter?

Auch falsch. Die richtige Frage haben Sie bereits gestellt: Warum eine Änderung? Wir befinden uns, vor allem mit einer Wirtschaftspublikation, in einem harten Umfeld mit einem starken Verdrängungswettbewerb. Es geht allen schlecht -- und wir leiden auch, wenngleich auf hohem Niveau. Der Konkurrenzkampf zwingt uns zur steten Verbesserung, wofür es manchmal, wie gesagt, auch neue Kräfte braucht. Medard Meier war zwanzig Jahre erfolgreich bei der Bilanz, 14 davon als Chefredaktor. Wir scheiden in Eintracht, es gibt weder persönliche noch sachliche Differenzen.

Trotzdem: Warum Lüchinger?

René Lüchinger ist ein sehr fundierter Wirtschaftsjournalist, der auch mit verschiedenen Buchpublikationen von sich reden gemacht hat. Zudem bringt er von seiner Zeit als Facts-Chefredaktor Führungserfahrung mit.

Medard Meier ist einer der dienstältesten Chefredaktoren der Schweiz und verfügt über ein grosses Beziehungsnetz. Laufen Sie nicht Gefahr, dieses zu verlieren?

Nun, es gibt bei uns ein paar Chefredaktoren, die ebenfalls über viele Beziehungen verfügen. Und der CEO hat auch ein paar. Ich schätze Netze, doch können sie auch hinderlich sein -- wie das Beispiel der Bundeshausjournalisten zeigt, die vor lauter Bekanntschaften nicht mehr schreiben können, was sie wissen.

Spielte Ihnen Medard Meier eine zu unwesentliche Rolle in der Öffentlichkeit? Ist er zu selten aufgetreten?

Das spielt überhaupt keine Rolle! Mich interessieren nur das Produkt und sein Erfolg. Alles andere ist bestenfalls eine angenehme Nebenerscheinung.

Die Bilanz scheint im Umbruch zu sein: neuer Chefredaktor, Abgang des stellvertretenden Chefredaktors, neue Verlagsleiterin, neue Anzeigenleitung. Warum wechseln Sie die gesamte Führungscrew aus?

Nun, das waren ja verschiedene Schritte, bei der auch Synergieeffekte eine Rolle gespielt haben. Das Wichtigste sind aber bei jeder Publikation die Inhalte. Wir haben mit der Bilanz ein hervorragendes Produkt, das wir noch steigern wollen. Bei Redaktion und Verlag sind immer Verbesserungen möglich. Vergleichen Sie doch nur mit der Situation, in der die Jean Frey vor anderthalb Jahren war!

War der Wechsel in der Bilanz-Chefredaktion Ihr Entscheid, oder kam er vom Verwaltungsrat?

Den Entscheid fällten Medard Meier und ich gemeinsam.

Konkret: Welche Rolle spielte VR-Mitglied Charles von Graffenried?

Die Abläufe sind immer gleich: Ich stelle die Anträge und der VR genehmigt sie. Auch in diesem Fall war das so. Zu besonderen Rollen einzelner Verwaltungsräte äussere ich mich nicht.

Können Sie etwas zur Zukunft von Medard Meier sagen?

Nein, da müssen Sie ihn fragen.


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